„Baum war gesund“: Birke für Neubau gefällt – Naturschützerin ergebt Vorwürfe an Gemeinde
Für einen Neubau wurde in Oberschleißheim eine Birke gefällt. Jetzt erhebt eine Naturschützerin Vorwürfe gegen die Gemeinde. Sie sagt: „Der Baum war gesund.“
Oberschleißheim – Fakten schaffen in zehn Minuten: An einem Morgen im Dezember fiel die Moorbirke auf dem Grundstück an der Haselsbergerstraße, direkt am Kirchenbacherl, der Kettensäge zum Opfer. Sie stand einem Neubau im Weg und war zudem krank – so die Lesart des Bauamtes Oberschleißheim. Für Gabriele Kämpf, die in der Nachbarschaft wohnt, ist der Vorgang hingegen nicht weniger als ein Akt der Barbarei.
Angesichts von Klimawandel und Flächenversiegelung ist die Fällung des Baumes für sie nicht nachvollziehbar. Zudem traut sie einem Gutachten des Landratsamtes nicht, wonach der Baum krank gewesen sein soll (siehe Kasten unten). „Die Birke war gesund. Da gab es keinen Grund, sie zu fällen“, wettert die 74-jährige Landschaftsarchitektin. Für Kämpf ist die finale Fällung auch so etwas wie eine persönliche Niederlage.
„Pi-mal-Daumen-Grenzpeilung“
Der Konflikt um den Erhalt der Birke schwelt nicht erst seit gestern. Bereits im Februar vergangenen Jahres hatte Umweltschützerin Kämpf an das Baureferat geschrieben. „Seit vielen Jahren schon primär mit Klima-Fragen befasst, geht es mir um den Erhalt von alten Bäumen, die wir zum Leben und Atmen so dringend brauchen“, heißt es da. Die Birke sei nicht nur ein „Ortsbild prägendes Ensemble“ sondern unterliege auch der gemeindlichen Baumschutzverordnung. Ein zweites Schreiben sollte am 12. Juni folgen. Diesmal kritisierte Kämpf „die exakte Feststellung der Grenzlinie“ des Grundstücks. Hier wähnt sie Schludrigkeit im Verfahren: „Es kann doch nicht sein, dass eine Bauamtsleiterin persönlich eine Pi-mal-Daumen-Grenzpeilung“ vornehme „und damit die angebliche Grenzlinie festlegt und den Baum zur Fällung freigibt“. Zudem sei die Birke im Bebauungsplan falsch eingetragen.
Diese Vorhaltungen der engagierten Baumschützerin wehrte Bauamtsleiterin Christiane Kmoch gleichwohl in aller Deutlichkeit ab, wie der Münchner Merkur bereits im August berichtet hat: Sie sei persönlich zugegen gewesen, als der Baum auf dem Grundstück in Alt-Schleißheim vermessen wurde. „Wir verfügen vielleicht nicht über die Ausstattung eines Vermessungsamts.“ Man sei aber jederzeit in der Lage, exakte Ergebnisse zu gewährleisten, so Kmoch.
Der Streit um die gut 17 Meter hohe Birke (Stammumfang: 1,88 Meter) ist zu dieser Zeit längst auch Thema im Bauausschuss der Gemeinde. Laut Beschlussvorlage Ende Februar steht der Baum gerade mal 2,50 Meter „von der neugeplanten Gebäudekante entfernt“, wie es Gemeinderätin Ingrid Lindbüchl (Grüne) für ein örtliches Online-Portal dokumentiert. Demnach wendet sich vor allem die Grünen-Fraktion gegen die Fällung. Fraktionssprecher Fritz-Gerrit Kropp erklärt in der Sitzung, dass der Abstand zum Gebäude „mehr als 4,50 Meter“ betrage. Zudem sei im Bebauungsplan der als erhaltenswert eingestufte Baum falsch eingezeichnet und dieser Fehler nie korrigiert worden. Die Bauausschussmitglieder stimmen schließlich mehrheitlich (gegen die Stimmen der Grünen) dem Verwaltungsvorschlag und damit der Fällung der Birke zu. Baurecht vor Baumrecht.
„Das stimmt so nicht“: Gemeinde äußert sich zu Vorwürfen
Der Münchner Merkur hat den Oberschleißheimer Bürgermeister Markus Böck (CSU) und den Umweltbeauftragten Manuel Kleiser mit den Vorwürfen von Gabriele Kämpf konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Kleiser hat geantwortet.
Laut Kämpf wurde die Birke auch aufgrund eines Vermessungsfehlers gefällt. Dieser Fehler soll den Mitgliedern des Bauausschusses bekannt gewesen sein, trotzdem wurde mehrheitlich für das Fällen des Baumes entschieden.
Das stimmt so nicht. Über den Bauantrag wurde in der Bau- und Werkausschusssitzung am 23. August 2022 beraten. Nach den damals eingereichten Plänen wäre die Gebäudekante nur rund 2,50 Meter vom Stamm der Birke entfernt. Dadurch wäre zu viel Wurzelraum der Birke weggenommen worden, um sie erhalten zu können. Der Bau- und Werkausschuss lehnte den Antrag aber aus anderen Gründen ab. Das Landratsamt bemängelte im Nachgang die eingereichten Pläne als fehlerhaft. Daraufhin wurde ein neuer Bauantrag, mit korrigierten Austauschplänen, eingereicht. An der Tatsache, dass der Birke zu viel Wurzelraum genommen würde, um sie erhalten zu können, änderte sich aber nichts (Entfernung zur Gebäudekante 3 Meter statt 2,50 Meter). Dem neuen Antrag wurde am 27. Februar 2023 im Bau- und Werkausschuss (inklusive Fällung der Birke) zugestimmt.
Kurzfristig soll es zudem seitens das Landrats ein Gutachten geben, welches belegt, dass der Baum krank gewesen sei.
Das Landratsamt bot uns an, in den Bescheid an den Bauherren als Auflage eine baumschutzfachliche Baubegleitung für die Birke aufzunehmen. Das vom Bauherren beauftragte Baumgutachten kam daraufhin zu dem Ergebnis, dass die Birke aufgrund ihrer schlechten Vitalität nicht erhalten werden kann.
Das Grundstück an der Haselsbergerstraße soll darüber hinaus mit Asbest verseucht sein. Da es recht nahe am Kirchbach liegt, könnte es da zu entsprechenden Kontaminationen kommen.
Das Grundstück war asbestbelastet. Als letztes Jahr der Altbestand auf dem Grundstück entfernt wurde, fiel auf, dass noch Teile von asbesthaltigen Faserzementplatten, von dem abgerissenen Altgebäude, auf dem Grundstück verstreut waren. Das Landratsamt hatte daraufhin die Beauftragung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Asbestsanierungen gefordert. Das Grundstück sollte also mittlerweile frei von Asbest sein. Allgemein sind Asbestkontaminationen vor allem wegen der Lungengängigkeit, also in der Luft, problematisch, nicht unbedingt im Wasser.
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