Bauernproteste bei Markus Lanz: „Die Regierung hat den Knall nicht gehört“

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TV-Talk bei Markus Lanz am 9. Januar 2024 © Screenshot ZDF

Markus Lanz und seine Gäste debattieren über Agrardiesel und die mangelnde Kommunikation der Bundesregierung.

Hamburg – Neues Jahr, neue Baustellen: Seit Anfang der Woche protestieren die Bauern gegen Kürzungen in ihrer hochsubventionierten Branche. Ein Thema natürlich auch für und bei Markus Lanz.

Viel Verständnis für die Bauernproteste äußerte Anton Hofreiter von den Grünen, der nicht zuletzt Bundeskanzler Olaf Scholz für den Unmut der Bauern verantwortlich machte. Denn der Kanzler zeige keine Führungsstärke, lasse die Zügel in einer Lage schleifen, in der viele Probleme belasten, etwa Wladimir Putins angeblicher Plan, weitere Länder anzugreifen, wobei die Frage ist, was das mit den Protesten der Bauern zu tun hat.

Anton Hofreiter bei Markus Lanz: Wie ein Außenstehender

Ohnehin agierte Hofreiter bei Markus Lanz im ZDF nicht wie ein Mitglied einer Partei, die an der Regierung beteiligt ist, sondern wie ein Außenstehender. Am Ende sei es die Entscheidung der drei Spitzen – Scholz, Habeck, Lindner – die Entscheidungen treffen, selbst der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sei nur kursorisch über die Entscheidungen informiert worden. So kann man sich natürlich auch aus der Verantwortung stehlen.

Einmal mehr scheint das Problem weniger an den konkreten Entscheidungen zu liegen, als an der Kommunikation der Regierung, wie auch die Journalistin und Volkswirtin Ursula Weidenfeld anmerkte. Die Bundesregierung habe die fraglos notwendigen Kürzungen nicht gut verkauft: „Es war keine faire Entscheidung“. Das sagte Weidenfeld zu den Kürzungen beim Agrardiesel, auch andere Bevölkerungsgruppen hätten ähnlich massiv protestiert, wenn ihnen der Lohn um mehrere Prozent gekürzt würde. Aber warum protestieren die Bauern mit solcher Vehemenz, obwohl in den letzten Jahren etwa die Preise für Milch, Fleisch und Getreide etwa um die Hälfte gestiegen sind?

Ein Drittel EU-Haushaltes geht in die Landwirtschaft

Der Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock erläuterte, warum er die aktuellen Aktionen der Bauern für unverhältnismäßig hält. Das liegt nicht zuletzt an den enormen Summen, die aus deutschen und europäischen Subventionstöpfen an die Bauern fließen. Allein aus der EU sind das inklusive aller Steuersparmöglichkeiten und anderer Zahlungen gut 13 Milliarden Euro. Insgesamt fließen deutlich über ein Drittel des gesamten EU-Haushaltes in die Landwirtschaft, aus dem Bundeshaushalt sind es zusätzlich etliche Milliarden. Ein Biobauer bekommt etwa 220 Euro pro Hektar, dazu Prämien für einzelne Kühe, Schafe, Schweine. Je nach Struktur eines landwirtschaftlichen Betriebs machen Subventionen zwischen 41 und 62 Prozent des Einkommens aus. Auf solche Subventionen zu verzichten, fällt nicht leicht, das ist klar. Im Spiegel vom Dienstag bezeichnete ein Landwirt dieses System und die Schwierigkeit, etwas an ihm zu ändern, treffend so: „Das ist wie bei einem Junkie, dem man den Stoff wegnimmt.“

Dass auch in der Landwirtschaft viel von Transformation, umweltgerechten Höfen, artgerechter Haltung die Rede ist, macht es für die Bauern natürlich einfacher, nach Unterstützung durch den Staat zu rufen. Und andererseits selbst im großen Ganzen eher geringe Einschnitte wie nun beim Agrardiesel abzulehnen. Doch ist das eine Entschuldigung für das, was Wirtschaftsminister Robert Habeck vor einigen Tagen passierte? Ein protestierender Mob verhinderte, dass der aus dem Urlaub zurückkehrende Habeck eine Fähre verlassen konnte. Die Rhetorik wird aggressiver, bei den Bauern-Demonstrationen wurden Galgen gezeigt, mit nicht näher definierten Konsequenzen gedroht.

Markus Lanz im ZDF Die Gäste der Sendung vom 9. Januar 2024
Anton Hofreiter Politiker (B´90/Grüne)
Ursula Weidenfeld Journalistin
Henrik Wendorff Biolandwirt
Sebastian Lakner Agrarökonom

Nur nach mehrfacher Nachfrage schaffte es der Biolandwirt Henrik Wendorff, der seit 2019 auch als Bauernpräsident in Brandenburg agiert, sich von solchen verbalen Exzessen zu distanzieren. Arg populistisch wirkten dagegen Aussagen wie „Die Regierung hat den Knall nicht gehört“ oder „Man hat mit uns nicht kommuniziert“. Eine Einsicht, dass auch in diesem Bereich Einsparungen notwendig sind, zeigte Wendorff nicht.

Zum Ende seiner Sendung brachte Markus Lanz das Thema auf die Verhärtung der Positionen, die in immer mehr Bereichen des Diskurses zu beobachten ist. Aus Prinzip dagegen sein – das sei eine Haltung, die in den USA seit Jahren zunehme und die sich auch in Deutschland immer mehr zeige. Oft irreale Ängste machen sich laut Lanz breit, vor manipulierten Wahlen etwa, dazu reale Sorgen vor Kriegen oder dem Klimawandel. Eine ungute Mischung, die das Vertrauen in die Demokratie zunehmend aushöhlt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern“ warnte Robert Habeck Anfang der Woche in einer Videobotschaft. Hoffentlich wird er gehört, von den Bauern, aber auch von anderen Gruppen der Gesellschaft. (Michael Meyns)

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