Zu einer letzten Betriebsfeier traf sich nun die Belegschaft der einstigen Schongauer Strumpffabrik. Immerhin 40 Prozent der ehemaligen Mitarbeiter haben einen neuen Arbeitsplatz. Für zwei Dutzend Mitarbeiter könnte es mit neuem Investor sogar weitergehen. Auch das Gericht beschäftigt sich mit dem Unternehmen.
Schongau – Auf einer Betriebsfeier mit Infoveranstaltung im Schäferwirt brachte Betriebsrat Thomas Schweiger jetzt die Belegschaft der ehemaligen Schongauer Strumpffabrik auf den neuesten Stand. Schweiger freute sich darüber, dass rund 70 Beschäftigte des Strumpfherstellers DBI Supply Chain Germany GmbH – viele kennen die Traditionsfirma eher unter Bellinda oder Vatter –, gekommen waren. Knapp 100 Mitarbeiter hatte im Mai vergangenen Jahres die bittere Nachricht erreicht, dass man die Maschinen in der Schönlinderstraße abschalten werde.
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Nach der offiziellen Insolvenzeröffnung war eine Transfergesellschaft gegründet worden, in die nach Angaben Schweigers letztlich 65 Beschäftigte gewechselt waren. Viele Mitarbeiter hätten die Chance, an einer Fortbildungsmaßnahme oder einem Bewerbungstraining teilzunehmen, genutzt. Schweiger spricht von 27 Mitarbeitern, die über diese Möglichkeit ein neues Arbeitsverhältnis bekommen hätten. Drei Auszubildende waren bei Schongauer Unternehmen untergekommen, wo sie ihre Lehre beenden können.
Interessent würde einige Mitarbeiter übernehmen
38 Mitarbeiter sind noch nicht wieder beschäftigt. Dabei könnte es für 20 bis 25 Fachkräfte durchaus weitergehen. Bereits seit dem Sommer gebe es Gespräche mit einem Interessenten aus dem Raum München, der die Fachleute für eine ähnliche Branche, aber nicht im Feinstrumpfbereich und damit auch keine Konkurrenz, gerne übernehmen würde. Und dies sogar vor Ort in Schongau, quasi als kleine Außenstelle. Aber bisher sei leider kein Mietvertrag zustandegekommen, DBI komme „nicht so recht aus dem Quark“, wie Schweiger es ausdrückt, der darüber ziemlich sauer ist.
„Es ist deprimierend, denn unsere Leute interessieren sich nach wie vor für diese Stellen, und der Investor verliert vielleicht irgendwann die Lust daran.“ Schweiger hofft auf eine zeitnahe Klärung offener Fragen. Auch ein Schongauer Unternehmen, das bereits Lagerflächen in dem Gebäude unterhält, möchte weitere Hallen anmieten – auch hier sei nach den Informationen Schweigers vertraglich noch nichts festgehalten.
Auch IG Metall-Bevollmächtigter ist sauer
Die Hoffnung auf Übernahme einiger Mitarbeiter teilt auch Helmut Dinter, der als Bevollmächtigter der IG Metall bei der Firmenfeier vor Ort war. „Ein trauriger Anlass“, kommentierte er den Abend. „Es gab viel zu erzählen, aber es war auch ein großes Wehklagen.“ Viele der Mitarbeiter hätten „ihre maßlose Enttäuschung über die Schäbigkeit des letzten Managements, das sie da hatten“, zum Ausdruck gebracht.
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Der Vorwurf steht im Raum, dass die DBI-Geschäftsleitung trotz Aufforderung des Betriebsrats nicht in ein geordnetes Verfahren zu einem Interessenausgleich und Sozialplan eingestiegen, sondern gleich Insolvenz beantragt habe – zulasten der Mitarbeiter und letztlich auch des Steuerzahlers. Die IG Metall hatte sich dazu entschieden, den Rechtsweg zu beschreitet (wir berichteten), „und zwar immer mit dem Tenor, das darf nicht Schule machen, was die Geschäftsleitung da veranstaltet hat“, verdeutlicht Dinter im Gespräch mit den Schongauer Nachrichten. „Wir wollen nicht zulassen, dass sie schmerzfrei gehen dürfen.“
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Der Staatsanwalt ermittle derzeit, ob das Vorgehen der Geschäftsleitung strafrechtlich relevant ist. Gleichzeitig hat die IG Metall ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren angestrengt. Die Kreisverwaltungsbehörde werde aber erst tätig, sobald das Strafverfahren läuft. Stattgefunden hat aber bereits der Gütetermin vor dem Arbeitsgericht.
Insolvenz soll dieses Jahr abgeschlossen sein
„Die Insolvenz soll 2024 abgeschlossen sein“, so Insolvenzverwalter Michael Verken. Alle Themen seien in Schongau geklärt, die Transfergesellschaft laufe noch bis Mitte des Jahres. Man habe für die Mitarbeiter eine recht gute Lösung gefunden, die jüngst in der Gläubigerversammlung einstimmig angenommen worden sei. „Das Verfahren hat sich positiv entwickelt, das Ergebnis ist besser, als zu erwarten war“, so Verken. Man habe wirtschaftlich das Beste herausgeholt, was möglich gewesen sei. Die Mitarbeiter hätten alle an einem Strang gezogen, lobt er. „Das war auch der Schlüssel zum Erfolg.“
In Zahlen ausgedrückt: Vermutlich noch in diesem Quartal soll den ehemaligen Mitarbeitern die Abfindungsausschüttung ausgezahlt werden in Höhe von 700 Euro. Die Forderungen der Gläubiger könnten in einem zweistelligen Bereich befriedigt werden – mit 30 bis 40 Prozent der ausstehenden Forderungen könne man rechnen, schätzt der Betriebsratsvorsitzende. Unter den Gläubigern seien auch Mitarbeiter, denen zuletzt Überstunden oder Zulagen nicht mehr ausbezahlt wurden.
57 Mitarbeiter ziehen vor Gericht
57 ehemalige Mitarbeiter der Strumpffabrik haben Klage erhoben gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber DIM Brands International, um für einen Nachteilsausgleich wie ordentliche Abfindungen zu streiten. Der große Teil von ihnen wird gewerkschaftlich vertreten, drei Arbeitnehmer von einer eigenen Rechtsanwältin. Es könnte zu einem Pilotverfahren kommen.
Schon in den wenigen Minuten beim ersten Gütetermin im Gerichtssaal zeigte sich, wie schwierig und langwierig die Verfahren werden könnten. Ein Vergleichsangebot hatte die Rechtsanwältin des Arbeitgebers nicht dabei, im Gegenteil. Die Klagen seien an die „falsche Partei“ gerichtet, man sei gar nicht die Arbeitgebergesellschaft und hafte nicht. „DIM Brands International gibt es gar nicht“, so die Rechtsanwältin.
Undurchsichtiges Firmenkonstrukt
Der ehemalige Schongauer Arbeitgeber DBI Supply Chain Germany GmbH sei eine von 32 Gesellschaften der DIM Brands International-Unternehmensgruppe, betonte dagegen die Rechtsanwältin der drei Arbeitnehmer. So lautete etwa noch kurz nach der Insolvenzeröffnung im Mai 2023 die Signatur auf geschäftlicher Post, die auch den Schongauer Nachrichten vorliegt.
Vertreten wurde das Schongauer Unternehmen durch Maria Savvidou mit einer Adresse in der Republik Zypern. Bei Betriebsversammlungen waren Luc Vergels aus Frankreich, Klaus Brüning aus Rheine und Josef Blömer aus Laer für die Geschäftsleitung angereist. Der amerikanische Investor Regent L.P hatte DBI Supply Chain Germany GmbH im Jahr 2022 übernommen.
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Die Richterin gab den Klägern mit auf den Weg zu klären, an welche juristischen Personen sich die Klage richte. Außerdem schlug sie vor, über eine Musterklage nachzudenken, „auch, um die Papierflut zu reduzieren, wenn der Sachverhalt immer der gleiche ist“. Schon jetzt habe sie zwei identische Schriftsätze vorliegen – vom DGB und der Anwältin der drei Arbeitnehmer.