Verhängnisvolle Bindung? Deutschland scheint von Russlands Wirtschaft abhängig zu sein
EU-Nationen sind weiterhin an Russlands Uran gebunden. Trotz des Krieges in der Ukraine hat Deutschland anscheinend mehr Uran aus Russland bezogen als zuvor.
Moskau – Trotz des Ukraine-Kriegs hat Deutschland im Jahr 2024 mindestens 68,8 Tonnen Uran aus Russland importiert. Wie aus Daten des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz hervorgeht, hat Deutschland damit die Uranimporte um 70 Prozent im Vergleich zu 2023 erhöht. Das Uran des russischen Atomkonzerns Rosatom wurde offenbar für eine niedersächsische Firma geliefert.
Deutschland importiert Uran trotz Ukraine-Kriegs – Empfänger ist wohl eine Firma in Niedersachsen
Im Vordergrund steht eine Brennelemente-Fabrik im niedersächsischen Lingen, die laut SWR-Recherchen vom Mai 2024 den Handel mit radioaktiven Substanzen mit russischen Firmen vorantreiben soll. Demnach sind „bis zu fünf“ Transporte von radioaktivem Material von der Brennelementefabrik an eine russische Firma von niederländischen Behörden genehmigt worden. Diese Firma soll auch laut dem Spiegel die 68,8 Tonnen Uran empfangen haben.
Julian Bothe von der Anti-Atomkraft-Organisation „Ausgestrahlt“ kritisierte, dass die Uranimporte nach Lingen Putins Krieg mitfinanzieren würden. „Das Ausbauprojekt zementiert die Abhängigkeit von Russland und macht Lingen zur verlängerten Werkbank des Kreml; die Bundesregierung muss dieses Vorhaben schon aus sicherheitspolitischen Gründen stoppen“, sagte Bothe gegenüber dem Spiegel.

Am Standort Lingen sollen künftig Brennelemente für Reaktoren des russischen Typs WWER hergestellt werden. Dagegen hatten Umweltverbände im November 2024 protestiert. „Sicherheits- und Rechtsexpert*innen warnen vor immensen Risiken einer Kooperation mit Rosatom. Zudem öffnet die Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom die Türen für potenzielle Sabotageakte und ermöglicht Russland einen strategischen Zugriff auf kritische Infrastruktur“, sagte Susanne Gerstner, Vorsitzende BUND Niedersachsen, damals.
EU-Land ist auf russisches Uran angewiesen – bislang gibt es keine Sanktionen
Auch für die französische Atomstromproduktion ist russisches Uran nützlich. Denn das Land bezieht angereichertes und Natururan aus Russland. Im Jahr 2022 importierten die EU-Staaten Produkte der russischen Nuklearindustrie, wie Kernbrennstoffe, Verbindungen und Teile für Reaktoren, im Wert von 720 Millionen Euro – 22 Prozent mehr als im Jahr 2021, so die von Forum Energii zitierten Eurostat-Daten.
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Bislang sind russisches Uran und der Staatskonzern Rosatom von EU-Sanktionen ausgenommen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die EU auf, zumindest Sanktionen gegen Rosatom zu verhängen. Rosatom ist eng mit dem russischen Militärapparat verbunden. „Vor einem Jahr hätte ich noch gesagt, dass es für die EU am schwierigsten wäre, russisches Gas loszuwerden, aber jetzt sieht es so aus, als ob es am schwierigsten wäre, russische Atomenergie loszuwerden“, sagte Niclas Poitiers vom Thinktank Bruegel der DW im Jahr 2023.
USA will Abhängigkeit von Russlands Wirtschaft reduzieren – Importverbot für russische Uranimporte
Die USA hatten hingegen am 13. Mai 2024 ein Importverbot für angereichertes Uran aus Russland eingeführt. Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen, falls die USA doch auf den Kernbrennstoff aus Russland angewiesen sind. Dem schob Kremlchef Wladimir Putin einen Riegel vor: Russland hatte im November 2024 Beschränkungen für den Export von angereichertem Uran in die USA verhängt.
Russland ist der sechstgrößte Uranproduzent der Welt und kontrolliert etwa 44 Prozent der weltweiten Urananreicherungskapazität. Im Jahr 2023 führten die USA und China die Liste der russischen Uranimporteure an, gefolgt von Südkorea und Frankreich. Die russische Atomenergie-Holding Rosatom teilte in Moskau mit, dass die anderen Exportverträge mit 33 Kunden in 14 Staaten erfüllt würden. Rosatom machte keine konkreten Angaben zum Export in die USA, informierte aber darüber, dass die Holding etwa 17 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kernbrennstoff decke.