Wachsende Gräberfelder: Putins Soldaten kehren in ihre Heimat zurück
Sie wachsen fast ins Uferlose: Russische Friedhöfe, die Platz brauchen für Putins gefallene Truppen. Satellitenbilder machen den Horror deutlich.
Stawropol – Russland hat mit seinem Angriffskrieg das großes Sterben in die Ukraine getragen; und auch wieder mit nach Hause genommen. Immer wieder kommen dramatische Geschichten aus dem Land, wo der blutige Krieg Hunderttausenden Menschen unbeschreibares Leid gebracht hat.
Seit dem Angriff der Truppen Wladimir Putins und dem jetzt zwei Jahre währenden Ukraine-Krieg platzen die Friedhöfe überall aus allen Nähten, um die vielen neuen Toten beherbergen zu können. Sie dehnen sich in der Ukraine genauso aus wie in Russland selbst, wie jetzt der Business Insider berichtet. Die Toten werden häufig besucht, schrieb die taz über ein Gräberfeld in Kiew. Mittlerweile scheinen die Gräberfelder so viel Land zu fressen, dass der Einzelne im massenhaften Sterben seine Identität zu verlieren droht und seine Angehörigen nie erfahren werden, wer wo seine letzte Ruhe findet.
Letzte Ruhe: Russische Gefallene in der Heimat begraben
Das Magazin beruft sich dabei auf den Satellitendienst Maxar – deren Satellitenbildern zufolge sind die Areale vorhandener Friedhöfe auf russisch kontrolliertem Gebiet in der Ukraine oder auf dem Territorium Russlands enorm ausgedehnt worden; teilweise um das Doppelte. Das gilt beispielsweise für den Bogorodskoje-Friedhof in der Nähe der Großstadt Rjasan in Russland; der Business Insider stellt Maxar-Bilder gegeneinander, die einen Zeitraum von Ende Oktober 2021 bis Mitte April 2023 umfassen. Diesen Friedhof bringt Maxar in Verbindung mit der 106. russischen Garde Luftlande-Division. Für diese Einheit wird angenommen, eine Schlüsselrolle der russischen Operationen in der heftig umkämpften Stadt Bachmut gespielt zu haben; mit den entsprechenden Verlusten.
Parallel zu den jetzt veröffentlichten Satellitenbildern werden aktuell wieder verschiedene Zahlen über Opfer des Ukraine-Krieges veröffentlicht, vor allem Verlustmeldungen über Soldaten – am 24. Februar hatte sich der Ukraine-Krieg zum zweiten Mal gejährt; die Wissenschaft argumentiert einhellig: Im Ukraine-Krieg ist kein Ende in Sicht. Vorerst. „Der Kampf werde noch lange vor sich hin simmern“, sagte beispielsweise zuletzt der deutsche Militärhistoriker Sönke Neitzel und bemühte das Bild eines köchelnden Topfes auf kleiner Flamme. Allerdings flammte der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zuletzt noch lichterloh in der Stadt Awdijiwka – Wladimir Putin hat die Stadt jetzt erobert. Offenbar zu einem erschreckend hohen Preis – das bekräftigt auch aktuell die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Geschätzter Zwischenstand: Mehr als 300.000 Soldaten Verlust auf russischer Seite
Ende Januar diesen Jahres nannte dem Blatt zufolge James Heappey, Staatsminister für die britischen Streitkräfte, in einer schriftlichen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage die Zahl von mehr als 350.000 Toten und Verletzten auf russischer Seite. Die New York Times hatte unter Berufung auf die US-Regierung von 120.000 getöteten und 170.000 bis 180.000 verletzten russischen Soldaten geschrieben. Die ukrainische Armee schätzte erst kürzlich, sie habe im Zuge der Invasion mehr als 405.000 russische Soldaten getötet oder außer Gefecht gesetzt. Statistiker halten diese Zahl aber für übertrieben und eher politisch aufgeladen.
Meine news
Menschen in Europa drängen auf eine Verhandlungslösung
Ob der anhaltenden Verluste blicken viele Menschen in Europa einer aktuellen Umfrage zufolge pessimistisch auf die ukrainischen Siegchancen gegen Russland. Wie der European Council on Foreign Relations in Berlin mitteilte, glauben nur zehn Prozent der Befragten der im Auftrag der Denkfabrik durchgeführten Erhebung an einen Sieg der Ukraine. Doppelt so viele rechnen hingegen mit einem russischen Sieg. Die größte Gruppe – 37 Prozent – ist überzeugt, ein Kriegsende werde durch eine Verhandlungslösung erreicht. 41 Prozent der Umfrageteilnehmer wünschen sich von Europa, die Ukraine zu Verhandlungen mit Russland zu drängen. Für die Umfrage wurden den Angaben zufolge im Januar 2024 mehr als 17.000 Erwachsene in zwölf EU-Staaten befragt, darunter in Deutschland, Frankreich, Polen und Schweden.
Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk
Die Analysten von Maxar schließen aus ihren Beobachtungen regional wachsender Friedhöfe auf die Verluste spezifischer Einheiten, da sie vermuten, die Soldaten würden nahe ihren Heimatgarnisonen beigesetzt werden: Maxar liefert beispielsweise Bilder vom Friedhof der Ortschaft Michailowsk in der Nähe von Stawropol in Russland sowie Blyzhnje auf der Krim – auf beiden Friedhöhen sollen laut Maxar Gefallene der 7. Garde-Luftsturm-Division beigesetzt sein.
Michael Zinkanell, Direktor des Austria Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), mahnte gegenüber der Tagesschau einem möglichst nüchternen Umgang mit den präsentierten Zahlen und vermeintlichen Fakten. Seiner Ansicht nach sei aufgrund der Verworrenheit der Ereignisse vor Ort schlichtweg unmöglich seriöse Daten zu erheben. Damit könne die Frage nach der Plausibilität von Truppenbewegungen nur hypothetisch beantwortet werden und die genaue Bezifferung der Verluste – personell wie materiell – sei von keiner Seite möglich, sagt Zinkanell. So lange die Gefechte laufen, werden die Zahlen also vor allem zweckgebunden publiziert werden.
Erschreckender Verdacht: Gefallene Russen werden von eigenen Truppen verbrannt
Zu besonders kritischer Würdigung von Zahlen zu Gefallenen hatte aber schon Ende vergangenen Jahres der Kiew Independent angeregt und damit in Teilen der These von Maxar widersprochen: Um Verluste zu verbergen, sollen russische Streitkräfte tote Soldaten in besetzten ukrainischen Gebieten verbrannt haben, anstatt deren Leichen nach Russland zu transportieren – der Kiew Independent hatte sich dabei auf die stellvertretende ukraine Verteidigungsministerin Hanna Maljar berufen. Laut Maljar wurden beispielsweise in der Nähe der besetzten Stadt Melitopol im Verwaltungsbezirk Saporischschja tote russische Soldaten, wie sie gesagt hatte, „fast ununterbrochen“ eingeäschert. Bewohner hätten über einen längeren Zeitraum hinweg den charakteristischen beißenden Rauch feststellen können.
Immer wieder seit Beginn der Kampfhandlungen wird von Gräbern auch auf ukrainischem Territorium berichtet. Der österreichische Oberst und Militärbeobachter Markus Reisner hatte bereits frühzeitig gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) spekuliert, dass darin eher Kombattanten außerhalb der regulären russischen Streitkräfte beigesetzt seien. „Höchstwahrscheinlich handelt es sich um getötete Kämpfer der Gruppe Wagner, da diese oft keine Angehörigen mehr in der Heimat haben oder mit ihren Familien gebrochen haben und somit in der Ukraine verbleiben“, sagte Reisner dem RND. Seines Wissens nach werden Angehörige der russischen Armee tatsächlich in der Regel nach Russland überführt. Dass gefallene Ukrainerinnen oder Ukrainer in den Einzelgräbern verscharrt würden, hält er dagegen für unwahrscheinlich. „Getötete ukrainische Soldaten werden von den Russen meist massiert in Gruben verscharrt und nicht in solchen Einzelgräbern beerdigt.“