Habeck braucht Milliarden für die Energiewende: „Dann habe ich keinen Bock mehr“

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Robert Habeck feilt schon lange an zwei zentralen Strategien für die Energiewende: die Kraftwerksstrategie und die Carbon Management Strategie. Dafür braucht es aber viel Geld.

Berlin – Seit Monaten wartet die deutsche Wirtschaft auf zwei ganz wesentliche Pläne aus dem Wirtschaftsministerium, die die Weichen für die Energiewende stellen sollen. Zum einen ist es die Kraftwerksstrategie, die die Energieversorgung im Land langfristig sichern soll. Zum anderen die Carbon Management Strategie, die den Weg für CO₂-Speicherung hierzulande freimachen soll. Beides musste wegen des Haushaltsurteils im November hintangestellt werden.

Doch jetzt will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wieder in die Gänge kommen. Im Interview mit dem Handelsblatt im Rahmen des Handelsblatt-Energie-Gipfels versprach Habeck, dass es „zügig“ eine Lösung geben würde. Doch dafür braucht es mal wieder Geld, das der Finanzminister freimachen müsste.

Habecks Kraftwerkstrategie soll Kohleausstieg ermöglichen

Die Kraftwerksstrategie der Ampel-Koalition ist schon lange angekündigt und ist Teil des Plans, früher aus der Kohle auszusteigen. Demnach soll die Kohle früher mit neuen Gas-Kraftwerken ersetzt werden, die schrittweise auf klimafreundlicheren Wasserstoff umgebaut würden. Man will also massiv in den Ausbau dieser Kraftwerke investieren, um so früher als geplant aus der Kohle auszusteigen. Der Kohleausstieg ist gesetzlich bis 2038 vorgesehen.

Mit den neuen Gaskraftwerken soll die Energieversorgung in Deutschland in Zeiten sogenannter „Dunkelflauten“ gesichert werden. Also: Wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, würde Gas (und später Wasserstoff) die Alternative sein.

Soviel also zum Plan, der aber mal wieder darauf beruhte, dass im Klima- und Transformationsfonds (KTF) viel mehr Geld sein würde, als seit dem Gerichtsurteil in Karlsruhe wirklich zur Verfügung steht. Denn damit Energieversorger das nötige Geld in den Bau neuer Kraftwerke investieren, müssen sie sich sicher sein, dass sich das auch rentieren wird. Da sollte die Bundesregierung mit Zuschüssen einspringen, die das attraktiver machen. Im Handelsblatt-Interview sagt Habeck konkret: „Meine Idee wäre, dass man einen Teil der Investitionskosten bezuschusst sowie einen Teil der Betriebskosten, damit die Kraftwerke eine bestimmte Zahl an Stunden im Jahr laufen, um Erfahrungen zu sammeln.“

Habeck weicht bei Frage nach der Schuldenbremse aus

Es geht also mal wieder um Milliarden, die der Finanzminister Christian Lindner (FDP) hier lockermachen müsste. Darauf angesprochen, ob er jetzt wieder für eine Aussetzung der Schuldenbremse plädieren würde, sagte Habeck ausweichend: „Was heißt Schuldenbremse? Wir brauchen eine ehrliche Debatte darüber, wie wir dieses Land nach vorn bringen können.“ Und er schießt gegen Politiker, die immer nur Entscheidungen treffen, die sie von einer Wahl in die nächste retten – das Land aber nicht wesentlich verändern würden.

„Wenn wir aber nur noch Entscheidungsträger wählen, für die ihre eigene Popularität das Wichtigste ist, aber nicht, was aus dem Land in den nächsten zehn Jahren wird, dann habe ich keinen Bock mehr“, so der Wirtschaftsminister.

Robert Habeck Bundeswirtschafts- und Klimaminister (Gruene) telefoniert laessig an die Wand gelehnt kurz vor der Sitzung des Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestag in Berlin
Robert Habeck, Bundeswirtschafts- und Klimaminister (Grüne), telefoniert kurz vor der Sitzung des Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestag in Berlin © IMAGO/ Political-Moments

Seit Wochen und Monaten lassen auch führende Wirtschaftsvertreter verlautbaren, dass endlich die Rahmenbedingungen für den Bau neuer Kraftwerke stehen müssen, wenn die Energiewende wirklich vorankommen soll. So sagte jüngst der Chef des Energieunternehmens Uniper, Michael Lewis: „Ohne festen Rahmen wird niemand in Deutschland in neue Gaskraftwerke investieren“, sagte er Mitte Januar der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV).  Und Industriepräsident Siegfried Russwurm kritisierte im Dezember: „Es ist höchst ärgerlich, dass wir in die Situation kommen könnten, Kohlekraftwerke länger weiterbetreiben zu müssen, weil es keine ausreichenden anderen Reservekapazitäten gibt.“

CCS in Deutschland: Habeck will CO₂ unter dem Meer speichern

Auch andere Branchen vertagen wichtige Investitionen in klimaneutrale Lösungen, weil ihnen die politischen Antworten fehlen. Während Energieversorger auf die Kraftwerksstrategie warten, wird an anderer Stelle auf die Carbon Management Strategie gehofft. Speziell geht es dabei um die Möglichkeiten, CO₂, das nicht vermieden werden kann (z.B. bei der Zementherstellung oder der Müllverbrennung), stattdessen abzuscheiden und unterirdisch zu lagern. Dieses Verfahren nennt sich Carbon Capture and Storage (CCS).

Im Handelsblatt-Interview sagt Habeck dazu: „Da passiert politisch gerade viel. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass meine Partei im November gesagt hat, wir finden es richtig, dass man CCS macht. Dass Umweltverbände, die nicht bekannt dafür waren, das richtig zu finden, das ebenfalls unterstützen. Und das ist auch richtig so.“ Er würde gerne CO₂ unter dem Meeresboden verstauen, auch auf deutschem Gebiet, was aktuell noch verboten ist. „Lieber CO₂ im Boden als in der Atmosphäre“, so Habeck.

Doch auch um diese Technologien in Deutschland umzusetzen, wird es viel Geld kosten – Geld, das Finanzminister Lindner nicht hat. Erst vor einer Woche, beim Weltwirtschaftsforum in Davos, bekräftigte Lindner seine Position zur Einhaltung der Schuldenbremse. „Ich kann mir gegenwärtig keine [Ausnahme] vorstellen. Momentan sehe ich nichts, was das rechtfertigen könnte.“

Lindner kann für den Bundeshaushalt 2024 mit einer Neuverschuldung von bis zu 39,028 Milliarden Euro planen und damit nach derzeitigem Stand die Schuldenbremse im Grundgesetz rechnerisch das erste Mal seit 2019 einhalten.

Mit Material von Reuters 

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