Zwei Großunterkünfte sind in Wolfratshausen in Planung. Die Stadt war immer beispielhaft für Integration – jetzt gibt es aber Zweifel, ob das noch möglich ist.
Der Streit drehte sich irgendwann um sehr viel mehr als bloß um Baufragen. Eigentlich sollte es genau darum aber im Bauausschuss des Stadtrats gehen. In den vergangenen Monaten musste sich das Fachgremium zweimal mit Anträgen befassen, große Asylunterkünfte in der Loisachstadt zu errichten. Auf einem bisher als Parkplatz genutzten Kiesfeld im Gewerbegebiet und auf dem Strabag-Gelände an der Königsdorfer Straße sollen jeweils 150 Menschen Platz finden. Im Stadtrat sind die Meinungen gespalten – die endgültige Entscheidung trifft aber ohnehin das Landratsamt. Es bewertet den Bau rein juristisch, wie Landrat Josef Niedermaier in einem Gespräch mit unserer Zeitung erläuterte. Dinge, die wichtig wären, aber bei der juristischen Bewertung keine Rolle spielen, nannten einige Stadträte. SPD-Rätin Gerlinde Berchtold wurde besonders deutlich. Sie verlangte menschenwürdige Unterkünfte. Derzeit gehe es nur noch darum, Geflüchtete unterzubringen. „Von Integration wird schon lange nicht mehr gesprochen, weil‘s einfach nicht mehr zu schaffen ist.“
Die Leiterin des Wolfratshauser Helferkreises, Ines Lobenstein, engagiert sich seit über einem Jahrzehnt in dieser Sache. „Natürlich ist es nicht immer einfach“, sagt Wolfratshausens Integrationschefin. Aber die pauschale Vermutung, dass in großen Unterkünften, wo hunderte Menschen zusammenleben, keine Chance besteht, die Menschen in die Gesellschaft zu begleiten, lehnt Lobenstein ab. „Es geht nicht nur um die Größe. Viel wichtiger ist, wie es konzipiert und strukturiert ist.“ Sie kennt die Pläne für die beantragte Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring. „Der Grundstückseigentümer hat sich sogar mit uns getroffen, und nach unserer Meinung und unseren Wünschen gefragt“, sagt Lobenstein. Das sei eine Seltenheit. Ihr Fazit: „Bei dem Plan ist sehr viel dabei, was es angenehm macht.“ Spielplätze, ein Bolzplatz für die Kinder, Büroräume und Räume, in denen Integration stattfinden könnte. „Das wären richtig gute Voraussetzungen“, findet Lobenstein.
Angebote der Asylhelfer stoßen auf reges Interesse
Die Angebote der ehrenamtlichen Asylhelfer würden in großen Unterkünften direkt auf viele Interessenten stoßen. „Wenn wir Deutschunterricht machen, haben wir die Leute gleich alle da – organisatorisch ist das viel leichter, und die Flüchtlinge müssen nicht aus ganz Wolfratshausen irgendwo zusammenkommen.“
Derzeit gibt es mehrere große Unterkünfte in der Stadt. Immer wieder in der Kritik ist die Belegung der Mehrzweckhalle in Farchet. Auch Ines Lobenstein ist kein großer Fan dieser Unterbringung: „Alles ist besser als die Turnhalle.“ Obwohl selbst dort inzwischen einige integrative Angebote möglich sind. Einmal in der Woche zum Beispiel kommt eine Gruppe von ehrenamtlichen Frauen vorbei, die mit den Kindern, die in der Halle leben, bastelt und malt.
Dezentrale Unterkünfte? „Beim aktuellen Wohnungsmarkt nicht realistisch“
Einfacher waren integrative Angebote, als es vor allem kleinere, dezentrale Unterkünfte gegeben hat, räumt Lobenstein ein. Immer wieder wird der Ruf nach solchen Lösungen laut. „Ich halte das nicht für realistisch. Beim aktuellen Wohnungsmarkt geht es einfach nicht, noch mehr Flächen zu belegen.“
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Lobenstein würde sich vor öffentlichen, politischen Debatten um Asylbewerber und Unterkünfte mehr Gespräche mit den Menschen wünschen, die tatsächlich davon betroffen sind. Ein Beispiel: Am Standort im Gewerbegebiet entzündete sich eine Diskussion ob der Lage: Menschen an diesem Ort wohnen zu lassen, sei unwürdig und würde die Integration erschweren. Lobenstein hält dieses „Argument für totalen Schmarrn“. Der Standort sei kaum 100 Meter von zwei Vollsortimentern entfernt, sei an den Verkehr angeschlossen und gut gelegen. Es gibt bereits eine große Asylunterkunft im Gewerbegebiet. „Dort läuft es richtig gut“, findet Lobenstein. Täglich wird den Bewohnern Kinderbetreuung angeboten, es gibt Lernstunden und Begleitung – wohlgemerkt: im Gewerbegebiet.
Der Stadtrat stimmte dem Umbau eines Werkstattgebäudes zur Unterkunft für 150 Menschen zu, einige Räte allerdings mit Bedenken. „Bei der Integration werden wir allein gelassen“, stellte SPD-Fraktionschef Fritz Meixner grundsätzlich fest. Es fehle an „Manpower und Ausstattung“. Hauptsache, „die Geflüchteten haben ein Dach über dem Kopf“.
Bauausschuss gegen die Unterkunft im Gewerbegebiet
Dem Bau im Gewerbegebiet versagte das Gremium die Zustimmung. Trotzdem rechnen die Räte damit, dass der Bau vom Landratsamt genehmigt wird. Die Prüfung des Kreisbauamts zieht sich nun schon mehrere Monate. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagt die Pressesprecherin des Landratsamts, Sabine Schmid: „Das Vorhaben ist nach wie vor in der Prüfung.“ Eine Prognose möchte sie nicht abgeben: „Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, dazu kann keine Aussage gemacht werden.“