Sie haben ihre Arbeit hier geliebt: Bäcker muss nach 62 Jahren Laden schließen

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Sie alle haben die Arbeit in der Bäckerei geliebt: (v.l.) Karl-Heinz Hahn, Gabi Köpernik, Petra Niewolik, Sigi Eider mit Enkel Leonhard, Anita Eider mit Enkelin Magdalena, Maria Reibstirn und Petra Huber. © Reibstirn

Nach 62 Jahren endet am Karsamstag eine Ära: Sigi Eider schließt seine Bäckerei in Schöngeising und geht in Ruhestand. Wie der 60 Quadratmeter große Laden an der Amperstraße künftig genutzt wird, ist noch unklar.

Schöngeising – Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt Sigi Eider. Aber er müsse aus gesundheitlichen Gründen die Notbremse ziehen und deshalb seine Bäckerei schließen. Das Aufhören hat der Brezen-Maestro an zwei Termine geknüpft: Erst feiert er am 3. März seinen 64. Geburtstag, dann steht am 30. März der letzte Arbeitstag an.

Im Januar 1962 hatten die 2013 und 2008 verstorbenen Eltern Hildegard und Josef Eider die Bäckerei gegründet. Die Backstube unmittelbar hinter dem Laden war gleichzeitig die Kinderstube von Sigi Eider. Schon als Knirps schaute er seinem Vater bei der Arbeit über die Schulter, mit fünf Jahren drehte er die ersten Brezenschleifen. Bereits damals war klar: Der Spross wird Bäcker und übernimmt den Laden.

Dem Chef steigen Tränen in die Augen

Seitdem scheint die Zeit in der Backstube stehen geblieben zu sein. Sigi Eider verwendet die gleichen Rezepte wie sein Vater, benutzt die gleichen Geräte, hat die gleiche Berufsphilosophie: „Ich bin ein Gefühls-Bäcker, pflege Traditionen und verkaufe ehrlich produzierte Ware.“ Deshalb bleibt die Backstube, wie sie ist – egal, was vorne im Laden passiert, wer ihn pachtet und welche Branche dort einzieht.

Sobald dieses Thema angeschnitten wird, steigen Sigi Eider Tränen in die Augen. Es fällt ihm schwer, mit Lebenswerk und Lebensinhalt abzuschließen. Weshalb er die historische Anlage auch weiterhin ab und zu aufsperren will, um in privater Runde im Back-Museum die Brezen-Kunstwerke zu fabrizieren, für die Kunden aus dem ganzen Landkreis extra nach Schöngeising gefahren sind.

Brezen nach dem Rezept des Vaters

Dabei ist das vom Vater überlieferte Rezept gar kein so großes Geheimnis. Die Brezen werden nicht mit dem Blech, sondern einfach nur auf der Steinplatte in den Ofen geschoben. So werden sie resch, aber nicht hart. „Mein Vater hat gesagt: Du kannst alles verändern, aber nicht die Brezen.“

Beide Söhne haben Mehlstaub-Allergie

Streng geheim ist dagegen das vor 56 Jahren kreierte Gewürzrezept fürs Hausbrot (eins von 17 weiteren Sorten). Nur Geselle Karl-Heinz Hahn, der seit 16 Jahren in der Bäckerei mitarbeitet und „noch keinen einzigen Tag krank war“, ist eingeweiht.

Ob nach der Geschäftsaufgabe dieses Geheimnis an die in der Bäckerbranche tätige Verwandtschaft in Jesenwang, Geltendorf und Puchheim weitergeben wird, muss im Familienrat mit den jüngeren Zwillingsschwestern Erika und Claudia (sie kümmert sich um die Betriebsbuchhaltung) besprochen werden. Irgendwie zur Familie gehören auch vier treue Verkäuferinnen, über die Eider sagt, sie seien „das Beste, was sich ein Chef wünschen kann“.

Marmorkuchen heißt nach der Enkelin

Fest steht: Das Gebäude an der Amperstraße bleibt in Familienbesitz, weil im ersten Stock einer der beiden Söhne lebt. Eigentlich hätten sie die Bäckertradition fortsetzen sollen. Doch sowohl Markus (34) als auch Daniel (31) leiden an Mehlstaub-Allergie.

Dafür besucht Enkelin Magdalena (3) ihren Opa jeden Tag in der Backstube und hat schon einem Produkt einen Namen gegeben: Weil sie den Großvater abgelenkt hatte, schüttete dieser zu viel Kakao in den Marmorkuchen. Den Kunden schmeckte er trotzdem. Daher wird das Ergebnis dieser Rezeptur nun als „Kuchen Magdalena“ verkauft.

Angeln an der Amper, Vogelzucht im Garten

Auch diesen Kuchen gibt es bald nicht mehr zu kaufen. Den etwa 1900 Schöngeisingern bleiben dann noch der Dorfladen und das Backstüberl von Michi Hofmuth am Senserweg, das Donnerstag- und Freitagnachmittag sowie am Wochenende ganztags geöffnet hat.

Sigi Eider wird künftig beim Angeln an der Amper zu finden sein. Oder daheim im Garten, wo er in neun Volieren Waldvögel wie Dompfaff und Stieglitz züchtet.

Ruhe und weniger Stress – das hatte ihm der Arzt schon vor ein paar Jahren ans Herz gelegt. Der Bäcker befolgte den Rat und hatte seitdem nur noch von Mittwoch bis Samstag geöffnet. Nun ist auch das zu viel, die Arthrose lässt ihm keine Wahl.

Der Karsamstag, 30. März, wird für Sigi Eider zunächst ein Arbeitstag wie jeder andere: Morgens um 1 Uhr fährt er in die Backstube, produziert seine Waren und öffnet um 6 Uhr der Kundschaft die Ladentür. Doch um 12 Uhr ist es zu Ende: Der Gefühls-Bäcker sperrt sein Geschäft für immer zu.

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