Mit einem waghalsigen Überholmanöver hat ein Autofahrer (63) bei Hohenkammer einen tödlichen Autounfall verursacht. Jetzt steht der 63-Jährige vor Gericht.
Hohenkammer – Nachts wacht er schweißgebadet auf. „Ich denke ständig an den jungen Mann“, sagte ein 63-Jähriger aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen am Freitag vor dem Landgericht. Am 30. März 2022 war der Einkaufsleiter auf dem Weg zur Arbeit gewesen, als er gegen 6 Uhr auf der B13 zwischen Niernsdorf und Hohenkammer meinte, mit seinem Hyundai drei Fahrzeuge überholen zu müssen.
An einer Kuppe konnte er nicht mehr rechtzeitig einscheren und krachte frontal in ein entgegenkommendes Auto. Der Fahrer, ein 23-jähriger Pfaffenhofener, wurde dabei so schwer verletzt, dass er noch an der Unfallstelle starb. „Mein Mandant will die Verantwortung nicht abwälzen“, sagte Verteidiger Adam Ahmed vor der siebten Strafkammer, die sich nach Einspruch von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem in zweiter Instanz mit dem tragischen Fall auseinandersetzen muss.
Der 63-Jährige war im vergangenen April vom Amtsgericht Freising wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden. Es gehe bei dem Einspruch nicht um die Schuldfrage, sondern lediglich um den Rechtsfolgenausspruch, so Ahmed: Müsse sein Mandant ins Gefängnis, könne er nicht mehr arbeiten. Dies würde für die Familie den wirtschaftlichen Ruin bedeuten, da aufgrund eines Hausbaus ein Schuldenberg von 500000 Euro abzutragen sei.
Mutter des Opfers tritt als Nebenklägerin auf
Die Mutter des Unfallopfers, die als Nebenklägerin an dem Prozess teilnimmt, tat sich mit derartigen Ausführungen der Gegenseite sichtlich schwer, folgte aber der Bitte von Vorsitzender Richterin Sandra Strohner, Ruhe zu bewahren. Sie wisse, wie schwer diese Verhandlung für alle Beteiligte sei, so Strohner. Umso wichtiger sei es, das tragische Ereignis strafrechtlich sachlich und vernünftig abzuschließen. „Das Leid kann einem freilich niemand nehmen.“
Verteidiger Ahmed kritisierte vor allem die Formulierung in der Urteilsbegründung des Amtsgerichts, die drei Autos seien „sehr zum Ärger des Angeklagten“ lediglich 70 km/h gefahren. Dies sei nie der Fall gewesen. Der 63-Jährige selbst beteuerte, er sei keiner, „der so fährt, dass andere gefährdet sind“. Seit sieben Jahren sei er die gleiche Strecke in Richtung München zur Arbeit gefahren, dabei habe er stets genug Zeit einkalkuliert.
Auch an dem Morgen, an dem das Unglück passiert sei, habe es für ihn „keinen Grund gegeben, hektisch zu sein“. Er sei nicht verärgert gewesen, wie der Freisinger Richter geschrieben habe. Aber auf der Kuppe sei freie Sicht gewesen, und da die Autos vor ihm nicht beschleunigt haben, hätte er beschlossen, zu überholen. Dem Urteil zufolge tat der Angeklagte dies „bei unübersichtlichem Streckenverlauf“ mit mindestens 139 km/h.
23-Jähriger versuchte noch auszuweichen - vergebens
Als auf der Gegenfahrbahn der VW-Passat des 23-Jährigen aufgetaucht sei, habe der Angeklagte nicht mehr rechtzeitig zurück auf seine Spur fahren können. Der 23-Jährige habe noch vergeblich versucht, nach rechts auszuweichen, so das Amtsgericht Freising im April. Er habe nur noch den Zusammenstoß mitbekommen, sagte der Angeklagte vor der Berufungskammer. „Dann ist es dunkel geworden.“ Durch Brandgeruch sei er aufgewacht. Was auf der Gegenfahrbahn passiert sei, habe er nicht mitbekommen. Erst am nächsten Tag habe ihn die Polizei im Krankenhaus darüber in Kenntnis gesetzt, dass der junge Mann verstorben sei.
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Im vergangenen Jahr hatte sich der 63-Jährige schriftlich bei der Familie des Verstorbenen entschuldigt. Am Freitag war es zu keinem persönlichen Austausch gekommen: Der Nebenklagevertreter hatte den Angeklagten vor Prozessbeginn gebeten, Abstand davon zu nehmen, seine Mandantin anzusprechen. Seit dem Vorfall leide er unter massiven psychischen Problemen, hatte der 63-Jährige vor Gericht berichtet. Er habe Albträume, könne aber meist sowieso nicht schlafen. „Ich frage mich jede Nacht, warum ich so agiert habe.“
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Der Prozess wird am 24. Januar mit der Einvernahme des Kfz-Sachverständigen fortgesetzt. Das unfallanalytische Gutachten soll unter anderem klären, ob der Angeklagte die Leistung seines Fahrzeugs falsch eingeschätzt hat. Der Hyundai war erst sechs Wochen alt, als der Unfall passierte.
kö