„Inszenierte Akklamation des Despoten“: Wahlbeobachter entlarven Putins Trickserei

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Alle für Putin? Bei der Russland-Wahl müssen Wahlberechtigten ihre Wahlzettel in gläserne Urnen werfen. © Uncredited/dpa

Mit allen Tricks: Putin will sich bei den Wahlen in Russland im Amt bestätigen lassen. Wahlbeobachter sehen genug Anzeichen für eine Manipulation.

Moskau – Zaubertinte, gläserne Urnen oder verweigerte Wahlzettel: Bei den gestarteten Wahlen in Russland tauchen immer mehr Ungereimtheiten auf. Bei internationalen Wahlbeobachtern stößt das selbst aus der Ferne auf massive Kritik. „Mit fairen und freien Wahlen gemäß der OSZE-Standards hat die russische Präsidentschaftswahl nichts zu tun“, sagte der Bundestagsabgeordnete Robin Wegener (Grüne), der auch Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE ist, zu fr.de von IPPEN.MEDIA. Vielmehr, so fügte er hinzu, erwarte man die „inszenierte Akklamation des Despoten“.

Manipulation der Wahlen in Russland: Wahlbeobachter schlagen Alarm

Unter Ausschluss der Opposition hat in Russland eine umstrittene Präsidentenwahl für den Machterhalt von Kremlchef Wladimir Putin begonnen. Im flächenmäßig größten Land der Erde öffneten die Wahllokale am Freitag (15. März) zuerst im äußersten Osten. Der Urnengang, der dem 71 Jahre alten Putin weitere sechs Jahre im Amt sichern soll, wird vom Ukraine-Krieg sowie von massiven Manipulationsvorwürfen überschattet. Wegen elf unterschiedlichen Zeitzonen dauert die Wahl in Russland bis Sonntag (17. März).

Sobald die letzten Wahllokale in Kaliningrad an der Ostsee um 19.00 Uhr geschlossen haben, werden erste Prognosen und Ergebnisse erwartet. Staatliche russische Meinungsforscher haben Putin, der seit fast einem Vierteljahrhundert an der Macht ist und eine fünfte Amtszeit anstrebt, bereits mehr als 80 Prozent der Stimmen prognostiziert. Das wäre das höchste Ergebnis für ihn überhaupt. Putins drei Mitbewerber, die allesamt auf Kremllinie sind, gelten als völlig chancenlos.

Mit Trickserei: Warum braucht Putin die Wahl in Russland überhaupt?

In der deutschen Politik stieß das Vorgehen des Kreml bereits parteiübergreifend auf harte Reaktionen. So bezeichnet unter anderem BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht die Russland-Wahl als „Farce“. Dennoch ist es eine Show-Veranstaltung, die Putin braucht. So sieht es zumindest Wegener: „Auch wenn sich Russland unter Putin in eine immer totalitärere Autokratie entwickelt, braucht der Machthaber Legitimation“, sagte der Grünen-Politiker und fügte hinzu: „Da Putin nicht über entsprechende Zustimmung in der Bevölkerung verfügt, werden nur Statisten aus der Kreml-nahen Systemopposition zugelassen.“

Zaubertinte und gläserne Urne: So trickst Putin sich bei Russland-Wahl in eine neue Amtszeit

Doch trotz der guten Aussichten auf das gewünschte Ergebnis geht Putin bei der Russland-Wahl auf Nummer sicher. Nachdem bereits in den vergangenen Jahren viele oppositionelle Politiker durch Verhaftungen mundtot gemacht worden sind, wird nun auch an den offiziellen Wahltagen getrickst. Bereits bei der letzten Wahl im Jahr 2018 gab es Berichte, wonach vielerorts Mitarbeiter ganze Stapel von Wahlzetteln auf einmal in die Urnen gestopft hatten. Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen, dass sich die dreiste Manipulation auch bei der laufenden Russland-Wahl wiederholen kann.

Wahlen in Russland: Wahlbeobachter von Golos registrieren viele Verstöße

Ansonsten arbeitet der Kreml offenbar auch mit subtileren Methoden, um Putin eine neue Amtszeit zu sichern. Auf der unabhängigen Wahlbeobachtungsplattform Golos mehrten sich am Freitag bereits die Meldungen über Wahlfälschungen. So berichteten einige Wählerinnen und Wähler davon, dass für das Ankreuzen des Wahlzettels spezielle Stifte verteilt worden seien, gefüllt mit Zaubertinte, die sich – sobald sie erhitzt wird - in Luft auflöst. Der Verdacht: Nachträglich werden die Kreuze geändert. Einer anderen Frau wurde die Aushändigung des Wahlzettels gleich komplett verweigert, mit dem Hinweis, dass sie bereits gewählt habe. Außerdem stehen in vielen Wahllokalen gläserne Urnen, bewacht von staatstreuen Beamten. Gut möglich, dass sich nicht jeder traut, sein Kreuz nicht bei Putin zu machen.

Unabhängig überprüfen lassen sich die bei Golos gemeldeten Verdachtsfälle auf Wahlmanipulation nicht. Denn internationale Wahlbeobachter sind bei den Wahlen in Russland nicht zugelassen. „Putin ersetzt internationale Wahlbeobachter durch handverlesene ausländische Statisten – offenbar auch aus der AfD“, sagte Grünen-Politiker Wegener zu fr.de von IPPEN.MEDIA. „Hier zeigt sich die geteilte Verachtung für die Demokratie“, fügte er hinzu. Bereits im Vorfeld hatten drei Landtagsabgeordnete der Rechtspopulisten für einen Aufschrei gesorgt, weil sie auf Einladung des Kreml als Wahlbeobachter nach Russland reisen wollten.

Russland-Expertin: „Stärkste manipulierte Wahl seit 30 Jahren“

Für Russland-Experten sind die Entwicklungen jedoch alles andere als überraschend. Die zivilgesellschaftliche Wahlbeobachtung, die sich in der Auseinandersetzung mit dem immer autoritärer werdenden Regime in den vergangenen 15 Jahren stark professionalisiert habe, sei vom Putin-Regime gezielt zerschlagen worden, sagte Sabine Fischer von der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu tagesschau.de. „Das alles – zumal unter den Bedingungen eines vollumfänglichen Krieges gegen die Ukraine – fügt sich zum Bild der am stärksten manipulierten Wahl der vergangenen 30 Jahre.“ (jkf)

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