„Das ist einfach unfassbar schlecht, was da passiert“: Sorgen wegen Medikamenten-Engpässen
Medikamenten-Engpässe sind nach wie vor ein großes Problem. Bestimmte Arzneimittel sind derzeit kaum erhältlich und Alternativen oft schwer zu finden.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Wenn man krank ist, möchte man gut versorgt werden. Dazu zählt auch, dass man das passende Medikament verschrieben bekommt. Doch weiterhin sind manche Arzneimittel nur schwer zu bekommen, was auch im Landkreis spürbar ist.
„Im Schnitt sind 500 Arzneimittel in Deutschland nicht lieferbar“, sagt Apotheken-Sprecher Christopher Hummel. Eine ähnliche Zahl übermittelt die Tölzer Stadtklinik. „Aktuell gibt es 463 gemeldete Engpässe, die voraussichtlich über zwei Wochen hinaus nicht lieferfähig sind.“
Bestimmte Antibiotika schwer zu bekommen
Dazu gehören bestimmte Antibiotika, für die nur schwer eine Alternative zu finden ist. Denn sie wirken oft gegen einen speziellen Erreger. Ebenfalls Engpässe gibt es beim Diabetes-Mittel Ozempic. Das liegt daran, dass es vor allem in den USA und England als Abnehm-Mittel angepriesen wird und so dem eigentlichen Markt nicht zur Verfügung steht. Damit werde das große Geld gemacht, sagt Hummel. „Das ist einfach unfassbar schlecht, was da passiert. Da müsste die Politik einschreiten. Leidtragender ist der Diabetiker, der wochenlang sein Mittel nicht bekommt.“
Für Infusionen notwendig sind isotonische Kochsalzlösungen. Seit mehreren Monaten werden Kliniken in Deutschland nur noch mit etwa 80 Prozent des Bedarfs beliefert, berichtet die Tölzer Stadtklinik. „Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt.“ Die Asklepios Klinik-Gruppe habe in ihren 160 Einrichtungen bundesweit ein „Engpass-Management implementiert“, damit alle Standorte jederzeit bestmöglich versorgt seien. Durch Importe hätten die Engpässe ausgeglichen werden können, „sodass wir auch absehbar eine gesicherte Versorgung für unsere Einrichtungen und Patienten haben werden“. Insgesamt seien das Engpass-Management und die Importe aber mit höherem Mehraufwand verbunden, sowohl beim Personal als auch bei den Kosten.
Lieferschwierigkeiten auch bei Diabetes-Medikament
Auch Christopher Hummel berichtet von steigendem Aufwand. „Es gibt Studien, die besagen, dass jede Apotheke zehn Prozent der Zeit damit vertrödelt, Alternativen für die Kunden zu finden.“ Ausbaden müssten es am Ende die Patienten, die nicht ihr gewohntes Medikament bekommen. „Das müsste nicht sein“, sagt der Apothekensprecher. „Das Problem ist, dass Medikamente in falschen Ländern hergestellt werden.“ Produziert werde vor allem in China und Indien, die die Medikamente wiederum an die Länder verkaufen, die am meisten zahlen. „Das ist nicht Deutschland“, sagt Hummel. „Das Problem ist hausgemacht. Man hat zu viel ausgelagert.“
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Wenn dann Apotheken, wie im vergangenen Winter, auf einen Mangel an Fiebersäften bei Kindern reagieren und selbst welche herstellen, bekommen sie die geballte Bürokratie zu spüren: Hier verweigern dann die Krankenkassen teilweise die Erstattung, „weil wir das Ganze etwa in einem falschen Gefäß abgefüllt haben“, berichtet Hummel. „Das ist das, was uns am meisten aufregt: Dass die Politik nicht kapiert, um was es eigentlich geht“ – nämlich um das Wohl der Patienten.
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Sprecher der Hausärzte: „Damit müssen wir jetzt leben“
Das Ausgleichen von Engpässen ist auch bei Hausärzte-Sprecher Dr. Matthias Bohnenberger tägliches Geschäft. „Wöchentlich sind wir sicher mehrere Stunden damit beschäftigt“, sagt er. Ist das eigentlich verschriebene Medikament nicht verfügbar, müsse überlegt werden: „Gibt es ein anderes Medikament oder eine andere Stärke, die verfügbar ist?“ Dann werden verschiedene Apotheken abtelefoniert. Manchmal sei das aber auch nicht möglich, beispielsweise bei Medikamenten für Krebspatienten. Auch wer manche Stoffe aufgrund von Allergien oder Unverträglichkeiten nicht einnehmen darf, könne nicht einfach so zu einem anderen Medikament wechseln. Dass es so weit komme, sei nicht verwunderlich, sagt der Ärztesprecher. „Bei uns in Deutschland wird ja nichts mehr produziert.“ In den vergangenen Jahren sei es immer schlimmer geworden. „Damit müssen wir jetzt leben.“