Wolfratshausen klagt gegen Asylunterkunft im Gewerbegebiet - einige finden das „aussichtslos“
Die geplante Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet ist hoch umstritten. Die Stadt Wolfratshausen klagt. 144 Plätze hat das Landratsamt genehmigt.
Der Streit um eine Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet hat eine neue Dimension erreicht. Die Stadt Wolfratshausen klagt gegen die Baugenehmigung für die Unterkunft, in der 144 Geflüchtete ein Bett bekommen sollen. Der Bürgermeister hat die Klage bereits beim Verwaltungsgericht eingereicht. In seiner Sitzung am Dienstag stimmte der Stadtrat dafür, auf dem Rechtsweg zu bleiben. Auslöser der Entscheidung ist die 17 Seiten umfassende Baugenehmigung des Landratsamts für die Anlage am Hans-Urmiller-Ring. Darin wittern einige Stadträte und der Rathauschef eine faktische Abwertung des Gewerbegebiets. Es geht um Grenzwerte bei den Emissionen der Betriebe. In der Diskussion ging‘s um viel mehr – um zweckentfremdete Mehrzweckhalle in Farchet, überforderte Betreuungssysteme und um das Wohnen neben Betriebsgeländen.
Wolfratshausen klagt gegen XXL-Unterkunft im Gewerbegebiet
Die Debatte hat eine Vorgeschichte. Der Bauausschuss des Stadtrats stimmte vom ersten Moment an gegen die Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring. Der Bürgermeister nicht. Klaus Heilinglechner hatte sich bei den jüngsten Abstimmungen immer für die Planung ausgesprochen. Seine Haltung änderte sich, als er die Baugenehmigung las. Darin fand er einen Passus, der sich mit den Emissionen in dem Bereich befasst und Nachteile für die Betriebe bedeuten könnte. „Die Gewerbetreibenden erwarten, dass wir uns für die einsetzen.“
Zur Auswirkung der Asylunterkunft für das Gewerbegebiet gibt es unterschiedliche Meinungen. Liste-Wor-Stadtrat Dr. Manfred Fleischer kommt „zu einer anderen Einschätzung als der Bürgermeister“. Die Nachtruhe für Betriebe – der Lärm-Grenzwert von 50 Dezibel – bliebe etwa unverändert. „Das ist völlig unabhängig von der Unterkunft.“ Es gebe bereits Wohnungen und Kindergärten in der Nähe. Den Schritt vor Gericht hält Fleischer für falsch. Urteile zu Asylunterkünften in Gewerbegebieten zeigen: „Die Erfolgschancen sind außerordentlich gering, die Klage ist aussichtslos.“
Mehrzweckhalle ist Unterkunft: Stadträte wollen Halle für Sport zurück
Vize-Bürgermeister Günther Eibl (CSU) verteidigte die Klage. „Der Schritt des Bürgermeisters ist richtig. Wir haben die Verantwortung, zu prüfen, ob ein Gewerbegebiet dafür geeignet ist, ob Abwertungen denkbar sind oder andere Ansiedlungen gefährdet werden.“ Eibl erinnerte daran, dass die Flößerstadt ihrer Verantwortung in Sachen Flüchtlingsunterbringung nicht nur nachkomme, sondern sie übererfülle. „Wir haben ein Plus von 75 Plätzen.“ Laut Rathauschef leben derzeit 680 Flüchtlinge in der Stadt. Drei weitere Unterkünfte seien in Planung – zwei mit 144, eine mit 100 Plätzen.
Eine Hoffnung, die mit dem Bau weiterer Großunterkünfte verbunden ist, betrifft die Mehrzweckhalle in Farchet, seit März 2022 Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Die solle frei werden, wenn Ersatzplätze geschaffen werden. Das habe der Landrat zugesichert. Heilinglechner: „Auf das Wort des Landrats gebe ich im Moment nichts. Der ist in der misslichen Lage, dass alle gegen Unterkünfte klagen“, und dem Kreis weiterhin Flüchtlinge zugewiesen werden. Dr. Hans Schmidt (Grüne) hielt dagegen: „Eine Klage sorgt nur für Verzögerung. Und das ist das Schlechteste, was in Bezug auf die Mehrzweckhalle passieren kann.“ Vor Gericht sehe er keine Möglichkeit, „dass wir auch nur einen Blumentopf gewinnen“. Grünen-Fraktionssprecher Peter Lobenstein warb für eine außergerichtliche Lösung. „Niemand hat sich die Situation gewünscht.“ Das Konzept der geplanten Unterkunft lobte er explizit.
„Da zerreißts uns“: Betreuungs-Experte schlägt Alarm - Wolfratshausen braucht Unterstützung bei der Integration
Fritz Meixner, Sprecher der SPD/FDP-Fraktion, votierte für die Klage. Der Geschäftsführer des Kinder- und Jugendfördervereins hatte bisher für das Projekt gestimmt. Inzwischen sieht er es anders. „Wir kaschieren vieles. Ich sehe die Entwicklung mit großer Sorge.“ Bildungs- und Betreuungseinrichtungen seien überlastet, man finde nicht genug Personal für den Arbeitsaufwand, die Kosten für Jugendhilfe explodieren. Meixner sprach von einer allgemeinen „Überforderung“ – „Wir als Stadt Wolfratshausen schaffen das nicht.“ Noch eine Einrichtung in dieser Größe: „Da zerreißt‘s uns.“ Natürlich müsse es Lösungen geben, um die Halle in Farchet frei zu bekommen und Unterkünfte zu bieten, „aber dafür ist nicht alleine die Stadt Wolfratshausen zuständig“. Meixner: „Die Solidargemeinschaft der Kommunen ist gefragt.“
Meine news
16 Räte stimmten für die Klage, sieben waren dagegen.