Ex-BND-Mann: „Von der Hamas wird mehr übrig bleiben als uns allen lieb ist.“

Die bisherigen Geldgeber- und Unterstützerstaaten der Hamas - von Katar über Iran bis zur Türkei – begrüßen das Waffenstillstands-abkommen. Katar lobt ausdrücklich die „erste Phase“, die US-Präsident Trump mit auf den Weg gebracht hatte. Aber was kommt danach?  Weder Teheran, Doha noch Ankara dürften bereit sein, die jahrelang mit hohen Dollarsummen bedachte islamistische Terror-Miliz von heute auf morgen abzuschreiben. Schließlich hatten die islamistischen Potentaten viel investiert, in deren Charta die Vernichtung Israels steht. 

Experten: Geiselübergabe wird stattfinden

Dennoch glauben Fachleute, mit denen FOCUS online gesprochen hat, dass die geplante Geiselübergabe aller Wahrscheinlichkeit nach stattfinden wird. Die praktischen Vorbereitungen hätten bereits auf allen Seiten begonnen, sagt Gerhard Conrad, der selbst viele Jahre im Nahen Osten für den Bundesnachrichtendienst tätig war. Conrad kennt die Materie, denn er fädelte selbst erfolgreich Gefangenenaustausche zwischen Israel und den Terrormilizen Hamas sowie Hizbullah ein. Was die nächsten Tage angeht, ist Conrad optimistisch: "Niemand hat erkennbar die Absicht, ein Scheitern herbeizuführen, da dieses für alle Seiten nur massive Nachteile mit sich brächte.“ 

„Hamas setzt auf religiös motivierten Märtyrertod“

Was allerdings die Entmachtung der Terrormiliz Hamas angeht, herrscht Skepsis. Die Islamwissenschaftlerin Professorin Christine Schirrmacher glaubt nicht, dass die Hamas wirklich bereit sei, sich selbst aufzulösen: "Hamas setzt in ihrer DNA auf den religiös motivierten Märtyrertod und hat hier nichts zu gewinnen.“ 

Dass die Miliz ihre Waffen aufgebe, bedeute ihr sicheres Ende. Überdies ist Schirrmacher skeptisch, dass die Hamas das seit ihrer Gründung festgeschriebene Ziel der Vernichtung des Staates Israel einfach aufgebe. Es sei denn, Katar lasse die Hamas fallen. 

Gerhard Conrad pflichtet dem bei und sieht vor allem technische Probleme der Entwaffnung: "Wer weiß denn, wie viele Waffen Hamas hat? Wer möchte kontrollieren, ob 'alles‘ abgegeben würde?“ Auch bei anderen Entwaffungsaktionen habe sich gezeigt: "Es bleibt immer etwas übrig - sozusagen für den ‚Notfall‘.“ Vor dem Gaza-Krieg soll die Hamas über bis zu 40.000 Kämpfer verfügt haben. Nach nicht überprüfbaren Aussagen Israels sind mittlerweile bis zu 20.000 Kämpfer getötet worden.

„Von der Hamas wird mehr übrig bleiben als uns allen lieb ist“

Selbst, wenn die Hamas offiziell der Waffenabgabe zustimme, sei nicht sicherzustellen, dass ehemalige Hamas-Kämpfer die neue palästinensische Ordnungsmacht infiltrierten und quasi wieder an die eigenen ehemaligen Waffen gelangten.

Ex-BNDler Conrad, der selbst Islamwissenschaftler ist, glaubt überdies, dass sich die Agenda von Hamas absehbar nicht ändern wird: "Sie sieht sich bekanntlich unmittelbar durch göttlichen Willen legitimiert und beauftragt.“ Und weiter: "Von der Hamas wird mehr übrig bleiben als uns allen lieb ist.“

Der Hass auf Israel, aber auch auf Juden im Allgemeinen sei durch die Schrecken des Krieges weiter befördert worden, glaubt er. Alle Familien in Gaza hätten Tote und Verletzte zu beklagen, aber nur die wenigsten würden "die Verantwortung hierfür bei Hamas sehen“, so Conrad. 

Er hält es für sehr relevant, wie die bisherigen Unterstützer der Hamas agieren werden. Denn der 2023 von der Hamas vom Zaun gebrochene Krieg habe die politischen und wirtschaftlichen Interessen der meisten Regionalstaaten erheblich beschädigt: "Hamas wird hierfür politisch die Zeche, vermutlich mit erheblichem Bedeutungsverlust, bezahlen müssen.“

Chefgelehrter hetzte aus Katar: Holocaust ist eine Strafe Allahs

Seit Jahren beherbergt das Emirat Katar nicht nur führende Geistliche der Muslimbruderschaft, sondern auch das politische Büro der Terrororganisation Hamas in Doha. Ein Video soll die Hamasführung inklusive Ismail Haniye in Katar zeigen, während sie am 7. Oktober 2023 voller Freude Bilder des Terrorüberfalls der Hamas im Fernsehen ansehen. Ausgerechnet der israelische Angriff auf die Zentrale in Doha hatte die Verhandlungen am Ende befördert.

Überdies hat Katar vor Jahrzehnten den 2022 verstorbenen Chefideologen der Muslimbruderschaft Yussuf al Qaradawi aufgenommen und ihm in seinem Fernsehsender Al Jazeera jahrelang eine eigene Show ermöglicht. Der Gelehrte verherrlichte offensiv den Terror gegen Israel und hetzte gegen die Juden: "Durch die gesamte Geschichte hat Allah den Juden Menschen gesandt, die sie für ihre Verderbtheit bestrafen: die letzte Strafe hat Hitler vollstreckt.“

Es dauert Jahrzehnte, bis der Hass verschwindet

Dieser Propaganda war auch über Jahrzehnte die palästinensische Bevölkerung ausgesetzt. Und sie decke sich theologisch mit der ersten Charta der Hamas, sagt Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher. 

Darin werde unter Bezug auf bekannte islamische Überlieferungen indirekt zum Töten von Juden aufgefordert. Ein neues Hamas-Dokument von 2017 habe die alte Charta keineswegs zurückgenommen. Der Hass sitzt tief bei den Palästinensern.

Ex-BND-Mann Gerhard Conrad prognostiziert, dass es "selbst unter optimalen Bedingungen von Stabilität und wieder entstehender Prosperität“ auch nach einer Auflösung der Hamas Jahrzehnte dauern werde, bis dieser Hass verschwinde.