„Kein einziger Beweis“ – Ukrainischer Geheimdienst-Chef zweifelt an Tod von Prigoschin

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Generalmajor Kyrylo Budanow, Chef ukrainischen Militärgeheimdienstes, im Juni 2022. © IMAGO/Jessica Koscielniak/USA TODAY Network

Kyrylo Budanow, der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, äußert sich in einem aktuellen Interview zu Putins mutmaßlichen Doppelgängern und dem Tod des früheren Wagner-Chefs Prigoschin.

Kiew – Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, genießt in seiner Heimat seit Beginn des Ukraine-Krieges fast Kultstatus. Der 38-Jährige hat bereits mehrere Kriegseinsätze hinter sich und soll insgesamt zehn Attentatsversuche überlebt haben – darunter eine Autobombe –, doch er selbst kommentiert dies schulterzuckend als „nichts Besonderes“. Im Interview mit dem Finanzblatt Financial Times gibt der Militär nun eine kaum unabhängig verifizierbare These zu Ex-Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zu Protokoll: Für den Tod von „Putins Koch“ gebe es „keinen einzigen Beweis“, so Budanow.

Ukrainischer Geheimdienstchef über mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin

Die Wagner-Truppe sei nicht aufgelöst, glaubt Budanow. „Wagner existiert“, so der Militärgeheimdienstchef. „Und wenn ich von Prigoschin spreche, würde ich nicht so schnell Schlussfolgerungen ziehen“, ergänzte der Geheimdienstler im am Sonntag (21. Januar) veröffentlichten Gespräch mit der Financial Times. Damit spielte er auf den offiziell vom Kreml bekanntgegebenen Tod des früheren Wagner-Chefs an. Russischen Angaben zufolge war Prigoschin im August vergangenen Jahres bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Budanow ist davon offenbar nicht überzeugt. „Ich sage nicht, dass er nicht tot ist oder dass er tot ist“, so der Militär. „Ich sage, dass es keinen einzigen Beweis dafür gibt, dass er tot ist.“ Die US-Kriegsexperten des Institute for the Study of War hatten in ihrem Bericht zum mutmaßlichen Tod des Wagner-Chefs von einem Verwirrspiel des Kreml gesprochen. Die Spekulationen mehrerer Telegram-Kanäle, Prigoschin könnte den Absturz überlebt haben, seien „haltlos“, hieß es im vergangenen August vonseiten des ISW. Es könnte sich womöglich um ein Ablenkungsmanöver des Kreml gehandelt haben, so die Experten damals weiter.

Budanow über das Erkennen von Putins Doppelgänger: „Abstand zwischen den Augenbrauen“

Bereits in der Vergangenheit hatte sich Budanow zur Gesundheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. Der Kremlchef habe Krebs und sei sterbenskrank, lautete eine seiner früheren Äußerungen. Deshalb habe der „Diktator“ nicht weniger als drei Doppelgänger, die durch plastische Chirurgie dem äußeren Erscheinungsbild Putins angepasst worden seien, behauptete er mehrfach. Im aktuellen Interview mit dem US-Finanzblatt sprach der Ukrainer erneut davon, regelmäßig „Klone“ von Putin im Fernsehen zu sehen. Unabhängig verifizieren lässt sich dies nicht, doch aus Sicht von des Geheimdienstlers ist die Beweisführung einfach. Demnach untersuche er Putins „Physiognomie“, etwa die „Ohrläppchen, der Abstand zwischen den Augenbrauen und so weiter.“ Das sei nicht so schwierig. „Das können Sie ganz einfach selbst machen“, so der Militär weiter.

Militärgeheimdienstchef der Ukraine über aktuelle Lage des Krieges

Zum Ukraine-Krieg selbst gab Budanow nur spärlich Informationen preis. Nordkorea sei derzeit Russlands größter Waffenlieferant, verriet der Militär. Die aktuelle Lage beschrieb er differenziert. „Zu sagen, dass alles in Ordnung ist, ist nicht wahr. Zu sagen, dass es eine Katastrophe gibt, ist auch nicht wahr“, so der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Trotzdem werde es die Ukraine schaffen, Putin in Schach zu halten. Prognosen für das Jahr 2024 lehnte er gegenüber der Financial Times allerdings ab. Fest steht aber offenbar, dass die Ukraine mehr Männer an der Front braucht. Mit Freiwilligen sei die Lücke nicht zu schließen, hatte der Chef des Militärgeheimdienstes Ende vergangenen Jahres gesagt und bekräftigt, Männer für den Kriegsdienst einziehen zu wollen. „Alle drücken der Ukraine die Daumen, doch rennen sie davon“, so der Geheimdienstler damals auf einer Diskussionsveranstaltung.

Wegen der ständigen Bedrohung seiner Person hält sich Budanow selbst meist an einem nicht öffentlich bekannten Ort am Rande der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf. Die Wände seines Büros sind verstärkt, die Fenster mit Sandsäcken geschützt und die Vorhänge zugezogen – kein Licht dringt nach innen. Von hier aus plant der 38-Jährige Angriffe auf russisch besetztes Gebiet. Seine Erfolge dringen nicht immer an die Öffentlichkeit, doch zuletzt gelang es dem ukrainischen Geheimdienst offenbar in einer „Spezialoperation“ ein Terminal im Umland von St. Petersburg mit Drohnen anzugreifen und in Brand zu setzen.

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