Gastbeitrag von WWF-Klimachefin Viviane Raddatz - In Baku entscheidet die Billionen-Dollar-Frage über das Schicksal der Menschheit
Denn kurz gesagt: Die reichen Länder haben ihren Wohlstand auch der Tatsache zu verdanken, dass sie für ihr Wachstum viel Öl, Kohle und Gas verbrannt haben und damit die Klimakrise maßgeblich verursacht haben – während die Länder des globalen Südens nur wenig Anteil daran hatten, die Folgen aber besonders heftig zu spüren bekommen.
Offene Fragen bei der internationalen Klimafinanzierung
Leider schließen hier gleich mehrere Probleme an. Problem Nummer 1: Was zählt eigentlich als Klimafinanzierung und somit in dieses Versprechen ein? Denn es gibt aktuell noch keine einheitliche Definition dazu. Einige Fragen, die es dringend zu klären gilt: Sollen nur staatliche Mittel zählen oder auch private? Gilt nur das als Klimafinanzierung, was im globalen Süden ausgegeben wird oder z.B. auch die Maßnahmen vor der eigenen Haustür? Zählen Zuschüsse genauso wie Kredite und andere Beihilfen? Und sollen Maßnahmen zur CO2-Minderung genauso finanziert werden wie zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise und für Schäden und Verluste?
Problem Nummer 2: Bei aller Rechnerei – auf die 100 Milliarden ist die Staatengemeinschaft wohl erst 2022 zum allerersten Mal gekommen. Und wie viel davon in Projekte mit wirklich effektivem Klimaschutzbezug geflossen ist, ist nochmal eine andere Frage.
Das Verfehlen des Versprechens für mehrere Jahre hat natürlich für Unmut gesorgt, was für die internationale Diplomatie, bei der es auf Vertrauen ankommt, nicht sonderlich zuträglich ist.
Was beim neuen Finanzierungsziel gelten sollte
Beim neuen Finanzierungsziel, dem NCQG, muss es also anders laufen (nachdem selbstverständlich auch die „Schulden“ bis 2025 beglichen werden). Was sollte das Ziel möglichst beinhalten, was würde als gutes Ergebnis der Klimakonferenz in Baku gelten?
Zuallererst sollten als Grundlage die tatsächlichen Bedarfe der Länder des globalen Südens dienen, denn diese hat auch das 100-Milliarden-Versprechen bislang nicht berücksichtigt. Die Spanne dafür, wie viel Geld nötig ist, geht in verschiedenen Studien auseinander. Aus NGO-Perspektive sollte das neue Finanzierungsziel bei mindestens einer Billion US-Dollar liegen.
Diese Summe sollte sich aus mehrheitlich öffentlichen Geldern speisen – mit transparentem Berichtswesen und idealerweise anhand einer einheitlichen Definition von Klimafinanzierung. Verbunden damit bräuchte es nahezu gleichwertige Unterziele zu Projekten für die Treibhausgasminderung, für die Anpassung an die Erderhitzung und die nicht vermeidbaren Schäden und Verluste. Und natürlich braucht es auch einen einfacheren Zugang zu den Mitteln mit transparenten Vergabemechanismen und größerer Planbarkeit.
Für uns als deutsche NGO geht der Blick natürlich auch Richtung Bundesregierung. Denn diese hat zuletzt Investitionen in den so dringenden Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise abgewürgt. Das ist kurzsichtig. Aktuell sind auch die bisher zugesagten sechs Milliarden Euro an internationaler Klimafinanzierung in 2024 und 2025 nicht sicher. Und eigentlich müsste diese Summe für das neue Ziel noch aufwachsen.
Deutschland muss endlich umweltschädlicher Subventionen loswerden
Dabei stünde das Geld zur Verfügung. Man müsste nur einmal ran an den unglaublich hohen Batzen an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen, die jedes Jahr ausgegeben werden. In Deutschland belaufen die sich auf sagenhafte 67 Milliarden Euro jährlich. Diese schmutzigen Geldflüsse genau wie das verbissene Festhalten an der Schuldenbremse, obwohl selbst die Wirtschaftsweisen davon abraten, gefährden unser Wohlergehen.
Denn jetzt nicht zu investieren aus vermeintlichem Sparwillen wird uns sehr viel teurer zu stehen kommen, das haben zahlreiche Studien mittlerweile gezeigt. So hoch die Summen für den Klimaschutz auch erscheinen mögen: Sie können Gefahren abwenden. Die Kosten des Nichtstuns sind stets höher.
Womit wir wieder beim Thema Abschottung wären. Denn so verkümmern die Chancen des Zusammenarbeitens. Letztlich ist es so: Wenn mehr Wind- oder Solaranlagen in anderen Ländern gebaut werden, profitieren auch wir davon. Einmal, weil diese Anlagen zukunftsfähig sind und so zu einer stabilen Wirtschaft in diesen Ländern beitragen, was sich wiederum positiv auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen auswirkt. Und zum anderen, weil sie CO2 vermeiden. Und damit die Klimakrise auch bei uns abgemildert wird.
Gleiches gilt übrigens auch beim Erhalt der Biodiversität, für den es noch eigene UN-Konferenzen gibt, gerade erst in Kolumbien. Auch hier geht es ums liebe Geld und auch hier sind die Kosten des Nichts-tuns so viel höher als die nötigen Investitionen. Und auch hier ist Abgrenzung unmöglich. Denn wenn wir die Natur immer weiter übernutzen, kollabiert mit ihr auch unser aller Lebensgrundlage.
Genau aus diesen Gründen – und ja, diese sind natürlich Angst einflößend – müssen wir jetzt aktiv werden, statt uns wegzuducken. Denn noch haben wir es in der Hand, die nötige Wende herbeizuführen. Möglich ist sie allemal: Wenn wir zusammenarbeiten, statt auf die falschen Versprechen der Abschottung hereinzufallen.