Ungleiche Verteilung von Flüchtlingen?: Markt Garmisch-Partenkirchen klagt gegen den Landkreis
1457 Flüchtlinge sind derzeit in Garmisch-Partenkirchen untergebracht. Im Mai 2022 waren es noch 948. Die Verwaltung im Kreisort ist an der Belastungsgrenze angelangt, sagen die Bürgermeisterinnen. Das Hauptproblem sehen sie in der Betreuung der Kinder der Asylsuchenden.
Garmisch-Partenkirchen – Jetzt wird’s dem Markt Garmisch-Partenkirchen zu bunt. Mit Blick auf die Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis ergreift die Rathausspitze drastische Mittel. Die Bürgermeisterinnen lancieren eine Klage gegen den Landkreis, weil die Gemeinde mit derzeit 1457 Asylsuchenden nicht mehr klarkommt. „Wir haben lange mitgemacht, weil wir den Menschen helfen wollten, aber jetzt geht es nicht mehr“, betont Elisabeth Koch (CSU). Hauptproblempunkt: die Kinderbetreuung. Der Ort ist nicht nur an der Kapazitätsgrenze, sondern weit darüber. „Wir haben 50 Kinder auf der Warteliste für den Kindergarten und nochmals 50 für die Krippen“, begründet Vize-Bürgermeisterin Claudia Zolk (CSB). „Das können wir nicht mehr leisten.“
Wie die Lage sich in Garmisch-Partenkirchen entwickelt hat, demonstrieren Statistiken am besten. So ist die Zahl der Flüchtlinge seit Mai 2022 von damals 948 nun auf 1457 gestiegen. Ein Plus von mehr als 500 Personen. Legt man den Fokus auf die Kinder im Alter von eins bis zehn wird der enorme Anstieg ebenfalls deutlich: Zum Ende des Jahres 2021 lebten im Markt 2183 Mädchen und Buben, im Juni 2024 sind es 2374. 190 mehr. Im Jahr 2014, vor den beiden großen Flüchtlingswellen, waren es 1713.
Garmisch-Partenkirchen ärgert ungleiche Verteilung der Asylsuchenden: Zahl der Flüchtlinge seit Mai 2022 von 948 auf 1457 gestiegen
Was die Rathausspitze besonders ärgert: die ungleiche Verteilung der Asylsuchenden im Kreis. Ettal aufgrund von Kapazitäten im Kloster (früheres Internat) und Garmisch-Partenkirchen sind die einzigen Kommunen, die ihre Soll-Quote (nach Einwohnern) übererfüllen. „Wir liegen bei 120 Prozent, das ist ein Fünftel mehr als wir müssten“, rechnet Koch vor. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, an dem das System zusammenbricht. „Wir können unseren kommunalen Aufgaben nicht mehr nachkommen.“ Etwa Einwohnern mit Hauptwohnsitz eine Kinderbetreuung zu bieten. „Und wir reden gar nicht davon, welche wahnsinnige Belastung die Krise für die Verwaltung ist.“
Untätigkeit kann man der Gemeinde nicht vorwerfen. Da stellt Zolk heraus. „Wir haben in den vergangenen Jahren vier neue Gruppen ins Leben gerufen, zwei für Kindergarten und zwei für Krippen.“ Um den jetzigen Bedarf zu stillen, wären mindestens fünf weitere notwendig. „Und sicher 13 oder mehr Arbeitskräfte, die es einfach nicht gibt“, moniert Zolk.
„Werden gerichtlich prüfen lassen, ob der Landkreis richtig verteilt oder nicht.“
Koch hat ihre Amtskollegen bei der Bürgermeister-Dienstbesprechung am Donnerstag in ihre Pläne eingeweiht. „Mir ist klar, dass ich mir damit keine Freunde mache. Und mir ist auch bewusst, dass wir als größte Kommune immer sehr stark beteiligt sein werden.“ Nur gelte es aus ihrer Sicht die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu beachten. „Das geschieht hier nicht.“ Sie versteht nicht, dass der Landrat stolz darauf ist, keine Turnhalle zu belegen und keinen Verteilungsschlüssel zu benutzen. „Das Ganze wird aber auf dem Rücken von Garmisch-Partenkirchen ausgetragen.“
Ketzerisch wirft sie in Richtung Ibrahim Kavun hinterher: „Und das alles bloß, weil wir einen Bauträger haben, der damit sehr viel Geld verdient.“ Die neuesten Pläne betreffen wieder den Investor: So ziehen die Ukrainer demnächst aus dem Posthotel am Marienplatz aus und in den Patton-Komplex um. „Dort gibt es viel größere Kapazitäten, können bis zu 300 unterkommen.“ Koch will das nicht mehr mitmachen. „Wir werden gerichtlich prüfen lassen, ob der Landkreis richtig verteilt oder nicht.“
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Klage Garmisch-Partenkirchens in der Flüchtings-Thematik für Landrat Speer nicht überraschend
Für Landrat Anton Speer (FW) kommt Kochs Attacke nicht überraschend. „Ich weiß, dass Garmisch-Partenkirchen die Hauptlast trägt.“ Er geht aber auch in die Verteidigung. „Es bin ja nicht ich, der die Leute herzieht“, stellt er klar. Er appelliere immer wieder an alle Gemeinden, dass sie ihren Beitrag leisten müssen. Tatsächlich tun sich nun neue Möglichkeiten auf: So steht der frühere Tengelmann-Markt in Murnau kurz vor der Belegung, in der zweitgrößten Gemeinde gibt es zudem zwei weitere Objekte, die der Kreis in Anspruch nimmt. Auch in Grafenaschau steht laut Speer ein Vorhaben in den Startlöchern, in Krün liegt die Baugenehmigung für das Containerdorf vor. „Ich sehe die enorme Belastung. Wir wollten auch nicht, dass das Abrams noch weiter belegt wird. Aber das liegt nicht an uns.“ Dennoch räumt er ein: „Wir müssen versuchen, besser zu verteilen.“
Hoffnungen legt der Landrat in die Bezahlkarte, die zum 1. Juli im Landkreis startet: „Ich denke schon, dass wir die Situation damit ein wenig entschärfen können, weniger Flüchtlinge kommen.“