„Der Text der ,Heiligen Nacht‘ ist unglaublich berührend“
Pfarrer Rainer Maria Schießler kommt am 3. Dezember nach Bad Tölz, um die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma vorzutragen. Im Interview mit dem Tölzer Kurier spricht er darüber, was er davon hält, dass der örtliche Christkindlmarkt heuer schon vor dem ersten Advent startet - nämlich nichts.
Bad Tölz - Er gilt als unkonventioneller und medienwirksamer Gottesmann, ist Bestseller-Autor und diente sogar als Vorbild für die Fernsehserie „Himmel Herrgott Sakrament“. In der Vorweihnachtszeit nun gastiert Pfarrer Rainer Maria Schießler im Tölzer Kurhaus. Musikalisch begleitet vom Dreigsang Geschwister Siferlinger und Matthias Pürner an der Ziach, liest er die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma vor. Im Interview erklärt der 64-jährige Münchner, warum er Weihnachtsfan ist und was er vom frühen Start des Tölzer Christkindlmarkts hält.
Herr Schießler, warum treten Sie mit Ludwig Thomas „Heiliger Nacht“ auf?
Der Text ist unglaublich berührend und hat viele Facetten. Das Thema, wie Maria und Josef auf der Herbergssuche immer wieder zurückgewiesen werden und wie damit Gott keinen Eingang in die Herzen der Menschen erhält, bewegt mich sehr. Gleichzeitig sehe ich auch den Menschen Ludwig Thoma dahinter, von dem ja auch antisemitische Schriften bekannt sind. Da frage ich mich: Wieso schreibt Ludwig Thoma eine Geschichte über ein jüdisches Flüchtlingskind? Die Aufführungen zu Thomas „Heiliger Nacht“, zusammen mit den Geschwistern Siferlinger, machen wir ja bereits seit vergangenem Jahr, und zwar aus tiefer Überzeugung. Für mich ist es ein Teil der Verkündigung, das hat fast schon etwas von einem Gottesdienst. Mir ist wichtig, dass jeder Zuhörer etwas mit nach Hause nimmt und versteht, dass ihn die Geschichte persönlich betrifft.
Welche Botschaft können die Zuhörer mit nach Hause nehmen?
Dass es keinen Ort gibt, in dem Gott keinen Eingang findet, keinen Menschen, keine Leiden, keine Freude, in denen Gott nicht bei uns wäre.
Damit gehört die „Heilige Nacht“ jetzt fest in Ihr Vorweihnachtsprogramm?
Ja, es ist eine tolle Vorbereitung auf Weihnachten, aber auch anstrengend. Wir treten in der diesjährigen Adventszeit zwölfmal auf – ich hoffe, dass meine Stimme das durchhält (lacht). Wenn man die Geschichte vorliest, dann fühlt man auch mit den Figuren. Die Zurückweisung bei der Herbergssuche, die gilt in diesem Moment auch dir als Vorleser, das ist emotional fordernd. Genauso fühle ich, und ich spreche hier auch für meine musikalische Begleitung, die stille Freude, als Maria und Josef, dann doch die Hilfe erfahren, die doch so menschlich sein sollte.
Sie sind ein bekennender Weihnachtsfan. Warum ist Weihnachten das wichtigste Fest für Sie?
Weil das Fest jeden Menschen verzaubert und sich keiner diesem Zauber des Jesuskindes verschließen kann, das ohne Berechnung und ohne Arg da ist und auf Hilfe und Menschlichkeit angewiesen ist. Deswegen bin ich auch gegen alle, die gegen Weihnachten wettern. Selbst in der profansten Firmen-Weihnachtsfeier schwingt etwas vom sakralen Charakter dieses Festes mit.
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Teilweise ist Weihnachten aber auch zum reinen Kommerzfest verkommen, oder?
Darum ist es ja so wichtig, dass wir als Christen den Sinn von Weihnachten erklären. Warum machen wir uns Geschenke? Weil Gott Gabe und Gebender in einem ist. Warum muss ein Geschenk eine Überraschung sein? Weil die Hirten von der Ankunft Jesu in der Welt überrascht wurden. Warum verpacken wir Geschenke? Weil die Hirten den Heiland in Windeln gewickelt vorfanden. Diese Szenen, die wir als Kinder im Hirtenspiel dargestellt haben, spielen wir an Weihnachten nach.
Infos zur Lesung
Die Veranstaltung findet am Dienstag, 3. Dezember, um 20 Uhr im Kurhaus statt. Karten gibt es im Vorverkauf unter anderem bei der Tourist-Info in Bad Tölz, auf muenchenticket.de, eventim.de und spevents.de ab circa 30 Euro.
In Bad Tölz beginnt der Christkindlmarkt bereits am Freitag, 22. November. Was halten Sie davon?
Ich kann das nicht ganz verstehen. Da wird gesagt: Wir fangen früh an, damit wir mehr Zeit haben, um etwas über die Ladentheke zu bringen. Ich frage mich aber: Warum verlängert Ihr den Markt nicht nach hinten? Der Christkindlmarkt endet am 24. Dezember, aber die Weihnachtszeit dauert bis zum Fest der Taufe Jesu. Am 24. November feiern wir das Christkönigsfest und damit den Abschluss des Kirchenjahrs. Am 30. November um 15 Uhr, da beginnt der Advent. Vor dem ersten Advent schmeckt mir auch gar kein Glühwein. Wenn man schon eine Woche vorher mit dem Christkindlmarkt anfängt, ist das, wie wenn man an Silvester die Raketen schon um 10 Uhr abschießt. Dann nennt es halt „Wintermarkt“ und macht es gerne das ganze Jahr, kein Problem.
Was verbinden Sie sonst noch mit Bad Tölz?
Im Kurhaus saß ich einmal im Publikum bei einem Auftritt von Monika Gruber, die damals noch sehr urtümlich war, da hab‘ ich mich weggedruckt vor Lachen. Als Kind war es für mich das Höchste, ins Alpamare zu fahren. Der Tölzer Stadtpfarrer Peter Demmelmair und ich haben zusammen studiert, und ich schätze ihn sehr. Wir haben viel gemeinsam: die direkte Art, mit den Menschen umzugehen, sich als Pfarrer nicht höher zu stellen. Ansonsten fahre ich durch Tölz auf dem Weg zu meinem Lieblingsberg, dem Rabenkopf. Meine letzte Begegnung mit Tölz war, dass ich beim McDonald‘s geblitzt wurde, weil ich drei km/h zu schnell war.
Wie werden Sie selbst Weihnachten verbringen?
Als Pfarrer ist es meine Aufgabe, an Weihnachten für die Menschen da zu sein. Am 24. Dezember fangen wir um 12 Uhr mit dem ersten Gottesdienst an, danach kommt der Kindergottesdienst, und um 10 Uhr abends die Christmette. Dazwischen habe ich gar keine Lust, mich irgendwo einladen zu lassen, sondern bin gerne für mich allein, bei geistlicher Musik und mit ein paar melancholischen Erinnerungen an Weihnachten in meiner Kindheit. Mir geht da nichts ab. Für mich beginnt Weihnachten dann richtig am ersten Feiertag nach dem Hauptgottesdienst mit einem gescheiten Essen in guter Gesellschaft.
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