„Aktive Verteidigung“: Ukraine nimmt Russlands Versorgungsrouten ins Visier

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Auch wenn die Gegenoffensive als gescheitert gilt, kämpft die Ukraine. Versorgungslinien sind das neue Ziel. Eine Strategie, die sich auszahlt.

Kiew - Die Ukraine hat ihre Bemühungen intensiviert, die wichtigen russischen Nachschublinien im besetzten Süden und Osten des Landes zu untergraben. Dies spiegelt sich auch in der steigenden Zahl zerstörter Treibstofftransportfahrzeuge wider, die in den täglichen Schlachtfeldberichten Kiews vom Ukraine-Krieg gemeldet werden.

Allein im Januar wurden nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums 937 Tankwagen und Zisternen zerstört oder irreparabel beschädigt. Dies ist die höchste monatliche Zahl seit dem Beginn der Moskauer Invasion im Februar 2022. Bereits im Dezember wurden der Ukraine zufolge 931 russische Tankwagen und Zisternen zerstört - die zweithöchste monatliche Gesamtzahl während des Krieges. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Wahrscheinlich ist, dass kostspielige Offensivaktivitäten Russlands, bei denen die Truppen des Kremls in Brennpunkten wie Awdijiwka im östlichen Gebiet Donezk und an der nordöstlichen Front bei Kupiansk im Gebiet Charkiw vorrücken, zu den hohen russischen Verlusten beigetragen haben.

Ukraine greift strategisch wichtige Ölindustrie an - eine „aktive Verteidigungshaltung“

Zudem führt die Ukraine Angriffe auf die strategisch wichtige russische Ölindustrie und den Energiesektor im Hinterland durch. Zu den jüngsten Zielen der Drohnenangriffe gehörte ein Ölterminal in St. Petersburg, etwa 1000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Auch die Ölraffinerie im südrussischen Schwarzmeerhafen Tuapse musste nach einem ukrainischen Angriff vergangene Woche den Betrieb einstellen. Eine Woche zuvor war ein Öldepot in der Region Brjansk an der Grenze zur Ukraine durch einen ukrainischen Drohnen-Schlag in Brand gesetzt worden.

Brennende Öldepots in der Region Brjansk nach einem ukrainischen Drohnenangriff. © IMAGO/Russia Emergencies Ministry

Nach dem Scheitern der Kiewer Gegenoffensive im Sommer 2023 seien die ukrainischen Streitkräfte entlang der gesamten 600-Meilen-Front jetzt weitgehend in eine „aktive Verteidigungshaltung“ übergegangen, wie ein hochrangiger NATO-Verteidigungsbeamter im Dezember gegenüber dem US-Portal Newsweek erklärte. Jetzt würden sie sich auf ein schwieriges Jahr 2024 vorbereiten, das „ein hartes Stück Arbeit“ werde.

Russischen Streitkräfte auszubluten lassen - Kiew schont eigenen Truppen im Ukraine-Krieg

Wie im letzten Winter bestehe die ukrainische Strategie darin, die vorrückenden russischen Streitkräfte so weit wie möglich auszubluten und gleichzeitig die Stärke der eigenen Einheiten zu erhalten, so Newsweek. Dies hat bereits zu einigen Rückzügen der Ukraine geführt. Die Stadt Marinka - am Rande der Stadt Donezk - wurde im Dezember aufgegeben. Aktuell kämpfen die ukrainischen Streitkräfte noch in der Festungsstadt Awdijiwka am nordwestlichen Rand von Donezk, sind aber gezwungen, Boden abzugeben. Es ist eine blutige Schlacht, die ähnlich verläuft wie der Kampf um Bakhmut, der im Mai 2022 mit einem taktischen Sieg Russlands endete.

Trotzdem scheint die Strategie erfolgversprechend. Der Chef des ukrainischen militärischen Hauptnachrichtendienstes (GUR), Generalleutnant Kyrylo Budanov, sagte am Dienstag (30. Januar), dass die Leistung der russischen Truppen an der Ostfront trotz kleinerer Erfolge „nicht einmal annähernd“ dem entspreche, was sich Moskau vorgestellt habe. Ihre Offensive gehe zwar weiter, doch „irgendwann zu Beginn des Frühjahrs wird sie völlig erschöpft sein“, so Budanov weiter.

Ziel ist „die Beseitigung der militärischen Bedrohung“ - Befreiung der Ukraine nebenbei

Pawel Luzin, ein russischer Militäranalyst und Gastwissenschaftler an der Fletcher School of Law and Diplomacy, erklärte gegenüber Newsweek, dass Moskaus zermürbende Offensiven mit hohen Verlusten den Mangel an Optionen widerspiegeln, den das russische Militär nach zwei Jahren harter Kämpfe habe. „Sie haben einfach keine anderen Möglichkeiten, die Befehle auszuführen“, sagte er. „Und natürlich haben sie nicht den Mut, dem Kreml zu sagen, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist und beendet werden muss.“

Beobachter hätten angedeutet, dass der Kreml seine Teilbesetzung von Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson bis 2024 stabilisieren und leicht ausweiten wolle, um Kiew und seine westlichen Partner zu überrumpeln, so Newsweek. Eine solche Stabilisierung der Linien sei jedoch ein unmögliches Ziel, so Luzin weiter. „Das Ziel der Ukraine ist nicht die Befreiung des Territoriums. Das Ziel der Ukraine ist die Beseitigung der militärischen Bedrohung durch Russland, und die Befreiung des Territoriums wäre nur eine Folge des Hauptziels“. (tpn)

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