Eigene Mitarbeiter warnen ARD, ZDF und Co. – Experte rügt „Linksschiefe“ auf fast allen Kanälen
Angestellte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vermissen Ausgewogenheit in den Anstalten. Experte Jürgen Falter spricht von „politischer Linksschiefe“.
Berlin – Läuft etwas falsch bei ARD, ZDF und den verbundenen Sendern? Das behaupten etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rundfunkanstalten, die sich in einem „Manifest“ für „einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ aussprechen. Der Vorwurf: Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) sinkt, Zweifel an der Ausgewogenheit der Berichterstattung wachsen und zwischen Programmauftrag und Umsetzung entsteht eine immer größere Lücke. Politik- und Medienexperte Jürgen Falter hält die Kritik in Teilen für angebracht. Er fordert im Gespräch mit IPPEN.MEDIA jedoch andere Reformen als die im „Manifest“.
ARD, ZDF und Deutschlandradio: Mitarbeiter schreiben „Manifest“ gegen „Meinungsmache“
„Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur.“ So beginnen die Initiatorinnen und Initiatoren, die teilweise öffentlich auftreten und teilweise anonym bleiben, ihr „Manifest“ für einen neuen ÖRR. Sie sehen den Programmauftrag und die im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätze des ÖRR in Gefahr. So beobachten die Autorinnen und Autoren eine „Eingrenzung des Debattenraums“, ein Verschwimmen von „Meinungsmache und Berichterstattung“ sowie zu wenig „inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen“.
Doch was ist von dieser Kritik zu halten? Plumpe Kritik gegen den ÖRR sieht anders aus, schließlich sprechen sich die Autorinnen und Autoren für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Für den Politikwissenschaftler und emeritierten Professor Jürgen Falter haben die Kritikerinnen und Kritiker durchaus einen Punkt. „Dass die Grundsätze und der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gefahr seien, ist sehr stark formuliert, tendenziell aber richtig“, sagt Falter gegenüber IPPEN.MEDIA.
Kritik an Sendern um ARD und ZDF: Anhänger des „Haltungsjournalismus“ dabei
Bereits in der Vergangenheit wurden immer wieder Stimmen laut, die einen „zu linken“ ÖRR beklagten. Auch Falter zufolge gibt es dort „Journalisten, die dem Ideal des Haltungsjournalismus anhängen. Sie wollen Flagge zeigen und mithilfe Ihrer Beiträge die Welt verbessern.“ Mit Ausnahme des BR und des MDR sieht der Wissenschaftler bei vielen Funkhäusern eine „gewisse politische Linksschiefe“. Auch eine 2024 erschienene Studie der Uni Mainz, die die Berichterstattung vieler Medienportale analysierte, kam zum Ergebnis, dass ÖRR-Portale mehrheitlich im eher linken und sozialstaatsorientierten Spektrum angesiedelt sind. Damit hängt Falter zufolge auch der im „Manifest“ beschriebene Vertrauensverlust der Menschen in den ÖRR zusammen.
Die vorgeworfene fehlende Ausgewogenheit schlägt sich laut „Manifest“ im Programm nieder. Das beobachtet auch Politikwissenschaftler Falter. „An vielen Stellen ist die Haltung des jeweiligen Redakteurs spürbar. Beispielsweise in der Berichterstattung über die Klimapolitik oder den Gaza-Krieg“, sagt der Wissenschaftler. „Die Meinung der Zuschauer lässt sich durch die Auswahl der gesendeten Bilder beeinflussen, zum Beispiel damit, dass ein Beitrag über den Gaza-Krieg mit Bildern aus Gaza oder mit Bildern von Opfern der Hamas-Gewalt aufgemacht wird.“
Meine news
Reformen für ARD, ZDF: Experte Falter sieht „Manifest“-Vorschläge aber kritisch
Wegen des durchaus schwerwiegenden Vorwurfs der fehlenden Ausgewogenheit im ÖRR formulieren die Initiatoren des „Manifests“ deshalb Forderungen für Reformen. Sie wollen etwa Beitragszahlerinnen und Zahler über Kontrollgremien besser in die Programmgestaltung einbinden. Für Falter eine schwer umsetzbare Idee: „Der Gedanke von mehr Beteiligung ist nicht verkehrt, ich stelle ihn mir in der praktischen Durchführung aber schwierig vor. Denkbar wäre eine zufällige Auswahl nach Art der Bürgerräte, die Idee müsste jedoch noch genauer ausformuliert werden.“ Der Experte verweist darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Rundfunkräten bereits indirekt beteiligt sind.
Auch die Forderung im „Manifest“ nach transparenteren Finanzflüssen in den Rundfunkanstalten hält Falter für nicht optimal und verweist auf schon geschehene Aufklärung nach diversen Skandalen im ÖRR. „Die Intendantengehälter sind inzwischen bekannt. Ich bin skeptisch, ob jeder wissen muss, was ein Redaktionsleiter beim ZDF verdient. Das tangiert den Privatbereich der Menschen.“
Öffentlich-Rechtliche sollten Nachwuchs „nicht so einseitig“ rekrutieren
Abseits des „Manifests“ sieht Falter künftig vor allem in der Personalplanung der Rundfunkanstalten Chancen für mehr Ausgewogenheit. „Bei der Rekrutierung des Nachwuchses sollte künftig mehr darauf geachtet werden, dass er sich politisch nicht so einseitig zusammensetzt.“ Falter verweist dabei jedoch auf generelle Strukturen der Branche. „In den Journalismus zieht es vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftler, und das sind mehrheitlich Menschen, die sich eher links verorten.“