Ewige Ampel-Zwietracht: Scholz zeigt sich reumütig – doch Habeck rüpelt weiter gegen Lindner
Kanzler Scholz übt Selbstkritik angesichts des Zustands der Ampel-Koalition, sieht aber die wichtigsten Konflikte geklärt. Doch ein Kommentar Habecks lässt tief blicken.
Berlin – Als großer Kommunikator ist Kanzler Olaf Scholz nicht bekannt. Dem Streit seiner Minister sieht er – zumindest nach außen hin – meist schweigend zu. Und wenn Scholz etwas sagt, wirkt es häufig sperrig und floskelhaft. Einblick in sein Innenleben hat der Bundeskanzler nun in einem großen Interview gewährt. Dabei übt er sich auch in Selbstkritik. „Auch ich kenne Selbstzweifel“, so Scholz kritisch.
„Es trägt nicht gerade zum Sicherheitsgefühl bei, wenn diejenigen, die regieren, zu oft miteinander streiten“, so Scholz in der Wochenzeitung Die Zeit. Dafür trage er als Bundeskanzler „die Verantwortung“. Es sei zu selten gelungen, sich ohne „langwierige öffentliche Auseinandersetzungen“ zu einigen. „Das müssen wir uns ankreiden lassen.“
Scholz glaubt aber offenbar, dass es in Zukunft besser wird: Die Koalition aus den drei sehr unterschiedlichen Parteien SPD, Grünen und FDP habe ihre wichtigsten Streitpunkte „weitgehend miteinander ausverhandelt“, behauptet er.

Scholz sieht größte Streitpunkte beendet – Zoff zwischen Habeck und Linder geht weiter
Doch ist der ewige Zoff wirklich beendet? In einem Interview, das Wirtschaftsminister Robert Habeck Anfang der Woche gab, klingt das anders. Habeck machte öffentlich seinem Ärger Luft.
Gegenüber dem Handelsblatt kritisierte Habeck Politiker, die immer nur Entscheidungen treffen würden, die sie von einer Wahl in die nächste retteten, das Land aber nicht veränderten. „Wenn wir aber nur noch Entscheidungsträger wählen, für die ihre eigene Popularität das Wichtigste ist, aber nicht, was aus dem Land in den nächsten zehn Jahren wird, dann habe ich keinen Bock mehr“, so der Vize-Kanzler.
Der Kommentar folgte auf die Frage, ob FDP-Finanzminister Lindner zugunsten von Investitionen die Schuldenbremse lockern soll – ist also ein Direktangriff auf den Koalitionspartner. Die FDP steht in Umfragen schlecht da wie selten, muss vor den Landtagswahlen im Herbst befürchten, aus Landesparlamenten zu fliegen. Mit einem Ablassen von der Schuldenbremse würde Lindner wohl noch mehr Wählerinnen und Wähler verprellen.
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Auch der nächste Konflikt ist am Laufen: FDP und Grüne zoffen sich um den Kinderfreibetrag, den der FDP-Finanzminister erhöhen will. SPD und Grüne sind dagegen.
Scholz verspürt Wunsch, auf den Tisch zu hauen und sieht sich als zäher Kämpfer
Warum er als Kanzler nicht mal auf den Tisch haue, wird Scholz in der Zeit gefragt. „Den Wunsch kann ich gut nachvollziehen, ich verspüre ihn selbst“, antwortet Scholz. Doch „die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland“ sehe Auf-den-Tisch-Hauen „nicht so richtig vor“. Denn regiert werde in Koalitionen, in denen man Kompromisse finde. „Mein Kurs ist aber klar. Ich bin ein zäher Kämpfer“, verspricht Scholz.
Dass die Bevölkerung nicht zufrieden ist mit der Politik der Ampel-Regierung, zeigen Umfragen: Auch in einer neuen Befragung sind führende Köpfe der Regierung so unbeliebt wie nie. Vor allem Scholz, Habeck und Lindner verlieren an Rückhalt. In den Parteizentralen dürften angesichts dieser Zahlen Krisenstimmung herrschen.
Scholz über „Märchen“, er wolle aufgeben als Kanzler
Ist es da überhaupt noch sinnvoll, in dieser Regierung weiterzumachen – oder hat Scholz in den vergangenen Wochen auch mal ans Aufhören gedacht? Berichte, er hätte überlegt, die Vertrauensfrage zu stellen, bezeichnet Scholz als „Märchen“. Ans Aufhören habe er nie gedacht.
Dass es die Regierung nach dem Haushaltsurteil letztlich „hingekriegt“ habe, „einen ordentlichen Haushalt aufzustellen“, mache ihm Hoffnung. Die Regierung könne sich das Vertrauen der Leute wieder zurück erkämpfen, glaubt Scholz. (smu)