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VonRobert Langer
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Simone Voit (66), Leiterin des Gymnasiums Kirchseeon, verlässt die Schule und geht in den Ruhestand. Wir sprachen im Interview mit ihr über Gemeinschaft, Computer und ihren Nachfolger.
Kirchseeon - Simone Voit kam 2016 als Leiterin an das Gymnasium Kirchseeon. Die geborene Nürnbergerin, die damals mit ihrer Familie in Pullach lebte, ist Lehrerin für Deutsch sowie Wirtschaft und Recht. Zuvor war sie unter anderem am Gymnasium Unterhaching und am Ruprecht-Gymnasium in München. Jetzt geht die 66-Jährige in den Ruhestand. „Mein Geburtstag ist im Juli, da werde ich 67. Das passt genau“, sagt sie. Wir sprachen mit ihr über Gemeinschaft, Computer und ihren Nachfolger.
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Was machen Sie denn künftig mit Ihrer Freizeit?
Ich habe keine Angst vor dem Ruhestand. Es gibt ein Leben, das ich in der Schule verbracht habe, und danach das andere. Ich werde beschäftigt sein. Mehr sage ich dazu nicht.
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Gehen Sie jetzt, bevor die nächste Baustelle kommt? Das Gymnasium wird erweitert. Muss erweitert werden. Gebaut für acht Jahrgangsstufen (G 8) sind es künftig nach der Veränderung der bayerischen Bildungspolitik wieder neun Jahrgangsstufen (G9). Mehr Platz ist notwendig. Freut Sie das nicht? Wollen Sie das Ergebnis nicht sehen?
Da bin ich dem Landrat richtig böse. Eigentlich hatte ich erwartet, dass das Projekt noch während meiner Amtszeit abgeschlossen wird. Das hat sich alles hingezogen. Mir ist klar, dass der Landkreis viele Aufgaben hat.
Wir haben aber das Problem frühzeitig angesprochen. Jetzt sind wir zumindest bei einem Ergebnis. Wir bekommen weitere Räume. Es ist eine tragbare Lösung, aber nicht die beste.
Warum haben Sie sich damals für einen Wechsel in den Landkreis Ebersberg entschieden? Was haben Sie erwartet, als Sie nach Kirchseeon kamen?
Ich kam hierher, weil der Landkreis entzückend ist. Die Schule ist wunderschön, offen, einladend. Das gilt auch für die gesamte
Schulfamilie. Ich habe mich vorab informiert. Da war die Antwort klar: Da bewerbe ich mich. Für mich war auch klar: Man passt sich an die Schule an. Es ist nach meiner Ansicht immer ein Miteinander, eine Gemeinschaft. Die Direktorin, die ganz oben sitzt, ist eigentlich die Unwichtigste. Die Person an der Spitze muss nur ermöglichen, dass alles gut läuft, sich entwickeln kann, lebt. Das war uns im Schulleitungsteam immer wichtig
. Übrigens ein wunderbares Team, dem ich so viel zu verdanken habe.
Was hat sich von den Erwartungen erfüllt? Was hat Sie in ihrer Amtszeit am meisten gefreut?
Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich war acht Jahre hier. Es ist ein ständiger Fluss. Meine Zielrichtung war von Anfang an Vielfalt ermöglichen. Es geht immer um die Erweiterung des Blickwinkels. Dies haben wir immer versucht zu leben und unterstützt.
Was hat Sie geärgert?
Ärgern ist eine schlechte Eigenschaft. Man muss immer versuchen, Lösungen zu finden. Ärger lähmt. Und das ist auch nicht professionell.
Sie haben die Coronazeiten erlebt? Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Das hat gezeigt, wie wandelbar Schule sein kann und sein muss. Wir müssen auf die Umstände reagieren. Eine Situation wie Corona mit der plötzlichen Veränderung im Unterricht von der Präsenz im Haus bis zum Homeschooling konnte sich vorher keiner vorstellen. Jede Schule hat das für sich organisiert. Vielleicht haben wir an der einen oder anderen Stelle überzogen. Wichtig war, wir waren nie alleine. Wir waren mit allen in der Schulfamilien im Kontakt, mit den Schülern, den Eltern, den Verwaltungsangestellten. Die Lehrer haben Unglaubliches geleistet. Die hatten auch eigene Familien, das sollten wir nicht vergessen.
Digitalisierung an den Schulen ist ein großes Thema. Sollen die Kinder beziehungsweise ihre Familien für die Computer selbst zahlen? Wer kann sich das als Familie leisten?
Das GymKi konnte als Pilotschule „Digitale Schule der Zukunft“ über zwei Jahre hinweg wertvolle Erfahrungen sammeln und hat sich deshalb nun für eine Einführung der „Digitalen Schule der Zukunft“ ab der 9. Jahrgangsstufe aus medienpädagogischen, pädagogischen und altersgerechten Gründen sehr bewusst entschieden. In einer zunehmend digitalisierten Welt ist Medienkompetenz eine Schlüsselqualifikation. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, digitale Medien kompetent und verantwortungsvoll zu nutzen. Die Lebenswelt der Jugendlichen ist heute stark von digitalen Medien geprägt. Die Schule sollte sich dieser Entwicklung nicht verschließen, sondern sie aktiv aufgreifen und in den Unterricht zweckmäßig integrieren. Die Schüler sollten wissen, wie sie in den sozialen Netzwerken beeinflusst werden. Es ist ebenso die Aufgabe der Schule, aufzuklären. Wir sehen aber auch, die Bildschirmzeiten nehmen zu. Bis wir zu einem wirklich ausschließlich „vernünftigen“ Einsatz digitaler Geräte kommen, wird es noch Jahre dauern.
Bedeutet konkret?
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat für das kommende Schuljahr die Einführung einer 1:1 Ausstattung mit mobilen Endgeräten in ganz Bayern für alle Schularten geöffnet. Die Anschaffung der digitalen Geräte wird mit bis 350 Euro gefördert. Wir geben den technischen Standard vor, jedoch nicht den Gerätetyp des Computers. Die Schule verfügt über Leihgeräte. Das ist alles Theorie. In der Praxis ist es sicher ein Sozialdruck, welches Kind welches Gerät von welchem Hersteller hat. Für mich ist wichtig, dass es auch künftig Bücher geben wird, trotz immer mehr IT. Es geht nicht um ein „Entweder … oder“. Es geht nicht um eine „Volldigitalisierung“ der Schule, sondern um das Prinzip digitales und analoges Lernen jeweils so einzusetzen, wo es sich am lernförderlichsten entfalten kann.
Und beim Abitur müssen die Absolventen immer noch schreiben, ganz ohne Computer. Oder?
So ist es.
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
Der steht mit Christian Czempinski ja schon fest. (Czempinski war 2013 bis 2017 stellvertretender Schulleiter am „GymKi“, danach Schulleiter am Gymnasium Landschulheim Marquartstein und kommt nun nach Kirchseeon zurück. Die Red.) Es wird am Gymnasium Kirchseeon sensationell weiter gehen. Er ist genau der Richtige. Er wird das wunderbar machen. Aber natürlich hat sich seit seiner früheren Zeit in Kirchseeon vieles weiter entwickelt.
Ihre Abiturreden und auch viele Ihrer anderen Ansprachen sind viel beachtet. Wird es dazu ein Buch geben? Oder sind die Texte zumindest irgendwo gespeichert und werden veröffentlicht?
Das ist alles ganz persönlich. Es war mir immer ein Bedürfnis, in der jeweiligen Situation zu reagieren. Es war jedes Mal ein einmaliger Moment. Ich wollte ihn jedes Mal individuell gestalten, habe immer versucht, eine Mischung zu finden. Das Grundkonstrukt ist gespeichert. Die Rede wurde aber spontan verändert. Also kein Buch.
Was sollten Heranwachsende bis zur „Reifeprüfung“, also bis zum Abitur eigentlich lernen. Was kann dazu die Schule leisten, jetzt mal auch unabhängig von Lehrplänen?
Die Schule muss immer ein offener Denkraum bleiben. Kinder und Jugendliche müssen sich entfalten können. Der Unterricht ist dabei ein Part. Es geht aber auch um viele Angebote, um Interaktion, auch über die Klassenverbände hinweg, wie wir das in Kirchseeon haben. Viele beteiligen sich, andere machen gar nichts. Alles ohne Zwang. Weil nie für alle alles richtig ist. Die Erfolge geben uns recht – von den Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler bei
nationalen Wettbewerben bis zum
Tanzteam bei den deutschen Meisterschaften. Das sind alles wir.
Sie haben immer wieder dafür geworben, dass junge Menschen Lehrer werden sollen. Ganz kurz: Warum?
Für mich war es die beste Entscheidung. Das will ich weitergeben. In diesem Beruf bleibt man mit dem ständigen Kontakt mit jungen Menschen stets beweglich.
Bleiben Sie in Kontakt mit dem GymKi?
Eigentlich habe ich mir gesagt, wenn ich weg bin, bin ich weg. Es gibt da aber noch bestimmte Punkte, warum ich zumindest zum Nachschauen kommen werde. Ich werde auf jeden Fall überprüfen, ob der Landrat seine Versprechen in Bezug auf die Erweiterung des Gymnasiums einhält.
Noch eine Frage: Wie sollte denn das GymKi später heißen? Nach einem Philosophen? Oder soll sich der Nachfolger um die Frage der Namensgebung kümmern. Wäre doch ein schönes Signal zur Eröffnung der Erweiterung.
Ein Schulname muss von der gesamten Schulfamilie gewünscht sein, aus der Mitte der Schulfamilie kommen und auf keinen Fall sollte sich dazu eine scheidende Schulleiterin äußern.