Echte Inklusion in Haar: Kinderpfleger im Rollstuhl

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Reden nicht nur von Inklusion: Verena Fahrion (l.) von FortSchritt, Leiterin Yvonne Fuss und Giosuè Spandri. © Sabina Brosch

Viele Menschen mit Behinderung finden auf dem ersten Arbeitsmarkt nur schwer eine Beschäftigung. Giosuè Spandri (19) hat es geschafft. Er ist Azubi zum Kinderpfleger im Kinderhaus Haar.

Haar – Giosuè Spandri (19) hat ein Handicap, er hat Cerebralparese und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Sein Traum ist es, einmal Heilerziehungspfleger zu werden, denn er ist sich sicher: „Wer kann geistig oder körperlich eingeschränkte Menschen besser betreuen als ich, wo ich doch selbst eine Behinderung habe und weiß, was das bedeutet und was man fühlt!“ Jetzt konzentriert sich der junge Mann jedoch auf seine Ausbildung zum Kinderpfleger. „Das ist der erste Schritt.“

Praktikant im Kinderhaus Haar in der Hans-Pinsel Straße

Einmal die Woche, immer mittwochs, arbeitet Giosuè Spandri als Praktikant im Kinderhaus Haar in der Hans-Pinsel Straße, er kommt mit dem Taxi. Fünf Kinderkrippen, drei Kindergarten- und zwei Hortgruppen befinden sich in dem Bürogebäude auf zwei Etagen. Kinder mit unterschiedlichen Begabungen und Schwächen, mit und ohne Behinderungen sind dort willkommen. Die restliche Woche lernt Spandri an der Berufsschule in Feldkirchen, vier Tage Schule, ein Tag als Praktikant, so sieht es die Ausbildung vor. Spandri ist bereits im zweiten Lehrjahr, er kam im September ins Kinderhaus Haar, „weil es in der ersten Kita, wo ich meine Ausbildung begonnen habe, doch nicht so gepasst hat“.

Er muss und will Erwartungshaltungen erfüllen

Giosuè Spandri erzählt seine Lebensgeschichte völlig unbekümmert. Mit sieben Geschwistern kenne er ein Leben mit vielen Kindern, seine schulische Ausbildung durchlief er in einer Förderschule. Der Rollstuhl läßt seine Behinderung sichtbar werden, er spricht jedoch noch von feinmotorischen Störungen und auch von visuellen Wahrnehmungsstörungen, was im Gespräch mit ihm jedoch nicht auffällt. Deshalb falle es Außenstehenden auch schwer, ihn richtig einzuschätzen. „Denn man kann mein gesamtes Krankheitsbild nicht sehen.“ Das setzt ihn zum Teil wiederum auch unter Druck, da er Erwartungshaltungen erfüllen muss und auch will.

Positive Lebenseinstellung

Dennoch, Giosuè Spandri lacht viel, er ist unbekümmert und hat sich auch von den Vorbehalten seiner Eltern, die ihn lieber in einem „aufgeräumten Bürojob“ gesehen hätten, nicht abbringen lassen. „Keine Minute habe ich bereut, diese Ausbildung begonnen zu haben.“

Kinderhaus-Leiterin Yvonne Fuss hat ihn ins Team aufgenommen

Ebenso unbeeindruckt von seiner Krankheit hat ihn auch die Leiterin des Kinderhauses, Yvonne Fuss, in ihr Team aufgenommen. „Ich schaue mir immer alles erst mal an“, so Fuss. Man könne ja nicht sagen, etwas geht nicht, wenn man es nicht gemacht habe. Fuss ist sich aber auch über Spandris Grenzen bewusst. „Ich würde ihn nicht mit einer Gruppe von 25 Kinder als alleinigen Betreuer einsetzen, sondern da halt dann eher als Zusatzpfleger.“ Sie sieht Spandri aber auch als Gewinn: „Nur so gelingt Integration, wenn es schon im Kindergarten als Selbstverständlichkeit gelernt wird.“

Für alle Seiten bedeute das, Rücksicht zu nehmen

Jeder habe seine eigenen Kompetenzen, jeder seine Dinge, „die er kann und einbringt“, sagt Yvonne Fuss. Für alle Seiten bedeute das, Rücksicht zu nehmen und Gegebenheiten schaffen, dass es für alle passt. Wenn Giosuè Spandri zum Mittagessen mit seinem Rollstuhl in das Zimmer fährt, mehr Platz braucht, damit er um die Kinderstühle herumfahren kann, dann rücken die Kindergartenkinder ein Stück zur Seite. Es ist für sie Normalität, „Kinder haben da viel weniger Berührungsängste als wir Erwachsenen.“ Spandri schaut Bücher mit den Kindern an, malt oder geht auf die Toilette mit ihnen, hilft beim Mittagessen.

Träger ist die FortSchritt Bern GmbH

Einen Zusatz-Kinderpfleger muss man sich aber auch finanziell leisten können. Etwas, was der Träger, die FortSchritt Bern GmbH, des Haarer Kinderhauses kann und auch will. „Wir sind ein inklusiver Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit knapp 40 Kindertageseinrichtungen im Großraum München“, erklärt FortSchritt Pressesprecherin Verena Fahrion. Schon lange stehe Inklusion im Fokus und sei gelebte Selbstverständlichkeit. Alle Einrichtungen arbeiten inklusiv. „Durch Mitarbeiter wie Giosuè Spandri bringen wir die gelebte Inklusion weiter.“ Es werde sehr, sehr viel geredet über Inklusion, aber manchmal auch ein bisschen zu wenig getan.

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