Und dann stechen die vier Angreifer auf den Clan-Chef mit Gehstock ein

Messer sausen nieder, Männer brüllen vor Schmerzen auf, ein Sohn wirft sich über seinen Vater, um den schwer verwundeten Mehmet H. vor den Angreifern zu schützen. Szenen wie aus einem US-Krimi über Gangkriege in der New Yorker Bronx in New York aus den 70er Jahren. Und doch bittere Realität an jenem Abend des 28. September im Gelsenkirchner Stadtteil Bismarck

In der Klinik stirbt Mehmet H.. Das 56-jährige Opfer galt als das Oberhaupt einer türkischstämmigen Großfamilie. Den Ermittlungen zufolge fiel er einer Fehde in den eigenen Reihen zum Opfer, weitere Mitglieder aus seiner Sippe wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die vier mutmaßlichen Attentäter im Alter zwischen 16 und 52 Jahren sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Unter anderem geht es um versuchten und vollendeten Totschlag.  

Mit Baseballschlägern auf den Mann mit Gehstock

Die Nachforschungen einer Mordkommission zum Geschehen haben neue Erkenntnisse zu Tage gefördert. Wie aus Ermittlungsvermerken hervorgeht, die FOCUS online einsehen konnte, starb der Familienboss auf äußerst brutale Weise.

Ein Familienzweig hatte Mehmet H. bereits zwei Tage zuvor an einem Supermarkt aufgelauert. Laut Haftbefehlen folgte ein heftiger Wortwechsel. Die späteren Attentäter drohten dem Clanchef wiederholt mit dem Tode. Hintergrund war nach Angaben des NRW-Innenministers Herbert Reul (CDU) der Streit um ein schiefgelaufenes Immobiliengeschäft in der Türkei. Zudem soll das Familienoberhaupt die Verwandten aus der Sippe verstoßen haben.

Am 28. September stießen die Kontrahenten erneut aufeinander. Als sich der Familien-Boss abwandte und mit seinem Sohn sich zu seinem Auto bewegte, setzten die Widersacher nach. Mit Baseballschlägern und Messern in der Hand sollen sie Mehmet H. verfolgt haben. Letzterer konnte nicht laufen. Eine Behinderung zwang ihn dazu, einen Gehstock zu benutzen.

Brutale Szenen in Gelsenkirchen

Und so war es den Angreifern ein Leichtes, das Familienoberhaupt einzuholen. Gülabi H. stach dem Fliehenden in die Herzregion, so die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft. Das Opfer brach umgehend zusammen, fiel auf den Asphalt.

Die Attentäter wollten sicher gehen, dass Mehmet H. nicht mehr aufstehen würde. Ein Verwandter des ersten Messerstechers führte weitere Attacken aus. Mehmet H. sollte sterben, zu sehr war die Familienehre beschmutzt. Die Geschehnisse glichen einer Hinrichtung. 

Als sich der Clanboss weiter regte, sauste eine Stange auf ihn nieder. Verzweifelt versuchte sein Sohn Fikret den Vater vor den Attacken zu schützen. Völlig in Rage nahm der zweite Attentäter einen Baseballschläger zur Hand und prügelte auf den jungen Mann ein.

Der 16-jährige Fatih H. stürmte heran und soll mit seinem Messer in den Hinterkopf des Sohnes gestochen und ihm lebensgefährliche Verletzungen beigebracht haben. Die Polizei griff ein und konnte Schlimmeres verhindern. Aufgrund einer Fluchtgefahr wanderte der jugendliche Messerstecher mit seinen erwachsenen Komplizen in Untersuchungshaft.

„Die Mutter meines Mandanten hatte Tränen in den Augen“

„Die Mutter meines Mandanten hatte bei dem Gespräch in meiner Kanzlei Tränen in den Augen“, sagt Strafverteidiger Burkhard Benecken, der den 16-jährigen Fatih H. vertritt. „Sie fürchtet, dass ihr noch so junger Sohn im Jugendgefängnis unter die Räder kommen könnte.“ Als Benecken seinen Mandanten im Gefängnis besuchte, „hatte ich den Eindruck, dass es ihm tatsächlich alles andere als gut geht. Ich werde kurzfristig Haftprüfung beantragen und versuchen, meinen jungen Mandanten jedenfalls aus der U-Haft herauszuholen.“