Mit Herz am rechten Fleck: Steingadener gibt bei „Menschen, die bewegen“ tiefe Einblicke
Peter Sebastian Müller gab einen Einblick in sein bewegendes Leben. Er spricht über Karriere, Homosexualität und Verlust. Ein Abend, der mehr als nur ein emotionales Geständnis hervorbrachte.
Wies – Pünktlich um 20 Uhr war es so weit: Rund 100 Besucher saßen im Publikum und blickten interessiert auf den Gast, der mit den Moderatoren Sylvia Hindelang und Werner Böglmüller den Saal betrat. Ein sympathisch in die Runde blickender Mann nahm zwischen den Moderatoren Platz und begann sodann mit dem Geständnis, dass er zuerst gar nicht so recht wusste, worüber er reden solle.
Es stellte sich in den nächsten 90 Minuten heraus, dass dort ein Gast saß, der sich als wunderbarer Rhetoriker mit dem Herz am rechten Fleck herausstellte. Es war Peter Sebastian Müller, 55 Jahre, aus Steingaden. Er wuchs gemeinsam mit vier Brüdern auf, absolvierte eine Ausbildung als Krankenpfleger und schloss daran die Ausbildung zum Heilpraktiker an. Seit 24 Jahren führt er eine eigene Praxis und lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung und stellte kurz seinen Lebensgefährten vor, der lächelnd im Publikum saß.
Tod seiner Mutter prägte Peter Sebastian Müller
Weiter erzählte Müller, dass beide Männer vor ihrer Beziehung mit einer Frau verheiratet waren und auch beide eine leibliche Tochter mit in die Beziehung brachten. Prägend war für Müller, dass er mit jungen 20 Jahren seine an Depressionen erkrankte Mutter durch Suizid verlor und derjenige war, der sie auffand.
Damit begann bei Müller der Prozess der inneren Auseinandersetzung mit Lebensfragen wie „Warum passiert so etwas?“, „Warum wird jemand seines Lebens müde und sieht keinen anderen Weg, außer aus dem Leben zu gehen?“ Er fand darauf zwar Ideen, aber keine klaren Antworten.
Auf diesem Weg kam er zufällig zu seiner Ausbildung in Lösungsorientierter Autosystemhypnose, und Müller fügte hinzu: „Nach meiner Tochter war das das Beste, was in meinem Leben passiert ist.“
Die Suche nach dem eigenen Weg
Er fand dadurch klare Antworten, wie, dass gerade hinter schweren Krankheiten, auch bei einer Depression und Traurigkeit, oft steht, dass man kein erfülltes Leben hat. Dass man im Grunde etwas im Leben nicht leben kann, was einem aber entspricht. „Und ,patschpeng’, war ich plötzlich bei meinem gleichgeschlechtlichen Teil gelandet. Ich merkte, ich komm nicht mehr drum herum. Ich muss mich jetzt damit auseinandersetzen. Ich muss einen Weg finden“, offenbarte Müller.
Und er fügte hinzu: „Ich habe eine wunderschöne Zeit mit meiner Frau gehabt und empfinde diese als großen Reichtum, die ich auf keine Weise bereue. Es war alles gut, wie es war. Und dann war es Zeit für die Veränderung, weil ich gemerkt habe, wenn wir es nicht schaffen, das zu leben, was wir wirklich sind, das umzusetzen, was uns wirklich wichtig ist, dann macht uns das früher oder später krank.“
Mit sehr viel Mut ging er sodann den für sich stimmigen Weg, wobei ihm immer wieder der Leidensweg Jesus in den Sinn kam. Der, so oft er auch fiel, immer wieder aufstand.
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Angststörungen nehmen laut Müller zu
Im Anschluss an den Einblick seiner bewegenden Lebensgeschichte stellten die Moderatoren ihre Fragen an Müller. Hindelang fragte, wie Müller mit den „Hardcore-religiösen Fanatikern“, die es in allen Religionen gäbe, umginge, die immer noch davon reden, dass Homosexualität krankhaft sei. Müllers Antwort: „Grundsätzlich kann man sagen, gerade wenn es um Homophobie geht, und gerade, wenn jemand so bigottisch weiß, was richtig und falsch ist, dann besteht immer ein wenig die Gefahr, dass er selbst davon betroffen ist.“ Und er fügte hinzu: „Da kann man manchmal auf die Idee kommen, dass sie den inneren Anteil spüren, der aber auf keinen Fall gespürt werden und geschweige den sichtbar werden darf.“
Böglmüller fragte, welche Probleme und Krankheiten zunehmen, und ob die momentane politische Weltlage eine Rolle spiele und Auswirkungen auf die Gesundheit habe. Müller antwortete, dass Angst und Angststörungen zunehmen und in den Menschen das Bedürfnis und die Sehnsucht danach, verstanden und wahrgenommen zu werden, sehr groß sei.
Publikum stellt Fragen zur Homosexualität
Anschließend durfte das Publikum Fragen an Müller stellen. Und diese kamen in Scharen, beispielsweise, wie Hypnose funktioniere. Auch erklärte Müller in diesem Kontext den Unterschied zwischen einer medizinischen Hypnose, bei der das Bewusstsein des Patienten immer präsent sei und der Patient somit während der Hypnose die Kontrolle behalte, und den Hypnosen im Fernsehen, die rein für Einschaltquoten und die Show dienen und laut Müller übergriffig gegenüber dem Menschen sei.
Bei weiteren Fragen ging es zurück auf die Gleichgeschlechtlichkeit und ob er denke, dass es die jungen Menschen heute leichter damit haben, Akzeptanz in ihrem Weg zu erfahren. Müller meinte ja, wobei er zugab, ein mulmiges Gefühl gehabt zu haben, als er die Einladung zu der Gesprächsrunde erhalten hatte. Was ihm aber auch zeigte, wie wichtig es ist, darüber zu reden. Müller verriet: „Wir leben in Steingaden in einem wunderbaren Umfeld. Wir werden als Menschen wahrgenommen und setzen unseren Fokus nicht auf das, was nicht geht, sondern darauf, was machbar ist, wo wir willkommen sind und das Wohlwollen spüren.“
Brücke zwischen Gleichgeschlechtlichkeit und seiner Arbeit
Zum Ende hin erntete er lobende Worte vollen Respekts und Anerkennung aus dem Publikum. Dass es bewegend sei, wie sehr er im Frieden mit sich und dem Umgang der Gleichgeschlechtlichkeit sowie seiner Arbeit sei, was Müller lächelnd entgegennahm und abschließend die verbindende Brücke zwischen der Gleichgeschlechtlichkeit und seiner Arbeit schlug: „Das ist das Zentrale, was meine persönliche Homosexualität und meine Arbeit verbindet. In dem Moment, wenn ich selber für mich einstehe, wer ich bin und wie ich bin, und dies als eine Einmaligkeit verstehe, dann sind wir reich. Was Schöneres gibt’s gar nicht.“
Elisabeth Welz