Fast täglich ein Fehlalarm für die Feuerwehren im Kreis Ebersberg – Fachberater mit wichtigem Appell
Die meisten Fehlalarme im Landkreis Ebersberg gehen auf das Konto automatisierter Brandmeldeanlagen. Auch moderne Kraftfahrzeuge lösen immer häufiger Alarme aus. Doch die Feuerwehr bleibt gelassen – und hat einen wichtigen Appell an die Bürger.
Landkreis – Es ist ein Werktag-Vormittag wie jeder andere, als Dutzende Frauen und Männer plötzlich Stift und Hammer fallenlassen, sich vom Bulldog oder aus dem Bürostuhl schwingen und zum nächsten Feuerwehrhaus eilen, weil ihr Handy oder Piepser tönt. Die Leitstelle hat Großalarm ausgelöst – Rauch soll aus einer Biogasanlage im nördlichen Landkreis Ebersberg schlagen. Sieben Feuerwehren, Polizei, Rettungsdienst und THW jagen los, ein mögliches Katastrophenszenario auf dem Einsatzzettel. Kurz darauf kommt per Funkspruch Entwarnung: Passanten hatten den rauchigen Motorstart eines Traktors irrtümlicherweise als Rauchsäule aus der Biogasanlage gedeutet, so Kreisbrandrat Andreas Heiß.
Fast 300 Fehlalarmierungen im Jahr 2023 - selten ist Böswilligkeit der Grund
Dass bei einer Alarmierung Wahrnehmung und Realität so auseinanderklaffen, ist selten. Fehlalarme sind es nicht. 293 Mal rückten die Feuerwehren im Landkreis Ebersberg 2023 zu Einsätzen aus, die sich aus verschiedenen Gründen als solche herausstellten, teilt Benedikt Seidl mit, der Pressesprecher der Kreisbrandinspektion (KBI). Es ist ein Fünf-Jahres-Rekord, macht über ein Achtel der 2182 Gesamtalarmierungen aus und bedeutet fast täglich einen Einsatz, der vielleicht nicht hätte sein müssen.
Die gute Nachricht dabei: Es kommt selten vor, dass die ehrenamtlichen Retter ihre Zeit vergeuden, weil sie böswillig getäuscht werden. Im Schnitt liegt die Zahl der missbräuchlichen Feuerwehr-Notrufe im Landkreis laut der KBI-Statistik bei weniger als 15 im Jahr. Joachim Benz, technischer Fachberater Feuerwehr und damit so etwas wie der Alarmierungsspezialist bei der KBI, führt das nicht zuletzt auf die technische Rückverfolgbarkeit heutzutage zurück: „Es hat sich zum Glück herumgesprochen, dass die Leitstelle auch bei unterdrückter Rufnummer sehen kann, wer angerufen hat.“ Solche Telefonstreiche seien ärgerlich, „waren aber nie der große Einsatzbringer“.
Blinde Alarme: Leitstelle muss schlimmstes Szenario annehmen
Auch der sogenannte „blinde Alarm“, also ein Irrtum des Meldenden wie im eingangs genannten Fall der Biogasanlage und des qualmenden Traktor-Auspuffs, kommen selten öfter als zwei Dutzend Mal im Jahr vor. Verständlich, dass gerade die ehrenamtlichen Feuerwehrler in solchen Fällen nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen, wenn sie Arbeit oder Privatleben liegen lassen, oft mitten in der Nacht loshetzen, um unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Doch die einhellige Ansage aus den Reihen der Feuerwehr ist dennoch immer dieselbe: „Immer anrufen, ganz klar!“, sagt KBI-Experte Benz. „Und zwar möglichst schnell!“
Gerade die ersten Minuten eines Einsatzes könnten über den Unterschied zwischen Zimmer- und Vollbrand ausmachen. Wer eine möglicherweise gefährliche Situation beobachte, solle daher keinesfalls zögern, die Feuerwehr zu alarmieren. Ein Irrtum in gutem Glauben habe keine Konsequenzen, lediglich der vorsätzliche Missbrauch des Notrufs sei eine Straftat. „Der normale Bürger kann beruhigt sein“, betont Benz. Die Leitstelle wiederum müsse im Zweifel vom schlimmstmöglichen Szenario ausgehen. Lieber zigmal mit einem Überaufgebot vor Ort, als einmal unterbesetzt und dadurch Menschenleben riskiert.
Immer anrufen, ganz klar! Und zwar möglichst schnell!
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Kräftezehrend wird das vor allem durch Einsatzszenarien, wo meist weder Irrtum noch böser Wille im Spiel sind: Die ganz große Mehrheit der Feuerwehr-Fehlalarme im Landkreis Ebersberg geht auf das Konto automatisierter Brandmeldeanlagen – mittlerweile mehr als 200 pro Jahr. Seit 2020 neu statistisch erfasst ist die – seither kontinuierlich steigende – Zahl an „E-Call“-Alarmierungen durch moderne Kraftfahrzeuge, die etwa im Fall eines auslösenden Airbags automatisch einen Notruf absetzen. Antwortet auf die Nachfrage durch die Leitstelle im Fahrzeug niemand, ist unklar, ob der Fahrer unverletzt ausgestiegen oder bewusstlos in Lebensgefahr ist. Dann gilt wieder: Vorsicht vor Nachsicht und es rücken in der Regel zwei Wehren plus Rettungsdienst zum vermuteten Unfallort aus. 2023 war das laut KBI 15 Mal der Fall – heuer ebenfalls schon 14 Mal, mit Stand Ende August.
Hauptursache Brandmeldeanlage: Das kann teuer werden
Noch ist das wenig im Vergleich zu 250 Fehlalarme durch Brandmeldeanlagen (BMA). Diese betreffen vor allem die größeren Kommunen im Landkreis, wo sich Gewerbegebiete, Beherbergungs- und Gastrobetriebe, Einkaufsmärkte, größere Schulkomplexe und Seniorenzentren befinden, die mit BMA ausgerüstet sind. „Wenn ich deren Anzahl inflationiere, steigen die Fehlalarme“, sagt KBI-Einsatzfachmann Benz. „Du fährst trotzdem mit einem gewissen Druck raus“, sagt er über jene Einsätze. Denn auch wenn am Ende nur ein angebranntes Mittagessen im Seniorenheim im Protokoll steht – im Ernstfall ist das Unglückspotenzial in solchen Einrichtungen enorm.
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Allerdings gebe es halt auch genügend Fälle, in denen der Alarm durch heimliches Rauchen im Hotelzimmer, ungenügend abgedeckte Brandmelder bei staubintensiven Umbauarbeiten oder eine rauchige Pfanne erfolgt. „Dann kommt auch die Feuerwehr. Und dann kommt die Rechnung“, sagt Joachim Benz. Es liege im Ermessen der jeweiligen Kommune, wie sie solche fahrlässig verschuldeten Fehlalarme in Rechnung stelle. 200 oder 300 Euro seien schnell beisammen. Allerdings hätten gerade kleinere Kommunen oft keine diesbezügliche Satzung und müssten die Kosten im Einzelfall nachweisen, was ihnen oft den Aufwand nicht wert sei. Trauriger Spitzenreiter in Sachen Fehlalarmen dürfte übrigens eine Pizzeria in Markt Schwaben sein, wo eine störrische BMA mutmaßlich den Holzbackofen wiederholt für einen Brandherd hielt, was als „Pizza Alarmi“ Schlagzeilen machte. Nach rund 170 Fehlalarmen binnen neun Jahren war die Kraft der Pächter aufgebraucht und sie zogen 2021 aus.
KBI-Mann Benz betont die Pflicht der Besitzer solcher Anlagen zur korrekten Wartung. Das gelte auch für Rauchwarnmelder in Wohngebäuden, die in Mietwohnungen Pflicht sind. Auch hier steige mit wachsender Anzahl die Zahl der Fehlalarme, heißt es seitens der Feuerwehr. Die Besitzer sollten sich daher um die Geräte kümmern und etwa den Batteriewechselalarm nicht ignorieren. Denn allen Gewöhnungseffekten zum Trotz gilt auch beim nächsten Fehlalarm: Die Feuerwehr rückt an.