Wie bezahlen wir Klimaschutz im Ausland? Fragt doch die Migranten

Die Entwicklungshilfe steht in Deutschland und anderen westlichen Ländern zunehmend in der Kritik – nicht zuletzt angesichts maroder Infrastruktur im eigenen Land und altbekannter Vorurteile über die Wirksamkeit der Hilfe (Stichworte: Korruption, ineffiziente Mittelverwendung).

Die seit Montag in Sevilla tagende Vierte Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung ist zu einer Art Krisengipfel geworden: Viele Staaten, darunter auch Deutschland, haben ihre Hilfszahlungen zum Teil stark reduziert. In den USA wurde die Entwicklungsagentur USAID de facto sogar ganz aufgelöst. 

Dabei besteht unbestritten ein erheblicher Bedarf an Mitteln im Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten. Vor allem aber stellen die Folgen des Klimawandels eine immer größere Herausforderung für ärmere Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika dar. Massive Wirbelstürme, Dürren oder der Anstieg des Meeresspiegels gefährden nicht nur Menschenleben, sondern wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Frieden und politische Stabilität. Wird der Kampf gegen die Erderwärmung vernachlässigt, könnten sich die Folgen insbesondere im sogenannten Globalen Süden verstärken und letztlich auch Europa betreffen.

Dr. Benjamin Schraven ist Entwicklungsforscher und berät als Migrationsexperte unter anderem die Europäische Union, die Vereinten Nationen und die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Fragen zu Flucht und Migration.

Industrieländer lösen ihr Versprechen nicht ein 

Doch die internationale Klimafinanzierung leidet ebenso unter erheblichen Schwächen: Das Versprechen der Industrieländer, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Maßnahmen in Entwicklungsländern bereitzustellen, wurde bislang nicht verlässlich eingehalten. Zudem besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen, also der Reduktion von Treibhausgasemissionen, und Programmen zur Anpassung an den Klimawandel. 

Letztere sollen die Widerstandsfähigkeit von Menschen, Infrastrukturen und Ökosystemen gegenüber klimatischen Veränderungen stärken, bleiben dabei aber chronisch unterfinanziert. Weitere Hindernisse sind die bislang unzureichende Mobilisierung privater Investitionen, bürokratische Hürden sowie die fehlende Klarheit darüber, was überhaupt als „Klimafinanzierung“ gilt und was nicht.

Vor diesem Hintergrund wird die Kritik an der klassischen Entwicklungshilfe häufig auf die internationale Klimafinanzierung übertragen: Hohe finanzielle Belastungen der Steuerzahler trotz innenpolitischer Probleme, Zweifel an Effizienz und Transparenz, überbordende Bürokratie, Korruptionsrisiken – die Argumente ähneln sich. Deshalb fordern insbesondere konservative und liberale Stimmen einen stärkeren Fokus auf marktwirtschaftliche Ansätze und private Investitionen. Unabhängig davon, wie man zur Kritik an der staatlichen Klimafinanzierung und der Entwicklungszusammenarbeit steht: Das Potenzial für privates Engagement ist zweifelsohne groß.

Das unterschätzte Potenzial der Migranten

In diesem Zusammenhang sollte die Rolle von Migrantinnen und Migranten – oder allgemeiner: von Diaspora-Gemeinschaften – stärker in den Blick genommen werden. Unter „Diaspora“ versteht man nicht nur diejenigen, die selbst aus einem bestimmten Herkunftsland zugewandert sind, sondern auch deren Nachkommen, die sich weiterhin mit dem Heimatland ihrer Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern verbunden fühlen.

Bereits heute leisten Diasporas einen wichtigen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Herkunftsländer. Laut Weltbank überwiesen Migrantinnen und Migranten und ihre Nachkommen im Jahr 2024 rund 690 Milliarden US-Dollar in Entwicklungs- und Schwellenländer. Das ist ein Vielfaches der gesamten internationalen Entwicklungshilfe – und unterstützt direkt den Bildungszugang, die Gesundheitsversorgung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Millionen von Menschen. Doch wie groß ist die Bereitschaft der Diaspora, sich auch für Klimaschutz und -anpassung in ihren Herkunftsländern zu engagieren?

Viele Migranten engagieren sich bereits

Genau das hat eine Studie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) untersucht. Dabei wurden ausgewählte Diaspora-Gruppen in Großbritannien – etwa aus Bangladesch und Ghana – befragt, wie sie den Klimawandel in ihren Herkunftsländern wahrnehmen und in welchem Maße sie sich aktiv einbringen (würden). 

Die Ergebnisse zeigen ein stark ausgeprägtes Bewusstsein für die dortigen Klimafolgen. Viele Befragte äußern große Sorgen über spürbare Auswirkungen wie Ernteausfälle oder zerstörte Infrastruktur, zumal oft Angehörige unmittelbar betroffen sind. Und tatsächlich engagieren sich viele Migranten bereits im Bereich Klimaanpassung. Dies geschieht etwa durch die Instandsetzung von Häusern nach Überschwemmungen oder durch die Installation von Solarpanelen in ihren Heimatgemeinden. Dieses Engagement erfolgt jedoch meist im privaten Rahmen über Familiennetzwerke oder innerhalb des Herkunftsortes der eigenen Familie.

Diese Befunde legen nahe: Diaspora-Gemeinschaften sind eine bislang unterschätzte Ressource der internationalen Klimapolitik – nicht nur mit ihrem Kapital, sondern auch mit Wissen, Netzwerken und einem tiefen Verständnis für lokale Kontexte. Doch wenn es darum geht, dieses Engagement über den privaten Bereich hinaus auszubauen, etwa zugunsten regionaler Klimaprojekte, so stößt man auf ein zentrales Problem: das ambivalente Verhältnis vieler Migrantinnen und Migranten zu den Regierungen ihrer Herkunftsländer.

Regierungen sind an Geld interessiert, aber nicht an Mitsprache

Zwar bemühen sich zahlreiche Regierungen in Afrika, Asien und Lateinamerika bereits seit Jahren um den Schulterschluss mit ihrer Diaspora und werben um Unterstützung für klassische Entwicklungsprogramme im Bildungs- oder Gesundheitssektor. Einige Migranten beklagen, dass ihre Stimme eher wenig zählt: Man sei zwar an ihrem Geld interessiert, weniger jedoch an ihrem Mitspracherecht oder Fachwissen. Ob dies verallgemeinerbar ist oder eher Einzelerfahrungen widerspiegelt, sei mal dahingestellt. Klar ist aber – und das ist auch ein wichtiges Ergebnis der IOM-Studie: besonders im Bereich Klimapolitik wünschen sich viele mehr Transparenz und Durchsetzungswillen von den nationalen Institutionen.

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Um das Potenzial der Diaspora für Klimaschutz und -anpassung zu erschließen, müssen Regierungen in den Herkunftsländern stärker auf diese Gruppen zugehen. Vertrauen, Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz sind entscheidend, um die Verbindung zu ihren „Leuten in Übersee“ zu stärken. Entwicklungspolitische Akteure und Regierungen des Globalen Nordens sollten sie hierbei systematisch unterstützen, ohne dass es dabei zu einem massiven Mitteleinsatz kommen muss. Das ist gewiss kein einfacher Weg, aber angesichts der globalen Herausforderungen des Klimawandels sicherlich ein lohnenswerter.