Ostersonntag, 20. April, 13 Uhr: Kaum ein Laut ist zu hören auf dem Petersplatz. Dann öffnen sich die schweren roten Vorhänge - und lauter Jubel bricht los, wie in Videos zu sehen und zu hören ist. Zehntausende Gläubige drängen sich dicht an dicht. Stundenlang haben sie in der Sonne ausgeharrt, in der Hoffnung, die Stimme des Papstes zu hören. Erst ganz zum Schluss der Ostermesse ist es soweit: Papst Franziskus erscheint auf dem Balkon.
Geistliche schieben den Pontifex im Rollstuhl hinaus. Franziskus wirkt erschöpft. Sein Blick ist müde, der Kopf leicht gesenkt. Für einen Moment hebt er die Hand zum Gruß, doch sein Winken ist kaum mehr als eine Geste. Mit brüchiger Stimme krächzt ruft er „Frohe Ostern“ ins Mikrofon. Seine Begleiter unterstützen ihn, wo sie können. Sie halten ihm das Mikro zum sprechen und Wasser zu trinken hin.
Beim letzten Segen versagt ihm die Stimme
Für die Osterbotschaft selbst fehlt ihm die Kraft. Zeremonienmeister Diego Ravelli liest die Worte für ihn vor – eine Mahnung zum Frieden, ein Appell gegen das globale Wettrüsten. Währenddessen sitzt Franziskus still im Rollstuhl, kaum fähig, seine Augen offen zu halten. Zum traditionellen „Urbi et Orbi“-Segen sammeln sich die hohen Geistlichen erneut um ihn, halten Mikrofon und Mappe bereit.
Papst Franziskus versagt offensichtlich die Stimme, kaum hörbar und in verkürzter Fassung spendet er den letzten Segen der Messe. Danach lässt er sich im Papamobil über den Petersplatz fahren. Ein letztes Mal.
Keine 24 Stunden später ist Papst Franziskus tot. Das Oberhaupt der katholischen Kirche starb am Ostermontag um 7.35 Uhr im Alter von 88 Jahren, wie der Vatikan wenige Stunden später mitteilte. Eine offizielle Todesursache wurde zunächst nicht genannt.
Laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa wird in Kirchenkreisen eine Hirnblutung als mögliche Ursache vermutet. Die Tageszeitung La Repubblica beruft sich auf Ärzte des Gemelli-Krankenhauses: Franziskus habe „wahrscheinlich“ einen Schlaganfall erlitten, sei aber friedlich eingeschlafen.
Papst litt unter lebensbedrohlicher Lungenentzündung
Der Vatikan will sich erst am Abend zu den genauen Umständen äußern. Erste Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass die Todesursache nicht direkt mit seiner jüngsten Lungenentzündung zusammenhängt. Erst im Frühjahr war Franziskus im Gemelli-Krankenhaus wegen einer lebensbedrohlichen Infektion behandelt worden. Beide Lungenflügel waren betroffen – eine polymikrobielle Entzündung, verursacht durch mehrere Erreger gleichzeitig. Nur knapp entging er im Frühjahr dem Tod.
Die Ärzte hatten ihn fast aufgegeben. Nach 38 Tagen – seiner längsten Abwesenheit vom Vatikan – wurde er schließlich entlassen. Trotz verordneter Ruhezeit zeigte sich Franziskus weiterhin in der Öffentlichkeit: Er segnete Kinder, empfing Politiker, sprach mit Gläubigen. Doch immer im Rollstuhl, mit Sauerstoffflasche und Nasenkanüle.
Bereits seit Jahren war der Papst gesundheitlich stark angeschlagen. Im Sommer 2021 musste er sich einer Darmoperation unterziehen. Hinzu kam ein chronisches Knieleiden, das ihm das Gehen nahezu unmöglich machte. Im Frühjahr 2023 folgte erneut eine schwere Lungenentzündung, kurz darauf eine weitere Operation am offenen Bauch – unter Vollnarkose.
Ein Pontifikat bis zur letzten Stunde
Auch wenn der Körper von Papst Franziskus immer schwächer wurde, zeigte der Argentinier viel Willenskraft und meldete sich bis zuletzt regelmäßig zu Wort - zu Glaubensfragen, aber auch zu globalen Krisen. Im Herbst 2024 schloss er eines seiner Herzensprojekte ab: die Weltsynode, eine weltweite Bestandsaufnahme der katholischen Kirche, bei der erstmals auch Frauen offiziell mitberaten durften.
Konkrete Reformen blieben zwar aus, doch allein die Öffnung des Diskurses galt vielen als historisch. Andere Vorhaben, wie eine neue Verfassung für den Vatikan, konnte Franziskus in seinem Pontifikat noch umsetzen.
Er blieb ein Papst der Gesten - klar in der Botschaft, zurückhaltend im Stil. So auch in seinem letzten Willen: Franziskus wollte nicht in der Gruft des Petersdoms beigesetzt werden, wo viele seiner Vorgänger ruhen. Stattdessen wählte er die römische Wallfahrtskirche Santa Maria Maggiore in der Nähe von Roms Hauptbahnhof zu seiner letzten Ruhestätte.
Eine Entscheidung, die der Vatikanexperte Marco Politi im Gespräch mit dem “Spiegel” als „bescheidene und selbstbewusste Geste“ bezeichnete. Schon zu Lebzeiten hatte Franziskus angedeutet, dass er Santa Maria Maggiore als seinen persönlichen Wallfahrtsort betrachte - fernab der großen Papstgräber, nah bei den Menschen. Eine stille Botschaft, so einfach wie kraftvoll. Wie sein Leben.