Knollen, Krach und Kaffeepause: Kartoffelernte in Parsdorf zwischen Steinen und Staub
Kartoffeln ernten ist kräftezehrend, staubig und laut. Die Landwirtsfamilie Schmid aus Parsdorf hat trotzdem Freude daran. Und der Chef auf dem Hof, Gerhard (36), erklärt, warum es tatsächlich manchmal gar nicht dumm ist, wenn er als Bauer nicht die dicksten Kartoffeln einfährt.
Parsdorf – Das Klirren und Scheppern unterm Dach der Erntemaschine klingt, als ob im Geschirrladen alle Regale auf einmal umfallen. Nur hört es nicht auf. Traudi Schmid tippt gegen ihr rechtes Ohr. Es ist von einem roten Kopftuch mit weißen Blümchen verdeckt, das die Haare gegen den allgegenwärtigen Ackerstaub schützt. „Ich mach‘ das nur noch mit Ohropax“, kehlt sie gegen das Rumpeln an. Dann schnellt ihre Hand wieder zurück zum Fließband vor ihr und klaubt den nächsten faustgroßen Stein zwischen den Kartoffeln hervor.
Kartoffelernte in Parsdorf: Viel Handarbeit – generationenübergreifend
Alle Hände voll zu tun haben – eine abgedroschene Phrase. Doch bei der Landwirtsfamilie Schmid aus Parsdorf (Gemeinde Vaterstetten) trifft es das genau, wenn es an die Kartoffelernte geht. Zu fünft stehen die Schmids an diesem Tag Ende August auf der roten Erntemaschine, die, gezogen und angetrieben von einem Fent-Traktor, über die Schotterebene im Landkreis-Norden ruckelt. Und Schotter, meine Güte, liegt dort reichlich auf dem Feld.

Die Erntemaschine klaubt mit ihren Rollen, Scharen und Siebbändern gefühlt mehr Steine als Kartoffeln aus dem Acker. Zwar sieht man auf den drei Förderbändern, die unter den rastlosen Händen der Schmids hindurchgleiten, dass die Maschine eine erste Trennung vornimmt. Doch immer wieder lassen die fünf Sortierer einen Schrei los, wenn sie vor lauter Steinen auf dem Mittelband nicht mehr hinterherkommen und der Zugtraktor für einen Moment stoppen soll. Damit am Ende wirklich nur Kartoffeln in den nebenher zuckelnden Anhänger rollen und so wenig wie möglich auf dem Feld zurückbleiben. Es ist Fließbandarbeit unter freiem Himmel, ganriert mit einem Lärmpegel wie in einer Stahlfabrik.
Kartoffelernte bei Vaterstetten: Pause muss sein
Ohne Pause hält man das nicht aus. Die Schmids stoppen schließlich ihren kleinen Erntekonvoi am Ackerrand, klettern von Maschine und Traktor und zaubern aus einem roten VW-Bus einen Campingtisch, Kaffee, Apfelschorle und hausgemachten Zwetschgendatschi. „Schnellangriff“, nennt das Wolfgang Schmid (64) schmunzelnd, während er einen blauen Klappstuhl in den Ackerboden rammt. Sein Sohn Gerhard (36), der den Hof führt, liebt die hemdsärmlige Verschnaufszeit am Feld: „Du riechst die Erde.“ Und den Kaffee. Und den Datschi.

Die neunjährige Johanna kaut im pinken Kopftuch an einer Pflaume. Sie opfert mit ihren Geschwistern Anton (4), Rosa (7) und ihrer Cousine Sabrina (11) ausnahmsweise einen Feriennachmittag, um bei der Ernte zu helfen. Natürlich nicht, weil ausnahmsweise die Zeitung dabei ist, von wegen! Johanna schwört kartoffelackerfelsenfest über die Arbeit am Sortierband: „Ich hab heute schon fünfmal denselben Stein in der Hand gehabt!“ Im Erdinger Moos, erzählt Wolfgang Schmid, geht es bei der Ernte leiser zu. Schlicht, weil dort weniger Kiesel in den Feldern liegen.
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Viele Steine, Schädlinge, Krankheiten: Kartoffelbauer ist ein hartes Geschäft
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Über die Jahre ist es schon denkbar, dass ein jedes Bummerl auf dem rund fünf Hektar großen Acker ein paar Mal durch die flinken und präzisen Hände der verschiedenen Schmid-Generationen aus Parsdorf gewandert ist: von Bauer Gerhard (36), seinen Eltern Traudi und Wolfgang, seiner Tante Christine und seinem Onkel Rudi, und des jeweiligen Nachwuchses. Binnen vier, fünf Tagen ist der Lohn eines langen, arbeitsreichen Erntejahres eingefahren. Denn bis dahin haben der Bauer und seine Helfer jede Kartoffelpflanze schon zweimal angeschaut, sie gegen Krautfäule, Trockenheit und Blattrollvirus verteidigt. Mit der Spritze, mit der Beregnungsanlage, mit bloßen Händen. Es ist ein hartes, teils fast aus der Zeit gefallenes Geschäft, das immer weniger Landwirte machen, erzählt Schmid.

Der 36-Jährige sagt: „Es kommt nicht auf den Ertrag an, sondern auf die Gesundheit.“ Obwohl die Schmids wie die allermeisten Kartoffelbauern der Region fast ausschließlich Pommes-Sorten wie Agria, Francis oder Lady Amarilla anbauen, landen die Knollen von dem Parsdorfer Feld nicht in den Fritteusen von McDonald‘s oder KFC im nahen Gewerbegebiet. „Die kommen wieder in die Erde“, sagt er. Bei ihm kaufen die Landwirte aus der Region das Saatgut, das er auf seinem Acker vermehrt. Aus drei Tonnen mache er 30.
Pommes-Kartoffeln zur Saatgut-Vermehrung: Qualität steht statt Größe im Vordergrund
Und weil es dabei ganz besonders darum geht, die Qualität hochzuhalten, mache er sich die Arbeit, kranke Pflanzen mit geschultem Auge und stundenlangen Märschen in den Furchen zwischen den Kartoffeldämmen händisch auszujäten und vom Feld zu schaffen. Bei der Ernte geht es schließlich um den richtigen Zeitpunkt – zu dick dürfen die Kartoffeln nicht sein. Nicht wegen des alten Kalauers mit den dümmsten Bauern, sondern, weil sie sonst nicht mehr in die Pflanzmaschine passen. Bevor die zum Einsatz kommt, lagern die Früchte bei vier Grad bis zum nächsten Frühjahr. „Absolut keimruhig“, sagt Gerhard Schmid.

Der Kaffee ist getrunken, der Datschi vernascht, Konzentration und Kräfte der Erntetruppe sind zurück. Der Traktor fährt mit einem Rucken an und die Hände der Schmids sausen wieder über das Förderband und klauben Kartoffeln in die eine, Steine in die andere Richtung. Im Klirren, Rumpeln und Stauben, das sofort wieder einsetzt, muss Gerhard Schmids elfjährige Nichte plötzlich lachen und noch einen Scherz loswerden. Sie deutet über die braunen Furchen und einen Drahtzaun hinüber zum Regenwassersammelbecken, das eine örtliche Gärtnerei zur Bewässerung nutzt. „Wenn wir fertig sind“, kräht Sabrina gegen den Erntelärm an, „dann springen wir in den Pool!“