Gastkommentar von Gabor Steingart - WIr erleben den doppelten Trump - in einem zentralen Punkt liegt er falsch

Donald Trump trat heute Nacht vor beiden Kammern des Kongresses auf, um in seiner Rede sich und die ersten Wochen seiner Administration zu feiern. Es war ein Festival der Superlative.

Da sprach kein Präsident. Da sprach ein Triumphalist. Da sprach kein Regierungschef der USA. Da sprach einer, der von sich glaubt, den einstürzenden Himmel auf den Schultern zu tragen, wie einst der griechische Gott Atlas. 

„Die Bösen respektieren unsere Gesetze nicht. Das wird jetzt ein Ende haben.“ 

Der Unterschied: Atlas erhielt seinen Auftrag von Zeus. Trump glaubt, er erhielt seinen Weltenretterauftrag vom amerikanischen Wähler. Die Energie der Wahlnacht vom November durchströmte auch heute Nacht seinen Körper.

Der US-Präsident mit der stärksten Legitimation

Richtig ist: Trump ist derjenige republikanische Präsident in der amerikanischen Geschichte mit der stärksten Legitimation: Er besitzt die Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat, im Verfassungsgericht und holte bei den Wahlen nicht nur die Mehrheit der Wahlmänner, sondern auch die Mehrheit der Stimmen, das popular vote. 

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Falsch ist: Die amerikanische Wirtschaft ist nicht zurück „on track”. Das zentrale Wahlversprechen, Amerika wieder großartig zu machen und einen spürbaren Zuwachs an Wohlstand für alle Amerikaner zu sichern, wurde heute Nacht erneuert: 

„Wir werden Billionen über Billionen von Dollar einnehmen und Arbeitsplätze in einem Ausmaß schaffen, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben.“ 

Trump erinnert sich selbst an sein Mandat:

„Ich habe versprochen, zu kämpfen und zu kämpfen und zu kämpfen. Und das werde ich tun. Das goldene Zeitalter hat erst begonnen. Wir haben nichts Vergleichbares vorher gesehen.“ 

Das Triumphgeheul kommt zu früh

Die Wirklichkeit aber hält mit diesen Ankündigungen, die Trump auch heute Nacht wie Fanfarenstöße hinaus blies, bisher nicht Schritt. Der Triumphalist ist seiner Zeit voraus. Hier die Trump-Bilanz der ersten Wochen:

  • Die Inflation ist nicht unter Kontrolle, weshalb die Notenbank bei den Zinssenkungen die Pausentaste gedrückt hat.
  • Die Kerninflation stieg bereits im vierten Quartal auf 3,3 Prozent. Die Bank of America erwartet bis Ende des Jahres eine Inflationsrate von 2,8 Prozent mit einem möglichen Höchststand von 2,9 Prozent im zweiten Quartal.
  • Die Arbeitslosenrate lag in 2024 bei 4 Prozent und wird laut Prognose der Fed auf 4,3 Prozent steigen.
  • Die aggressive Zollpolitik hat bisher die Importpreise erhöht, ohne das Wachstum anzukurbeln. 2,8 Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt war die letzte Biden Zahl. Der IWF erwartet für das erste Trump Jahr 2,2 Prozent.
  • Die Börse ist verunsichert, nicht beeindruckt. Trumps Handelspolitik ist Gift für die Börse. Nach dem Kursrutsch von gestern sind alle Börsengewinne seit seiner Wiederwahl dahin. Die Angst vor einer größeren Korrektur ist real. Trump schwieg dazu.
  • Lediglich bei den ausländischen Direktinvestitionen kann die USA ihre schon zuvor führende Position – Bidens Inflation Reducation Act wirkte – weiter ausbauen.
  • Trump nannte heute Nacht die Megadeals, die in seiner kurzen Amtszeit abgeschlossen werden konnte, darunter ein 500 Milliarden-Projekt von Softbank, Open AI und Oracle und ein weiteres 500 Milliarden-Projekt von Apple. Das Top-Thema der US-Wirtschaft derzeit: Künstliche Intelligenz. 

Trump nimmt Entschuldigung an, aber verteidigt Putin-Strategie

In der Außenpolitik erneuerte Trump seine Absicht, als Friedenspräsident und nicht als Interventionist in die Geschichte eingehen zu wollen: 

„Ich möchte diesen blutigen Konflikt beenden.“ 

Seine Geduld allerdings sei am Ende:

„Wir haben Hunderte Milliarden ohne jede Sicherheit ausgegeben. Soll das noch mal fünf Jahre so weitergehen? 2000 Menschen werden jede Woche getötet. Ich möchte, dass das aufhört.“ 

Nach dem Eklat im Weißen Haus mit dem ukrainischen Präsidenten nahm er dessen Entschuldigung heute Nacht an:

„Ich weiß es sehr zu schätzen, dass er (Selenskyj) diesen Brief geschrieben hat. Gleichzeitig haben wir ernste Gespräche mit Russland geführt und starke Signale erhalten, dass sie bereit für Frieden sind.“ 

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Er verteidigte – auch gegenüber den Europäern – seine Absicht, den Gesprächsfaden zu Putin für einen schnellen Friedensschluss zu nutzen:

„Es ist Zeit, diesen Wahnsinn zu beenden, diesen sinnlosen Krieg. Wenn man Kriege beenden möchte, muss man mit beiden Seiten sprechen.“ 

Der doppelte Trump 

Fazit: Wir haben den doppelten Trump heute Nacht erlebt. Er gab den hemmungslosen Angeber für sein inländisches Publikum: Doll. Doller. Donald. 

In der Außenpolitik agierte er weiter diplomatisch, man kann auch sagen präsidial. Trump will den Frieden, auch den mit Putin. Die Frage bleibt, ob der Mann im Kreml diese Absicht unterstützt oder als Unterwürfigkeit interpretiert. Oder wie die Briten sagen: It takes two to tango.