Der Vater parkt seinen schwarzen Mercedes-Kombi 50 Meter vor der Grundschule, holt seine beiden Kinder, die in die 2. und 6. Klasse gehen, von den Hintersitzen und nimmt sie fest die Hand. Erst die letzten 25 Meter lässt er sie allein bis zum Eingang gehen. Und auch dann behält er sie genau im Auge, bis sie die Absperrung, an der zwei Polizisten und drei Sicherheitsleute an einem provisorischen Eingangsgatter stehen, passiert haben.
Nach Messerangriff in Berlin sind Eltern besorgt
Dass dieser Freitagmorgen an der Grundschule Am Weinmeisterhorn in Berlin-Spandau nicht wie der Donnerstagmorgen war, erkennt auch, wer nicht weiß, was sich hier am Tag zuvor abgespielt hat. Die Eltern stehen mit betroffenen Gesichtern in kleinen Gruppen zusammen. Viele Kinder werden nicht von einem Elternteil, sondern von beiden begleitet.
Und wenn die Schüler am Wendehammer vor der Schule ankommen, hört man immer wieder den überraschten Ausruf "Die Polizei ist ja noch immer da!"
13-Jähriger sticht mit Messer auf zwölfjährigen Mitschüler ein
Die Schule war am Donnerstagvormittag Schauplatz einer Messerattacke, die zum Glück nicht tödlich verlief. Ein 13 Jahre junger Sechstklässler soll nach dem Sportunterricht einen zwölfjährigen Mitschüler in einer Umkleidekabine völlig unvermittelt mit einem Messer angegriffen und verletzt haben.
Das bestätigte auch eine Mitschülerin, mit der FOCUS online wenige Stunden nach der Tat vor der Schule gesprochen hat. Inzwischen gibt es Zeugenaussagen, in denen Schüler von einem angekündigten Angriff auf den Zwölfjährigen sprechen.
Vater: "Messerangriff ist für mich eine tragische Ausnahme"
Der Mercedes-Fahrer, der seine beiden Kinder nun hinter der Ecke eines Schulgebäudes verschwinden sieht, schüttelt bei der Frage, ob es in der Vergangenheit an dieser Schule schon mal Gewaltprobleme gegeben habe, sofort den Kopf. "Nein, ganz im Gegenteil. Mir sind hier nie Zwischenfälle zu Ohren gekommen, das ist keine Brennpunktschule. Meine Familie wohnt übrigens nicht im Einzugsgebiet dieser Schule, sondern 15 Minuten Autofahrt entfernt. Wir haben unsere Kinder extra hier einschulen lassen, weil Schule und Gegend einen so guten Ruf haben."
Der Angriff habe sowohl ihn als auch die Kinder sehr geschockt. "Meine Frau und ich haben mit den Kindern darüber gesprochen, sie sind natürlich beide verängstigt. Meine Tochter, die in die 6. Klasse geht, war gestern zum Glück nicht auf dem Schulgelände, weil sie an einem Staffellauf teilgenommen hat", so der Vater.
Doch Sorgen, dass diese schreckliche Tat langfristig am Schulalltag etwas ändern werde, habe er am Ende nicht. "Diese Schule ist eine sehr gute Schule. Das hätte überall passieren können und ist für mich eine tragische Ausnahme."
Angreifer "hatte sich schon vorher komisch verhalten"
Die Grundschule liegt idyllisch am Ende einer Sackgasse, von drei Seiten flankiert von hübschen und geräumigen Einfamilienhäusern, und grenzt im Süden an ein schmales Waldstück. Direkt dahinter liegen die Rieselfelder, die Landesgrenze zu Brandenburg ist keine 100 Meter entfernt.
Auf diesen Feldern hatte sich die Klasse, aus der der Messerangreifer stammt, einen Teil der Doppelstunde Sport verbracht, ehe er dann zwischen Ende des Sportunterrichts und einer Freistunde in einer Umkleidekabine den Mitschüler attackierte. "Er hatte sich schon vorher komisch verhalten und ein paar andere Jungs um sich geschart. Und es ganz sah so aus, als wenn er etwas aushecken würde. Ich habe gehört, wie er gesagt hatte, dass die anderen mit in einen Umkleideraum kommen sollten", schilderte eine Mitschülerin FOCUS online.
Mutter: "Tut mir total leid für den Ruf der Schule"
Eine Mutter, die gerade ihre beiden Kinder zur Schule gebracht hat und sich nun mit einer Freundin vor dem Schulgebäude unterhält, ist von dem Vorfall ebenfalls tief schockiert. "Wie viele andere glaube ich auch, dass diese Tat an unserer Schule ein absoluter Einzelfall ist. Wir haben hier vorher noch nie Probleme gehabt. Mir tut das total leid für den Ruf der Schule, das hat sie nicht verdient."
Sorgen, dass sich das bis Donnerstag unbelastete Klima an der Grundschule Am Weinmeisterhorn ändern könne, habe sie dennoch nicht. "Wir haben absolutes Vertrauen in die Schulleitung und sind zuversichtlich, dass sich das nicht ändern wird. Wenn dies nicht so wäre, dann hätte ich meine Kinder heute ganz sicher zu Hause gelassen."
13-jähriger Täter erst seit kurzem auf der Schule
Die Fahndung nach dem 13-jährigen Tatverdächtigen läuft indes am Freitagmorgen weiter. Der Schüler ist laut Polizeiangaben erst seit kurzem an der Grundschule und soll unter Aggressionsprobleme leiden. Zeugen berichteten, dass sich Angreifer und Opfer, die in dieselbe Klasse gingen, nicht besonders gemocht hätten.
Der 13-Jährige soll nach dem blutigen Angriff auf seinen Mitschüler aus der Umkleidekabine ins Freie gerannt sein, habe seinen Schulranzen fortgeworfen und sei dann geflüchtet. Seitdem fehlt von dem Jungen jede Spur.