„Vergesst die Ukraine nicht!“
Zum zweiten Mal jährt sich nun schon der Angriff Russlands auf die Ukraine. Die zwei Gründerinnen des Dachauer Vereins Domivka erzählen, was das Problem vieler Ukrainer hier in Deutschland ist.
Dachau – Das Wort Domivka bedeutet im Ukrainischen Heimat, Zuhause, Häuschen. Domivka ist etwas Warmes, etwas Wohliges, ein gutes Gefühl. Wenn draußen der Wahnsinn tobt, soll es im Domivka sicher und gemütlich zugehen.
Kein Wunder, dass Nataliya Bach und Viktoriya Logvynska, zwei gebürtige Ukrainerinnen, die seit vielen Jahren in Dachau leben, ihren im Herbst 2022 gegründeten Hilfsverein für ukrainische Kriegsflüchtlinge „Domivka“ nannten. In Kursen, aber auch über Social-Media-Gruppen, unterstützen die Ehrenamtlichen beim Ankommen, beim Deutsch Lernen und beim Zurechtfinden im Behörden-Dschungel. Der Landkreis Dachau würdigte dieses Engagement im vergangenen Jahr mit dem Integrationspreis, 500 Euro Preisgeld bekamen die ehrenamtlichen Domivka-Helfer für ihre wichtige Arbeit.
Dachauer Verein Domivka will geflüchteten Ukrainern neues Zuhause geben und stößt an seine Grenzen
Wenn Bach und Logvynska auf die vergangenen beiden Kriegsjahre zurückblicken, sprechen sie von einem Wechselbad der Gefühle. „Erst standen wir unter Schock.“ Dann sei die Wut gekommen und dieser unbändige Hass. Nach einem kurzen Moment der Hilflosigkeit aber hätten sich die im Landkreis lebenden Ukrainer zusammengetan und beschlossen, zu helfen. „Da haben Leute auf einmal Dinge getan, die sie noch nie zuvor getan haben.“ Logvynska etwa sagt: „Ich bin Verkäuferin, mein Mann ist Busfahrer.“ Nie habe sie sich Gedanken gemacht über die Organisation von Hilfstransporten, Eintragungen in deutsche Vereinsregister oder das Anmelden von Integrationskursen.
Nataliya Bach, die 2006 nach Dachau kam, um an der Münchner Ludwigs-Maximilians-Universität BWL zu studieren, dankt in diesem Zusammenhang explizit der Dachauerin Oksana Bonauer, die mit der Ukraine-Hilfe in Dachau angefangen und mit dem Aufbau eines örtlichen Ukrainer-Netzwerks die Basis für den Verein Domivka geschaffen habe. „Wir wollten nicht nur helfen bei Dokumenten oder Unterkunft, wir wollten eine Gemeinschaft aufbauen“, erinnert sich Bach.
„Das Grauen in der Ukraine ist Normalität geworden“
Heute, zwei Jahre nach Beginn des schrecklichen Kriegs, müssen aber sogar Bach und Logvynska zugeben, dass es ihnen geht wie vielen Deutschen. Bach: „Das Grauen in der Ukraine ist Normalität geworden. Wenn wir ständig daran denken würden, würden wir ja wahnsinnig.“ Logvynska beschreibt ihren Seelenzustand als „grau. Es ist so trostlos“.
Beide Frauen aber betonen auch: „Wir Ukrainer geben die Hoffnung nicht auf, diesen Krieg zu gewinnen!“ Von den Dachauern, die ihre Landsleute vor zwei Jahren so „unendlich großzügig“ unterstützt hätten, bitten sie daher: „Vergesst uns nicht, gebt uns nicht auf!“ Vor allem aber werben die Domivka-Verantwortlichen um Verständnis für ihre Landsleute.
Kriegsflüchtlinge wollen nicht in Deutschland bleiben
„80 bis 90 Prozent“ der in Dachau ankommenden Kriegsflüchtlinge seien „nicht freiwillig hier“, so Bach. Der Landkreis Dachau sei „ein vorläufiger Wohnraum. Die arrangieren sich, wollen im Prinzip aber nur die Zeit überbrücken, bis sie wieder zurück können“. Auch Logvynska betont, dass ihre Landsleute nicht gekommen seien, um „den Deutschen auf der Tasche zu liegen“. Überhaupt: „Schmarotzer gibt es überall.“ In den vergangenen Monaten hätten die Medien aber leider nur noch die negativen Seiten des ukrainischen Flüchtlingsstroms gezeigt.
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Ukraine-Flüchtlingszahlen steigen auf über 1500 – Kontakt zu Domivka
Nach den jüngsten Zahlen des Landratsamts Dachau sind aktuell 1515 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im Landkreis Dachau. Dass die 1500-Personen-Marke überstiegen wurde, „das hatten wir nur selten“, wie Landratsamtssprecherin Sina Török betont.
Von 1515 Ukrainern sind 447 Kinder, 711 Frauen und 357 Männer. Gerade die Zahl der Männer ist laut Török bemerkenswert. Deren Zahl steige nämlich, wohingegen zu Beginn des Krieges fast ausschließlich nur Frauen und Kinder gekommen seien.
453 Ukrainer leben in staatlichen Unterkünften des Landkreises. Die größten davon sind: das Hotel Amedia mit 91 untergebrachten Ukrainern, die Turnhalle an der Steinstraße, wo 85 Geflüchtete leben, das Haus Irmengard in Schönbrunn mit 69 Bewohnern sowie eine Holzständeranlage in Erdweg, die 40 Menschen Platz bietet. Der Rest der ukrainischen Geflüchteten ist in Wohnungen untergebracht.
Der Hilfsverein Domivka e. V. sammelt weiterhin Spenden für die Menschen in der Ukraine.
Der Kontakt: IBAN: DE38 7005 1540 0281 1552 00, Sparkasse Dachau, BIC: BYLADEM1DAH.
Wichtig: als Verwendungszweck „Hilfe für Ukraine“ angeben. zip
Vor allem die älteren Flüchtlinge sitzen nach den Erfahrungen der Domivka-Helfer „auf gepackten Koffern“. Genau das aber ist laut Bach der größte Fehler: „Die sind weder hier angekommen, noch sind sie zuhause in der Ukraine. Sie sind nirgends, sie kommen nicht zur Ruhe, sie sind geistig nicht da. Da wird man verrückt!“
Gründe für Probleme bei der Integration
Dass dieses Hier-noch-nicht-angekommen-Sein ein Grund ist, warum viele Ukrainer sich mit der deutschen Sprache und dem deutschen Arbeitsmarkt schwer tun, geben die beiden Frauen zu. Hinzu komme aber auch die Tatsache, dass viele der ukrainischen Ausbildungen hier nicht anerkannt würden. Vor allem Mütter, die mit ihren Kindern die Heimat verlassen hätten, würden außerdem oft berichten, dass es sie überfordere, neben der Betreuung des von Heimweh geplagten Nachwuchses auch noch arbeiten zu müssen. „Das Tempo ist zu hoch“, fasst es Nataliya Bach zusammen. „Die Leute kommen aus einem Kriegsgebiet hier an und sollen eine Woche später gleich einen Integrationskurs besuchen!“
Dennoch finden es die Domivka-Macher „super“, wie viele Kurse und Möglichkeiten die Deutschen ihren geflüchteten Landsleuten geben. Aktuell beschränkt sich ihre Arbeit daher vor allem darauf, Kindern Nachhilfe zu geben – sowohl in Deutsch, als auch in anderen Fächern wie Mathe oder Englisch. Weitere Unterstützer für diese Arbeit wären nach den Worten von Viktoriya Logvynska „herzlich willkommen“!
Verein sammelt Spenden für die Ukraine

Zudem sammelt der Verein auch weiterhin Sachspenden für die Ukraine. Von der Kleidung für Menschen über Futter für Tiere sowie Geldspenden sind die Domivka-Macher für jede Zuwendung dankbar.
Apropos dankbar: Viktoriya Logvynska findet, dass – bei aller Liebe zu ihrer neuen Heimat – die Deutschen gern ein bisschen zufriedener und dankbarer sein sollten. „Hier regen sich die Leute auf, weil die S-Bahn nicht kommt!“ Angesichts des Kriegs, der nun seit zwei Jahren in der Ukraine tobt, sei ein unpünktlicher Zug aber „wirklich nicht so schlimm“.