Die Stadt klagt gegen eine neue Unterkunft im Gewerbegebiet. Die Sprecherin des Asylhelferkreises kann das nicht verstehen – sie fürchtet neue Probleme.
Wolfratshausen - Die Stadt klagt gegen die Baugenehmigung für eine Flüchtlingsunterkunft, in der 144 Menschen Platz finden sollten. Im Gewerbegebiet am Hans-Urmiller-Ring sollte die Einrichtung entstehen. Und die ehrenamtlichen Asylhelfer in Wolfratshausen halten die Planung für ein Vorzeigemodell. Der Stadtrat möchte sie aus lärmschutzrechtlichen Gründen verhindern – die Einrichtung könnte, so die Sorge – die Rechte der Gewerbetreibenden vor Ort einschränken. Die Diskussion vor der Entscheidung zur Klage warf noch andere Punkte auf. Ines Lobenstein sieht es ganz anders. Die Leiterin des Asylhelferkreises hält die Entscheidung für falsch.
„Turnhalle ist eine Katastrophe“: Klage gegen neue Unterkunft verzögert das Problem, sagt Expertin
Frau Lobenstein, Sie fanden die Unterkunft-Pläne gut. Die Stadt klagt gegen den Bau der Einrichtung. Wer liegt falsch?
Ich habe ja mitbekommen, welche Sorgen die Stadträte haben, wenn die Einrichtung gebaut wird. Ich schüttle nicht durchgehend den Kopf, wenn ich das höre. Aus unserem Alltag mit den Asylbewerbern heraus sehe ich die Situation aber völlig anders. Ich glaube, die Entscheidung verbessert nichts, die Klage verzögert nur erst einmal alles. Das wird aber nicht helfen, sondern die Lage noch schwieriger machen.
Inwiefern?
Wenn die 144 Plätze jetzt nicht geschaffen werden, heißt das nur, dass die Menschen in anderen Einrichtungen unterkommen müssen. Dann wird die Mehrzweckhalle nicht frei, was sich alle wünschen. Andere Anlagen würden dann gebaut, die sehr viel schlechter geeignet wären als die geplante am Urmiller-Ring. Das würde die Integration noch weiter erschweren und sorgt für mehr Frust auf allen Seiten. Es kommen weiter Menschen im Landkreis an und es werden weiter welche nach Wolfratshausen kommen. Eine Unterkunft zu blockieren, wird daran nichts ändern. Wir werden die Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland nicht verhindern, weil wir in Wolfratshausen eine Unterkunft verhindern. Im schlimmsten Fall stellen wir dann im Winter eine Traglufthalle auf und lassen die Flüchtlinge dort. Nur damit wir nicht diese eine Unterkunft kriegen.
Hat der Grundstückseigentümer einmal mit ihnen über die Pläne gesprochen?
Er hat sogar nach unserer Meinung gefragt und vieles berücksichtigt, was unsere Integrationsarbeit betrifft. Die Situation der Flüchtlinge wäre dort deutlich angenehmer. Vernünftige Pläne und sinnvolle Unterkünfte helfen uns enorm weiter. Das wäre so eine.
Und hat jemand aus der Stadtpolitik mit ihnen geredet?
Da gab‘s vor der Klage keine Gespräche.
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Einige Räte kritisierten schon lange die Lage der geplanten Unterkunft: Leben im Gewerbegebiet halten viele für unwürdig. Wieso sehen sie das anders?
Wir reden über unser kleines Gewerbegebiet. Das ist ein Standort, von dem man in einer Minute zu Fuß bei Rewe und Aldi ist. Da sind Getränkemärkte und Bäcker. In zehn Minuten spazieren die Leute in die Stadt. Die sollen nicht hinterm Mond wohnen. Das Argument sehe ich nicht. Die Menschen wären am Hans-Urmiller-Ring um einiges besser untergebracht als in der Turnhalle.
Wie ist die Wohnsituation dort?
Die ist eine Katastrophe. Zwischen den Betten stehen nicht einmal Trennwände. Die Leute liegen direkt nebeneinander auf ihren Matratzen. Da gibt es null Rückzugsort, null Privatsphäre. Wenn die mal Ruhe brauchen, müssen sie aufs Klo gehen und selbst da klopft nach zwei Minuten jemand. In der Unterkunft, gegen die jetzt geklagt wird, hätten sie eigene Zimmer – sogar eigene Türen. Das klingt so banal, oder? Das sind aber trotzdem wichtige Punkte.
Was bedeutet so eine Unterkunft für die Asylhelfer?
In die Turnhalle dürfen wir kaum rein. Die Situation für uns ist natürlich in einer durchdachten Einrichtung auch leichter. Da kriegt man viel mehr Kontakt und sinnvolle Integration hin. Davon profitieren alle am Schluss. Wir sehen es an den Menschen, die vor zehn Jahren gekommen sind.
Woran machen Sie das fest?
Die Leute, die hier angekommen sind, zwischen 2012 und 2015 – und das waren viele, wie wir alle wissen – haben wir begleiten können. Von denen, die noch in der Region sind, haben 90 Prozent inzwischen einen Job und brauchen keine Sozialleistungen mehr. Die haben es auch deshalb geschafft, weil wir ganz anders mit ihnen arbeiten konnten. Die Situation ist heute anders. Wir kennen nicht mehr jeden Flüchtling mit Namen.
Es gibt bereits eine Asyl-Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring. Wie ist die Lage dort?
Den Menschen geht es dort gut. Die haben ihre Rückzugsorte, die können ankommen in Deutschland und es gibt keine großen Probleme. Es gab noch nicht einmal Beschwerden bisher. Die Bewohner kümmern sich sogar um den Garten am Gewerbegebiet.