Jobsituation könnte US-Wahl beeinflussen - „Arbeitsmarkt vom Hurrikan zerzaust“
Die neuesten US-Arbeitsmarktdaten enttäuschen. Experten verweisen auf Verzerrungen durch Hurrikan ‚Milton‘ und einen Streik bei Boeing. Die tatsächliche Situation wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
In den USA kommen kurz vor der Präsidentschaftswahl Schwächesignale vom Arbeitsmarkt: Im Oktober kamen lediglich 12.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Bericht der Regierung hervorgeht. Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit 113.000 gerechnet. Experten verweisen darauf, dass die Statistik durch die Folgen des Hurrikans „Milton“ und den Streik beim Flugzeughersteller Boeing verzerrt wurde. „Rechnet man die Sondereffekte heraus, fällt der Arbeitsplatzaufbau weiterhin robust aus“, erklärte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Dies zeigt sich auch an der getrennt ermittelten Arbeitslosenquote, die bei 4,1 Prozent verharrte.

Nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden ist im November wieder mit einem höheren Beschäftigungswachstum zu rechnen: „Die amerikanische Wirtschaft ist weiterhin stark. Es gibt noch viel zu tun.“ Der Notenbank Federal Reserve, die am Donnerstag und damit zwei Tage nach der US-Wahl über den Leitzins entscheidet, dürften die Jobdaten dennoch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Auch wenn unter dem Strich noch Stellen aufgebaut wurden, blieb der Zuwachs im Oktober mit 12.000 sehr weit unter der Marke von 100.000. Ein monatliches Plus in diesem Umfang gilt als nötig, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen.
Fed könnte bei Zinswende am Dienstag, 5. November, nachlegen
Die Fed hat im September die Zinswende vollzogen und könnte am Donnerstag nachlegen. Anders als bei dem jüngsten XL-Zinsschritt dürfte die Senkung nach Ansicht vieler Experten nun aber eine Nummer kleiner ausfallen: „Die Fed wird ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte zurücknehmen. Das ist gewissermaßen in Stein gemeißelt“, sagte Experte Gitzel. Das Leitzins-Band liege mit aktuell 4,75 bis 5,0 Prozent deutlich über der aktuellen Inflationsrate, so dass es ganz unabhängig von der Entwicklung am Arbeitsmarkt Spielraum für geldpolitische Lockerungen gebe. An den Finanzmärkten wird fest damit gerechnet, dass die Fed auch im Dezember die Zügel lockern und im kommenden Jahr weitere Zinssenkungen folgen lassen wird.
Dem Euro verliehen die US-Jobdaten Aufwind: Er stieg auf 1,0898 von zuvor 1,0865 Dollar. Der äußerst magere Stellenaufbau ließ die Anleger an der Wall Street mehr oder weniger kalt: „Die Streiks bei Boeing und die zahlreichen Stürme haben die Werte sicherlich negativ beeinflusst“, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Es gelte also, genauer hinzuschauen.
Tausende Menschen mussten in der ersten Oktoberhälfte im Bundesstaat Florida wegen des Hurrikans „Milton“ ihre Häuser verlassen. „‘Milton‘ ist mit Hurrikan ‚Irma‘ des Septembers 2017 vergleichbar. Damals fiel der monatliche Stellenaufbau aufgrund des Hurrikans um mehr als 100.000 Stellen geringer aus“, erläuterte Gitzel. Dies zeige, wie stark Hurrikans die Beschäftigung belasteten. Letztlich werde man die Arbeitsmarktberichte für November und Dezember abwarten müssen, um die wahre Lage am Arbeitsmarkt beurteilen zu können, gibt Commerzbank-Ökonom Christoph Balz zu bedenken: Der US-Arbeitsmarkt sei im Oktober quasi „vom Hurrikan zerzaust“ worden.