Eine Vermisstenfahndung, die keiner mehr einfangen kann: Warum die Polizei vor privaten Such-Postings warnt

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Eigenmächtige Suchappelle in Sozialen Medien, etwa bei Facebook, zu posten - davon rät die Polizei dringend ab. (Symbolbild) © afo

Der aktuelle Vermissten-Fall einer 16-Jährigen zeigt, warum eigentlich gut gemeinte private Online-Aufrufe am Ende zum Problem werden können.

Langenbach - Eine Vermisstensuche mit Bezug zu Langenbach kursiert derzeit in sozialen Netzwerken und Messengern: In den Veröffentlichungen aus dem Umfeld eines 16-jährigen Mädchens sind mehrere Porträtfotos zu sehen, dazu Teile eines Reisepasses samt Daten. Daneben steht: „Sie war gestern auf dem Weg zu ihrem ersten Berufsschultag in Landshut, da kam sie leider nicht an. Letzte Ortung des Handys war um 11.36 Uhr im Bereich Augsburg.“

In einem der Posts wird verzweifelt appelliert: „Bitte komm nach Hause wir vermissen dich so sehr.“ Am Donnerstagabend heißt es in einem neuen Facebook-Post, dass sich das Mädchen gemeldet habe, jedoch noch nicht zu Hause sei, und dass die 16-Jährige ihren Aufenthaltsort nicht nennen wolle. Mittlerweile wird darum gebeten, den Suchaufruf nicht mehr zu verbreiten.

Nach wenigen Tagen schon zehntausendfach geteilt

Am Freitagvormittag ist einer der ursprünglichen Suchaufrufe bei Facebook schon zehntausendfach in ganz Deutschland geteilt, in Kommentaren drücken User ihr Mitgefühl mit der Familie und ihre Hilfsbereitschaft aus. Manche Kommentatoren melden sich allerdings auch kritisch zu Wort. Sie äußern zwar Verständnis für die hilflose Lage der Angehörigen, fragen aber auch nach der offiziellen Vermisstenmeldung der Polizei und warnen vor negativen Folgen einer unkontrollierten, privaten Öffentlichkeitssuche. In einer Diskussion wird als Argument von anderen Usern die Beteiligung des Radiosenders Antenne Bayern als Legitima㈠tion angemerkt, doch auf dessen Seiten findet sich keine entsprechende Meldung. Vielmehr hat eine Angehörige in ihrem Facebook-Suchappell Antenne Bayern markiert, was keiner Zustimmung der Seitenbetreiber bedarf.

Unsere Zeitung hat bei der Polizei nachgefragt. Zunächst wurde in der für Langenbach zuständigen PI Freising mitgeteilt, dass die Kollegen in Rottenburg/Laaber (Kreis Landshut) den Fall bearbeiten würden, wegen des eigentlichen Wohnsitzes der 16-Jährigen. In der dortigen Inspektion erklärt ein Sprecher, dass man zwar die Anzeige bearbeite. „Wir haben uns aber gegen eine Öffentlichkeitsfahndung entschieden und daher auch keine Presse kontaktiert.“ Die Vermisstensuche sei über die Familie öffentlich geworden, die Polizei könne keine weiteren Auskünfte erteilen.

„Posts entwickeln eine Eigendynamik und führen oft nur zur Verwirrung“

Freisings stellvertretender Inspektionsleiter Hans-Jürgen Hintermeier erklärt, warum die Polizei von privaten Suchaufrufen dringend abrät: „Solche Posts entwickeln eine Eigendynamik und führen oft nur zur Verwirrung sowie einer Fülle an undefinierten Hinweisen, die dann von uns trotzdem abgearbeitet werden müssen“, so Hintermeier. „Sonst sind wir dem Vorwurf ausgesetzt, dass wir nicht tätig werden.“

Ein weiteres Problem sieht er vor allem in verletzten Persönlichkeitsrechten: „Wenn es sich um Erwachsene handelt, haben die ein eigenes Aufenthaltsbestimmungsrecht. Den Leuten ist es oft gar nicht recht, dass öffentlich nach ihnen gesucht wird.“ Die Polizei könne zudem erst dann tätig werden, wenn eine konkrete Gefahr oder ein Hinweis auf eine Straftat vorliege.

„Nicht einfach Daten öffentlich verbreiten, die ich nie mehr einfangen kann“

Hintermeier weiter: „Wenn es sich um Minderjährige handelt, haben die Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Trotzdem muss man sich auch hier bewusst sein, dass das Netz nichts vergisst. Ich kann nicht einfach Daten öffentlich verbreiten, die ich nie mehr einfangen kann.“ Er warnt davor, jungen Menschen etwas zu verbauen, „in dem man Sachen postet, die der Person später mal bei der Arbeitssuche oder im Berufsleben auf die Füße fallen“.

Wer eine Vermisstensuche verbreiten will, dem empfiehlt Hintermeier als Quelle die Internetseiten und Social-Media-Auftritte der Polizei. Auch das Freisinger Tagblatt veröffentlicht nur offizielle Fahndungsaufrufe der Polizei und entfernt Personendaten und Fotos aus den Onlineartikeln, sobald die Suche abgeschlossen ist.

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