Asylpläne der Union: Und mit wem, Herr Merz?

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Grenzen dicht, Zurückweisungen, Abschiebehaft: Merz will die Asylpolitik umkrempeln. SPD und Grüne wiegeln allerdings ab. Schlägt die Stunde der AfD?

Manchmal teilt ein Ereignis die Welt in ein Davor und ein Danach – der Anschlag von Aschaffenburg könnte von dieser Qualität sein. Er weigere sich, zu akzeptieren, dass das die neue Realität in Deutschland sei, hatte Friedrich Merz am Donnerstag gesagt und dann seinen Plan für eine radikale Asyl-Kehrtwende skizziert: darunter eine sofortige Grenzschließung für Flüchtlinge und möglichst bald die Einleitung von unbefristetem Abschiebearrest. Der Auftritt, zehn Minuten lang, dürfte hängen bleiben. Schon jetzt wirft er die Frage auf, mit wem Merz den harten Kurs umsetzen will.

„Ich gucke nicht rechts und nicht links“ – Merz nimmt AfD-Zustimmung zu Asyl-Anträgen der CDU in Kauf

Eine erste Antwort könnte es schon nächste Woche geben. Dann will der CDU-Chef seinen Plan im Bundestag zur Abstimmung stellen, auch um den Preis, dass die AfD mit der Union stimmt. „Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen“, sagte er am Freitag. „Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.“

Die Tat eines afghanischen Asylbewerbers stellt offenbar nicht nur den kurzen Wahlkampf auf den Kopf, sondern auch bisherige politische Gewissheiten. Zwar betonen führende Unions-Politiker, auch Merz, unzweideutig, dass es mit den Rechtspopulisten nach der Wahl keine Zusammenarbeit geben werde. Klar ist aber auch: Ein gemeinsames Ja im Bundestag zur Migrationsfrage wäre ein Novum.

Wortgleiche Anträge: AfD wollte Merz und der CDU Falle im Bundestag stellen

Aus der Union heißt es, der Vorstoß sei über mehrere Tage und teils Nächte sehr eng abgestimmt zwischen Merz und CSU-Statthalter Alexander Dobrindt. „Raus aus Betroffenheitsrhetorik, rein ins Handeln“, sagt ein hoher Unions-Mann. Nur so sei der Merz-Plan auch glaubwürdig. Zudem sah die Union für nächste Woche eine große Falle auf sich zukommen: Offenbar plante die AfD, die Merz-Vorschläge wortgleich im Bundestag zur Abstimmung zu bringen. Der AfD aktiv zuzustimmen, wäre politisch verheerend gewesen; gegen die eigenen Inhalte zu stimmen ebenso. Auch deshalb schaltet Merz auf Vollgas und fordert selbst ein Votum aus eigenem Antrieb ein.

Weidel fordert Merz zur Zusammenarbeit bei Migrationspolitik auf

Die AfD wittert nun Chancen. Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel forderte den CDU-Chef in einem offenen Brief zur Zusammenarbeit auf. „Lassen Sie uns ohne weiteres Zögern die erforderlichen Beschlüsse fassen, um in die Tat umzusetzen, was die Bürger jetzt mit Recht von der Politik erwarten“, schrieb sie. Man dürfe die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. CDU und AfD haben Stand jetzt allerdings keine gemeinsame Mehrheit im Bundestag, sie bräuchten die FDP, vielleicht auch Abgeordnete von BSW.

Statement Merz zu Aschaffenburg
CDU-Chef Merz will massive Verschärfung der Asyl-Politik. Stimmen der AfD würde er in Kauf nehmen. © picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Dobrindt: Union will mit Ampel-Parteien über „Neuordnung der Migrationspolitik“ sprechen

Ohnehin heißt es aus der Union, man wolle eine Mehrheit aus der Mitte herstellen. Wie, das skizziert CSU-Landesgruppenchef Dobrindt gegenüber unserer Redaktion. „Wir werden die Ampel-Parteien im Deutschen Bundestag auffordern: Lasst uns eine Entscheidung aus der Mitte des Parlaments treffen. Wir wollen eine Neuordnung der Migrationspolitik. Wir sind bereit, mit FDP, Grünen und SPD über die Texte zu sprechen – aber die Inhalte sind klar.“ Die Öffentlichkeit habe ein Anrecht darauf, zu erfahren, „wer im Bundestag jenseits jeglicher Betroffenheitsrhetorik bereit ist, über die Neuordnung Migration abzustimmen und etwas zu verändern“. Man werde eine Sofortabstimmung beantragen. Keine Absprachen soll es laut Dobrindt mit der AfD geben. „Es gibt keine Gespräche mit der AfD, nicht über Texte, nicht über Inhalte. Es gab und gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD.“

Grüne zu Merz-Asylplan: „Weder verfassungs- noch europarechtskonform“

Eine Mehrheit in der Mitte zu finden – das wäre auch mit Blick auf eine neue Regierung nötig. Merz hat seinen Asyl-Plan zur Koalitionsbedingung gemacht und erklärt, Kompromisse seien bei dem Thema nicht möglich. Damit setzt er den beiden möglichen Koalitionspartnern SPD und Grünen die Pistole auf die Brust. In beiden Parteien ist der Widerspruch gegen die Merz-Pläne groß. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz nennt sie „weder verfassungs- noch europarechtskonform“. Bei der Union schienen alle Dämme zu brechen.

SPD kritisiert Fünf-Punkte-Plan von Merz: „Rechtlich sehr fragwürdig“

Ähnliches ist aus der SPD zu hören. Fraktionsvize Dirk Wiese nennt die Vorschläge „rechtlich sehr fragwürdig“ und nicht realisierbar. Für die Komplett-Schließung der Grenzen fehle der Polizei das Personal. Kritik kommt auch aus der Bayern-SPD, die zuletzt in manchen Punkten einen eher mittigen Kurs angedeutet hatte: „Merz tut so, als könne er die Asylpolitik handstreichartig ändern“, sagt Landtags-Fraktionschef Holger Grießhammer unserer Redaktion. „Das kann ein Donald Trump tun, aber kein deutscher Oppositionsführer.“ Über vielen seiner Vorschläge stehe Europarecht. Zudem warnt er die Union davor, mit der AfD zu stimmen. „Das hieße, dass die Brandmauer gefallen ist“, sagt er. „Das wäre ein sehr schlechter Tag für Deutschland.“

Bisher scheint Merz mit seinem Kurs richtig zu liegen. Im ZDF-„Politbarometer“ legt der Unions-Kanzlerkandidat bei den persönlichen Beliebtheitswerten zu. 31 Prozent der Befragten wollen ihn demnach als Kanzler, vier mehr als in der Vorwoche. Es folgen Robert Habeck (25 Prozent), Olaf Scholz (16) und Alice Weidel (15). Für den CDU-Chef heißt das: Tempo halten. Die Leute hätten die Nase voll davon zu hören, was alles nicht gehe, sagt er am Freitag. Mal sehen, was geht.

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