Jeder Tropfen zählt: Wie deutsche Städte bald ihren Regen ernten
Dürre ist nicht gleich Dürre. Unterschiedliche Formen von Trockenheit können ganz verschiedene Folgen speziell für urbane Regionen mit sich bringen. Wenn es über viele Wochen und sogar Monate unterdurchschnittlich wenig regnet, spricht man von der „klassischen“ Dürre. Sie verursacht eine Wasserunterversorgung der urbanen Vegetation: Park- und Straßenbäume geraten in Wasserstress, fangen an, nicht mehr versorgte Äste oder Teile der Krone abzuwerfen, und Grasflächen werden erst gelb und dann braun.
Der Wasserstress macht Stadtbäume besonders vulnerabel für Stürme, wo es zu noch mehr gefährlichem Astabbrüchen kommen kann, als bei Stürmen, welche nicht innerhalb einer Dürre auftreten. Weiterhin wirken sich langhaltende Dürren negativ auf die Grundwasserneubildung aus, und könnte die öffentliche Trinkwasserversorgung, welche in vielen Teilen Deutschlands vom Grundwasser abhängig ist, beeinträchtigen.
Austrocknen im strahlend blauen Himmel
Diese Art von Dürre ist zu unterscheiden von den sogenannten „Blitzdürren“, bei welchen es innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen zu besonders hohen Verdunstungsraten kommt und dem Oberboden besonders schnell die Feuchtigkeit entzogen wird. Dieses Wettergeschehen ist oft gekennzeichnet von strahlend blauem Himmel, und damit sehr hoher Globalstrahlung, erhöhten Temperaturen oder Hitzewelletagen, niedriger Luftfeuchte und anhaltendem Wind.
Blitzdürren verursachen ein rapides Austrocknen der oberen Bodenzone, und führen wie die klassische Dürre zu einer Unterversorgung der urbanen Vegetation und damit zu dem wie oben beschriebenen Schadenspotenzial – nur in wesentlich kürzerer Zeit.
Und zuletzt treten immer öfter längere Trockenperioden auf, bei welchen es innerhalb von zwei, drei oder mehr Wochen nicht wenig, sondern (fast) gar nicht regnet. Diese Trockenperioden sind nicht unbedingt für die Versorgung von urbanen Pflanzen und die Bevölkerung relevant und können durchaus in Phasen auftreten, wo es kurz vor oder nach der Trockenperiode viel regnet.
Eva Paton ist stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Institutes für Ökologie an der Technischen Universität (TU) Berlin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich unter anderem mit der Analyse von Blitzdürren und Starkregen sowie der Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen für Wasserextreme.
Schmutz unter der Oberfläche
Eine besondere Brisanz bekommt eine Trockenperiode, wenn sie direkt von einem Starkregen gefolgt wird. Hier kommt die Akkumulation von Schmutzstoffen in Städten zum Spiel, wo sich auf versiegelten Flächen wie zum Beispiel Straßenoberflächen, eine Vielzahl an Schmutzstoffen wie Schwermetalle, Gummiabrieb, organische Substanzen oder Öle angesammelt haben. Bei einem Starkregen nach einer längeren Trockenperiode werden diese abgespült und – oft ungereinigt – als stark kontaminierter Spülstoß direkt in die Oberflächengewässer eingeleitet.
Man bezeichnet diese hintereinander geschachtelten Ereignisse (Starkregen nach Trockenperiode) auch als Compound-Ereignisse. Eine Reihe an Analysen hat gezeigt, dass diese Compound-Ereignisse derzeit zunehmen, so dass anzunehmen ist, dass auch die Anzahl an besonders stark verunreinigten Spülstößen zunimmt, und die Wasserqualität in urbanen Gewässern abnimmt.
Schwammstädte und Regenernte
Ob klassische Dürre, Blitzdürre oder Trockenperiode: Alle drei Arten von Dürren nehmen zu und belasten den urbanen Raum. Entscheidungsträger kommen in die Verantwortung, Anpassungen zu planen und umzusetzen. Eine Möglichkeit ist der wassersensible Stadtumbau, unter dem Stichwort Schwammstadt bekannt, welcher mit einer Toolbox von blau-grünen Maßnahmen die Stadtentwässerung dezentralisieren und an Extremereignisse anpassen soll.
Ein Ansatz in dieser Toolbox ist die Speicherung und spätere Nutzung der Niederschläge, wo sie herunterkommen, als Bewässerungswasser oder als Brauchwasser in den Haushalten. Im englischen Sprachraum spricht man von „Rainwater Harvesting“, dem sogenannten „Regenernten“.
Zum Regenernten braucht man eine Auffangfläche, welche möglichst wenig verschmutzt sein sollte, und einen Speicherbehälter. Auffangflächen sind so vielfältig wie der Stadtraum selbst und umfassen Dächer von Wohnhäusern, Bürogebäuden, Schulen, Sportanlagen, Flughäfen, Haltestellen, Denkmälern oder Überdachungen. Einhergehend mit einer schlechteren Wasserqualität ist auch Regenernten auf Gehwegen, Stellflächen und weniger stark befahrenen Straßen möglich.
Die Wasserqualität ist ausschlaggebend für die weiteren Nutzungsmöglichkeiten des geernteten Regens. Kontaminationen von geerntetem Regenwasser haben zu einem kleineren Teil ihren Ursprung durch das Auswaschen von Luftverschmutzungen, zu einem größeren Teil durch das Abwaschen von Schmutzstoffen, welche sich auf den Auffangflächen abgelagert hat, zum Beispiel Exkremente von Vögeln.
Kein Ersatz für Trinkwasser
Trinkwasserqualität ist in keinem Fall gegeben, und in Europa ist solche Nutzung von geerntetem Wasser explizit nicht erlaubt. In anderen Ländern, zum Beispiel Australien, hingegen schon. Aufgefangenes Niederschlagswasser darf man auf keinen Fall ungereinigt trinken, da die enthaltenen Keime ernsthafte Erkrankungen wie etwa Magen-Darm-Infektionen versuchen können. Eine Nutzung von wenig verschmutzen Niederschlagswasser für die Toilettenspülung, Wäschewaschen und zur Bewässerung ist in den meisten Fällen problemlos möglich.
Das aufgefangene Niederschlagswasser wird in Speicherbehältern gesammelt und steht nun für trockenere Phasen zur Verfügung. Einen einfachen Speicherbehälter im Garten oder Hinterhof aufzustellen, volllaufen zu lassen und das gesammelte Wasser zum Gießen zu nutzen ist einfach umsetzbar.
Schwieriger wird es, wenn man zuverlässig über das ganze Jahr hinweg (zur Nutzung für Toilettenspülung oder Wäschewaschen) oder über die Vegetationsperiode in den Sommerperioden (zur Bewässerung) ausreichend Wasser im Speicher haben möchte. Da gilt es, das System Auffangfläche-Speicher mit hydrologischen Speichermodellen zu optimieren, wobei die jährlichen und jahreszeitlichen Niederschlagsschwankungen berücksichtigt werden müssen.
Großer Speicher trotz wenig Regen
Nur circa 70 Prozent des Jahresniederschlages können überhaupt genutzt werden, da der Rest in Form von Nieselregen oder Schnee nicht abfließt und daher nicht aufgefangen werden kann. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, wie der Niederschlag über das Jahr verteilt fällt. Regnet es regelmäßig, zum Beispiel jede Woche einmal, braucht man einen kleinen Speicher. Regnet es über längere Zeiträume nicht, aber dann mehrfach hintereinander und sehr stark, braucht es einen großen Speicher.
Bei der Dimensionierung von Speichern ist natürlich auch darauf zu achten, dass oft nur wenig Platz im stark verdichteten Stadtbereichen zur Verfügung steht. Letztendlich stellt das Regenernte nur bedingt eine Substitution zu unserer Trinkwasserversorgung dar – bietet aber auch die Chance, die Wasserversorgung von Städten im Klimawandel resilienter zu machen.
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