Tag der Familienforschung im Stadtarchiv Kempten kommt gut an
Die Illerstadt erlebte den ersten sonnigen und warmen Aprilsamstag: Normalerweise kein günstiger Termin für einen Thementag in Innenräumen. Der Vortragssaal des Stadtarchivs war trotzdem bis zum letzten Platz gefüllt. Das Interesse an den Angeboten des Tages für Familienforschung ist sehr groß.
Kempten – Im Gang fasste eine Ausstellung die wichtigsten Informationen zusammen und zeigte einige Dokumente aus der Sammlung des Stadtarchivs. Im gotischen Raum im zweiten Stock gab es Informationstische und man hatte die Möglichkeit, Fachleuten Fragen zu stellen und die eigenen Erfahrungen miteinander zu teilen.
Im Vortragssaal gab Sabine Scheller vom Landesverein für Familienkunde Tipps, wie man mit der Familienforschung am besten anfängt. Rolf Nagel stellte seine Erfahrungen beim Erstellen des „Familienbuchs der Reichsstadt Kempten“ (wir berichteten) vor. Birgit Kata, Historikerin und Mitarbeiterin im Stadtarchiv, ging auf die Quellenlage im Allgäu vom Bauernkrieg bis ins 18. Jahrhundert ein. Roman Tischberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Butter, Vieh und Vernichtung“, nannte Wege, wie man vorgeht, wenn man mehr über die Rolle der Eltern und Großeltern in der Zeit des Nationalsozialismus erfahren will.
Warum Familienforschung sich immer lohnt: Der Leiter des Kemptener Stadtarchivs erklärt
Rätsel zu lösen, macht grundsätzlich Spaß, sagte Thomas Steck, Leiter des Stadtarchivs, in seiner Einführung. Wenn man die Rätsel seiner eigenen Familiengeschichte zu lösen versucht, kommen etliche weitere Spaßfaktoren hinzu: Die gemeinsame Forschung und die aufgedeckten Geschichten und Verbindungen führen Familienmitglieder zusammen. An Geburts- oder frühere Wohnorte der Ahnen zu reisen und diese kennenzulernen, bereitet ein besonderes Vergnügen. Man kann einen echten Glückstreffer landen, indem man Verwandte entdeckt und zu denen Kontakt aufnimmt. Vielleicht machen diese ebenfalls Familienforschung und man führt die Ergebnisse zusammen.
Man kann sicher sein, dass es in den nächsten Generationen Nachkommen gibt, die sehr dankbar auf die Ergebnisse unserer Forschung zurückgreifen. Dieses Hobby hält körperlich und geistig fit, man lernt viel dazu. Das Entdecken der familiären Kontinuitäten stärkt die eigene Identität. Schließlich sagte Steck im Hinblick auf die vielfältigen Krisen der Gegenwart: „Tiefe Wurzeln können – gepaart mit Zuversicht – dafür sorgen, dass wir den Stürmen der Zeit trotzen.“
Quellenvielfalt im Kemptener Archiv
Der Archivleiter zeigte ein historisches Foto vom Sauter-Haus am Hildegardplatz und nahm dieses zum Anlass, am Beispiel dieser Familie zu zeigen, auf welche Art von Quellen man sich bei einer Familienforschung im Kemptener Stadtarchiv stützen kann.
Einen guten möglichen Ausgangspunkt stellen die gedruckten städtischen Adress- und Einwohnerbücher dar, die in Kempten von 1875 bis 2019 vorhanden sind. Steck bezeichnete sie als „eine wahre Fundgrube“, weil sie nicht nur die Bewohner und ihre Wohnorte abbilden, sondern auch Informationen über Behörden, Stadtrat, Militärdienststellen, Vereine, kulturelles Leben und Wirtschaftsbetriebe enthalten. Genannt werden in diesen Büchern allerdings bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nur Haushaltsvorstände. Aus der Beispielsfamilie wird konsequenterweise Meta Sauter erst in der Ausgabe 1949 erwähnt, nachdem ihr Mann 1942 starb.
Eine weitere gute Quelle sind Familienbögen, die ca. 1830 angelegt und bis 1925 geführt wurden. Neben den wichtigsten Angaben zu Familienmitgliedern findet man hier gelegentlich sogar Hinweise auf Straftaten.
Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden sind ein wertvoller Schatz
Als 2009 die Registerführung in den Standesämtern auf den elektronischen Weg umgestellt wurde, erhielten die Stadtarchive die 1876 eingeführten schriftlich verfassten Personenstandsregister (Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden) zur Aufbewahrung, was damals viel Arbeit bereitete. Heute gehören sie bei den Genealogen zu den beliebtesten Dokumenten.
Die Kemptener Einwohnermeldekartei gehört zu den wichtigsten Beständen des Stadtarchivs. Sie wurde von 1925 bis 1985 geführt. Die späteren Daten sind im Amt für Bürgerservice zu finden. Der Wermutstropfen bei dieser Quelle ist, dass die Daten zu mehreren hunderttausend Personen auf gut 2.000 Microfiches gespeichert sind. Sie sind nicht immer gut lesbar und dürfen wegen des Datenschutzes nicht direkt an die Kunden herausgegeben werden.
Zu den Personen, die in städtischen Diensten standen, sind Personalakten überliefert. Außerdem gibt es zu mehreren tausend Menschen, vor allem zu denen des öffentlichen Lebens, ein sogenanntes Personenarchiv. „Jede Mappe ist eine Wundertüte, man weiß nie, was und wie viel sie enthält“, so Steck. Über die Datenbank „Augias“ kann man aber in Sekundenschnelle sagen, ob zu einer bestimmten Person eine Mappe existiert. Zu etwa 1.600 Allgäuer Künstlerinnen und Künstlern existieren Einzelmappen. Zeitungen und Zeitungsartikel werden seit 1783 gesammelt.
1.800 reichsstädtische Urkunden im Kemptener Stadtarchiv
Wer auf frühere Zeiten zurückgreifen möchte, dem empfiehlt der Stadtarchivar Rolf Nagels Familienbuch. Die Ratsprotokolle sind von kleinen Lücken abgesehen von der Mitte des 16. Jahrhunderts vorhanden. Ungefähr 1.800 reichsstädtische Urkunden werden in Kempten aufbewahrt. Die älteste Originalurkunde stammt aus dem Jahre 1336.
Viele Urkunden liegen im Staatsarchiv Augsburg. So auch die aus der Stiftsstadt Kempten, wie Birgit Kata ergänzte. Auf die Register kann man aber auch in Kempten zugreifen.
Die Liste der Quellen könnte lange fortgesetzt werden, betonte Steck, und ermutigte die Bürgerinnen und Bürger, sich mit ihren Fragen an sein Team zu wenden.
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