84 historische Trucks legen Stopp im Forstinninger Gewerbebogen ein
Nicht einmal 24 Stunden ist die Firma Hörndl Gastgeber von fast 100 Truckern aus ganz Deutschland. Sie sind mit historischen Nutzfahrzeugen gekommen.
Forstinning - Joachim Fehrenkötter sitzt inmitten seiner gut zehn mitgereisten Mitarbeiter, ist voll konzentriert und geradezu komplett eingespannt in die laufende Diskussion zwischen Trucks und Campingmöbel. Der Westfale ist Organisationsleiter einer seit dem 31. August laufenden Deutschlandrundfahrt für Oldtimer-Lkw. Sein Vater Robert war es, der einst, Anfang der 80er Jahre, die Idee von einem „rollenden Museum“ hatte. Überzeugt davon, dass nicht nur alte Autos, Motorräder oder Bulldogs hier und da öffentlich einem interessierten Publikum präsentiert werden sollten, sondern eben auch Nutzfahrzeuge. Fahrzeuge, ohne die die deutsche Wirtschaft nicht das wäre, was sie ist.
Neues Bewusstsein zum Erhalt alter Werte ist entstanden
Nach der Idee sei es damals sehr schnell gegangen. Anfangs, sagt er, habe es bundesweit nur eine Handvoll Vorzeigbares gegeben. Inzwischen ist das aber ganz anders. Den Bestand an restaurierten Lastkraftwagen schätzt der Fuhrunternehmer auf gegenwärtig rund 15000. „Das Bewusstsein für einen Erhalt ist inzwischen geschaffen worden“, so der Fachmann hinter seiner dunklen Sonnenbrille. Und fügt an, dass sich die Tendenz durchgesetzt habe, im Zweifelsfall Dinge lieber dann doch zu erhalten, als sie unwiderruflich zu vernichten; auch wenn das Restaurieren inzwischen eine recht teure Sache geworden sei.
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In seiner Firma im Landkreis Warendorf war es einst ein Büssing 8000, Baujahr 1953, den man vor der finalen Verschrottung rettete und in jahrelanger Kleinarbeit wiederaufbaute. Er ist sozusagen das Flaggschiff des Konvois, der noch bis kommenden Freitag in Österreich unterwegs sein und dann den Zielort München erreichen wird. Der Büssing ziert auch die Plakate, mit denen heuer für die Rundfahrt geworben wird.
Was will und kann man mit einer solchen Rundfahrt alter Lkw erreichen? Joachim Fahrenkötter hat diese Frage wohl schon x-mal gehört, wie es scheint. Natürlich, sagt er, gehe es darum, Werbung für sein Transport- und Logistikgewerbe zu betreiben. Und zugleich dafür zu werben, altes technisches Kulturgut wie einen über 50 Jahre alten Lkw nach Möglichkeit für die Nachwelt zu erhalten.
Werbung, fügt der Sassendorfer an, könne seine Branche gut gebrauchen in diesen Zeiten. Zwei Probleme plagen nämlich alle derzeit: Der Mangel an Fahrern (zumindest bei einigen Kollegen, nicht bei ihm) und eine gesellschaftliche Akzeptanz der Speditionsbranche insgesamt, weil viele Lkw längst nur noch mit Umweltverschmutzung und einem gefühlt grenzenlosem Verbrauch fossiler Brennstoffe in Verbindung brächten. Was sich der Tourchef deshalb wünscht? In erster Linie eine deutlich höhere Wertschätzung der Fahrer, die sich nicht nur, aber auch, in der Höhe von Gehältern ausdrücke. Und einen nüchterneren Blick auf so manche Umweltfakten.
Ein Ziel: Werbung für die Logistikbranche
Immerhin: Längst haben die Organisatoren erlebt, dass auch alte Lkw bei PS-Freunden eine gewisse Faszination ausüben. Zum Beispiel am ersten Etappenziel in Fladungen, der nördlichsten Stadt Bayerns in der Rhön. Dort wurden die Trucker wie kleine Könige empfangen, einzeln einem interessierten Publikum vorgestellt. Der Bürgermeister sprach. Es habe, berichtet ein Teilnehmer aus Pforzheim, geradezu Feststimmung geherrscht. Man hätte glauben können, es sei Volksfest, sagt er.
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Deutlich bescheidener läuft der Dienstag in Forstinning ab, der dritten Station der Tour heuer. Peu à peu trudeln die Brummies am Nachmittag im Gewerbebogen bei Hörndls ein und werden fachkundig eingewiesen auf einen der zahlreichen Stellplätze auf dem großen Firmenparkplatz. Die größte Prüfung besteht an diesem Tag darin, den richtigen Weg zum Hörndl-Standort zu finden, denn wieder einmal besteht wegen der innerörtlichen und ab und an wandernden Baustellen im Dorfkern eine knifflige Verkehrslage. Wer entgegen der den Fahrern mitgegebenen Empfehlungen über die Moosstraße glaubt in den Ort zu kommen, bekommt an diesem Tag ein echtes Problem. Die Einmündung der Moosstraße in die Mühldorfer/Münchner Straße ist nämlich vorerst komplett blockiert – nicht nur für die Trucker.
Trotz dieser Widrigkeiten haben Dirk Priebs und seine Familie das Ziel Forstinning sicher und gut erreicht. Lediglich die Hitze unterwegs habe etwas zu schaffen gemacht, erzählt der 64-Jährige. Fahrzeuge von damals seien in puncto Komfort mit den heutigen Fahrzeugen kaum mehr zu vergleichen, so der Unternehmer aus Eibau im Landkreis Görlitz nahe der Grenzen zu Tschechien und Polen. Die Geschichte seines Familienunternehmens geht bis in das Jahr 1890 zurück. 1929 begann die Motorisierung. Die Firmenbezeichnung Bruno Priebs, berichtet der amtierende Seniorenchef, habe auch zu DDR-Zeiten stets bestanden. Die ersten im Lastverkehr eingesetzten Fahrzeuge waren eine Ford V8, dem in der eigenen Werkstatt eine Motorhaube eines IFA angepasst wurde, und ein Mercedes L 4500 S. Der Ford ist mutmaßlich der älteste Oldtimer an diesem Tag. Im Katalog stand er nicht, weil in Priebs, Chef in fünfter Generation übrigens, mit einem anderen Lkw samt Anhänger transportierte.
Ältestes Fahrzeug: Ein Ford aus den 30er Jahren
Wie viele Fahrzeuge beim Meeting in Forstinning sind die vorgestellten Maschinen einst mit Liebe zum Detail und einem unbändigen Willen zum Erhalt zusammengesetzt worden aus gleich mehreren Schrottfahrzeugen. Beim Oberlausitzer war das nicht anders. Auf der aktuellen Tour hat er zwei Volvo und einen Skania dabei, also schwedische Modelle. Die Skandinavier hätten einst in Ostberlin zahlreiche Hotels gebaut und nach Fertigstellung ihre aufgearbeiteten, schrottigen Lkw einfach zurückgelassen. Priebs schaffte es durch Beziehungen, wie er sagt, sich diesen Schrott zu sichern, aus – Zitat – zehn Fahrzeugen ein neues zu machen und danach tatsächlich für seine Firma einzusetzen. Das Fuhrunternehmen Priebs blieb auch in DDR-Zeiten als privates Unternehmen erhalten. Ganz im Osten Ostdeutschlands sei das durchaus möglich gewesen. So sei es gelungen, plaudert der Fuhrunternehmer weiter, Fahrzeuge in Einsatz zu bringen, die zuverlässiger waren als osteuropäische Lkw und dazu noch über gut doppelt so viel Nutzlast verfügten.
Großer Zusammenhalt unter den Fahrzeugpiloten
In Forstinning ist Dirk Priebs, der zum vierten Male an der Deutschlandtour teilnimmt, nicht nur mit seinen Lkw und persönlichen Erinnerungen, zahlreichen alten Bildern und ein paar historischen Fachbüchern dabei, sondern auch mit Schwager, Freund, Sohn, Schwester. „Ein Familienausflug“, sagt er augenzwinkernd. Aber einer, der ihm offenkundig Spaß bereitet. Was er besonders lobt, ist der Zusammenhalt unter allen Truckern. „Wir sind ein eingeschworener Haufen“. Und diesen ein wenig nostalgisch daherkommenden Satz kann man an diesem Nachmittag im Forstinninger Gewerbegebiet vielfach hören.

Auch Urs Wegmüller äußert sich ähnlich. Wissend, aus zweierlei Gründen unter den Teilnehmern einen gewissen Status als Exot zu besitzen. Erstens, weil hier ansonsten kaum Schweizer anwesend sind, dafür aber auffallend viele Niederländer. Und zweitens, weil sein Nutzfahrzeug, ein FBW 50 U eines Schweizer Bus- und Lkw-Herstellers aus dem Jahr 1977, einmal ein komplett eingerichteter Verkaufsladen war. Und damit ganz anders. Der Fahrer tingelte damit im Kanton Bern von Dorf zu Dorf, um Lebensmittel vor Ort zu verkaufen. Wegmüller, 73, baute den rollenden Laden zu einem Wohnmobil um. Das sei mit drei Kindern damals recht praktisch gewesen. Mit seiner Frau Heidi war er danach in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, England oder Kroatien unterwegs. Inzwischen aber nicht mehr so oft, denn zu zweit sei der zehn Meter lange und 3,6 Meter hohe FBW einfach zu groß. Ab München geht‘s dann wieder direkt nachhause.

Ehemaliger Verkaufsladen wird zum Wohnmobil
Von Forstinning aus setzte sich der Tross am Mittwoch-Vormittag nach und nach zunächst in Bewegung Richtung Salzburg. Hörndl-Mitarbeiter Stefan Maier erklärte, dass man bewusst auf den alten, angestammten Wegen unterwegs sei, also hier nicht auf der Autobahn, sondern der B 12. „Die wollen über die Dörfer fahren, um gesehen zu werden“, fügt er an.
Und vielleicht auch wieder 2025 in und um Forstinning?