„Der Feind sammelt Truppen“: Putin bereitet laut Ukraine-Soldaten Großangriff vor

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Berichte mehren sich, wonach die Russen in der Ukraine eine neue Großoffensive in Richtung Charkiw planen. Erzählungen ukrainischer Soldaten alarmieren.

Kupjansk - Charkiw. In der Erinnerungskultur von Russland nimmt die Drei-Flüsse-Stadt Charkiw eine wichtige Rolle ein, obwohl sie in der Ukraine liegt. Dort, wo die Flüsse Charkiw, Lopan und Udy zusammenlaufen, lieferte sich die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg drei große Schlachten mit der deutschen Wehrmacht. Im August 1943 wurde die Großstadt, die damals noch Charkow hieß und zur Sowjetunion gehörte, in der Belgorod-Charkower Operation von den Sowjets schließlich zurückerobert, was von wesentlicher Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf an der Ostfront war.

Ein Rückblick auf die Geschehnisse von damals ist nicht unerheblich, bedenkt man, dass Kreml-Autokrat Wladimir Putin heutzutage gerne in geschichtlichen Bildern denkt und das auch entsprechend kommuniziert. Ende Januar 2024 rückt Charkiw, mehr als 80 Jahre später, im Ukraine-Krieg nun erneut in einen exponierten Fokus. Und offenkundig mit Priorität in den Fokus Putins.

Autokraten unter sich: Belarus-Machthaber Alexander Lukaschenko (li.) und Kreml-Chef Wladimir Putin bei einem öffentlichen Auftritt am 27. Januar 2024.
Autokraten unter sich: Belarus-Machthaber Alexander Lukaschenko (li.) und Kreml-Chef Wladimir Putin bei einem öffentlichen Auftritt am 27. Januar 2024. © IMAGO/Vyacheslav Prokofyev

Nachschubroute zwischen Charkiw und Kramatorsk: Russen versuchen Vorstoß

Wie das Institute for the Study of War (ISW) zuletzt schrieb, „machten die russischen Streitkräfte kürzlich bestätigte Vorstöße in der Nähe von Kupjansk, Kreminna und Awdijiwka und führten dabei fortgesetzte Stellungskämpfe entlang der gesamten Kontaktlinie durch“. Am Sonntag (29. Januar) behauptete Russlands Armee dann, das ukrainische Dorf Tabajiwka in der Region Charkiw eingenommen zu haben. Davon berichtete zumindest die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau.

Auf der Landkarte ergibt sich damit ein Bild, dass die Russen bemüht darum sind, auf einer 85 Kilometer breiten Front in die wichtige ukrainische Nachschubroute zwischen Charkiw und Kramatorsk zu stoßen. Hier verläuft die Bahnstrecke Charkiw–Horliwka, die wegen der Kampfhandlungen weitgehend außer Betrieb ist. Die aber bei einer Frontverschiebung in Richtung Westen wieder in Betrieb genommen werden könnte. Gleiches gilt für die Fernstraße M03.

Schwere Kämpfe im Ukraine-Krieg an der Grenze zwischen Charkiw und Luhansk

Stellt sich die Frage: Setzen die Russen hier einen Schwerpunkt ihrer völkerrechtswidrigen Kampagne, um Charkiw aus mehreren Richtungen angreifen zu können? Schließlich liegt die zweitgrößte Stadt der Ukraine mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnern nur rund 40 Kilometer südlich der russischen Grenze in der Oblast Belgorod.

Am Sonntag (28. Januar) berichtete der US-Sender CNN von schweren Kämpfen in dem Gebiet im Nordosten des Landes, in dem die Regionen Charkiw und Luhansk zusammentreffen. „Der Feind konzentriert sich auf eine große Anzahl von Artillerieangriffen und versucht voranzukommen“, sagte ein Sprecher des Landstreitkräftekommandos laut CNN dem ukrainischen Fernsehen über die Situation in der Nähe von Krokhmalne. Das Dorf liegt rund 26 Kilometer südöstlich von Kupjansk, die Ukrainer zogen ihre Truppen jüngst aus Krokhmalne zurück, angeblich um vorteilhaftere Verteidigungspositionen auf höher gelegenem Gelände einzunehmen, hieß es aus Kiew.

Alles in allem sind die Invasoren sehr aktiv. In der Region Saporischschja versucht der Feind, verlorenes Terrain zurückzuerobern.

Die ukrainischen Streitkräfte berichten derweil selbst, dass sie auch weiter südöstlich in der Gegend um Bachmut großem Druck ausgesetzt sind. Dabei wollten sie die völlig zerstörte Stadt eigentlich im Herbst einnehmen, was misslang. Unteroffizier Oles Maliarevych von der 92. Separaten Brigade berichtete zur Lage bei Bachmut: „Der Feind sammelt Truppen, er greift jeden Tag an.“ Maliarevych betonte, dass die Russen mittlerweile über sehr viel mehr Drohnen verfügen, darunter auch welche mit Nachtsichtgeräten.

Seit Ende Dezember sieht sich die ukrainische Großstadt Charkiw mit schweren Raketenangriffen konfrontiert.
Seit Ende Dezember sieht sich die ukrainische Großstadt Charkiw mit schweren Raketenangriffen konfrontiert. © IMAGO / ZUMA Wire

Charkiw im Nordosten der Ukraine: Ziel einer neuen russischen Großoffensive?

Selbst im Süden sollen die russischen Truppen aktuell versuchen, voranzukommen, nachdem die ukrainische Gegenoffensive hier im Sommer 2023 zum Stehen gekommen war. „Alles in allem sind die Invasoren sehr aktiv, sie haben die Zahl der Angriffsoperationen erhöht. Den zweiten Tag in Folge führen sie täglich 50 Kampfeinsätze durch. Der Feind ist in alle Richtungen aktiv“, zitiert CNN Oleksandr Shtupun, den ukrainischen Militärsprecher für die südliche Front. „In der Region Saporischschja versucht der Feind, verlorenes Terrain zurückzuerobern“, erklärte er demnach.

Die Hinweise verdichten sich jedoch, dass Charkiw im Fokus einer neuen russischen Großoffensive stehen dürfte. Seit Ende Dezember sieht sich die Großstadt beinahe täglich mit teils massiven Raketenangriffen konfrontiert, die im Verlauf des Krieges zwischenzeitlich abgeflacht waren. Rund um Charkiw hatten die ukrainischen Verteidiger den russischen Invasionstruppen bei der sogenannten „Schlacht um Charkiw“ zwischen Februar und April 2022 eine empfindliche Niederlage beigebracht. Wie The Washington Post und Forbes berichteten, soll die 20. russische Gardearmee damals dort trotz 560 Schützenpanzern BMP-1 und 300 T-72-Kampfpanzern gescheitert sein. (pm)

Auch interessant

Kommentare