- Was der Stopp der US-Militärhilfen für die Ukraine bedeutet

Im Umgang mit der von drei Jahren russischem Angriffskrieg geschundenen Ukraine zieht US-Präsident Donald Trump die Daumenschrauben immer weiter an. Nach dem Eklat im Weißen Haus, bei dem der Präsident gemeinsam mit US-Vize J.D. Vance seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj öffentlich gemaßregelt und unter Druck gesetzt hatte, stoppte er nun die US-Militärhilfen für die Ukraine mit sofortiger Wirkung. Zwar gab es bislang keine offiziellen Angaben zum Umfang der betroffenen Militärhilfen oder zur Dauer der einstweiligen Aussetzung. Es dürfte aber um Waffen- und Munitionslieferungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar gehen, die noch von der Biden-Administration bewilligt worden waren, bislang aber noch nicht in der Ukraine eingetroffen sind.

Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 hatte die Biden-Regierung das ukrainische Militär mit Kriegsgerät im Wert von mehr als 65 Milliarden US-Dollar (rund 63 Milliarden Euro) unterstützt. Zudem bildeten die USA auch ukrainische Soldaten - wie etwa Kampfjet-Piloten - aus und stellten Aufklärungsdaten sowie Geheimdienstinformationen zur Verfügung. Hinzu kommen weitere milliardenschwere Hilfspakete im wirtschaftlichen und humanitären Bereich. Insgesamt, berichtet das überparteiliche US-Komitee für einen verantwortungsvollen Bundeshaushalt (Committee for a Responsible Federal Budget), hat der US-Kongress in den vergangenen drei Jahren 175 Milliarden Dollar an Unterstützung für die Ukraine bereitgestellt.

Seit Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist, gibt es keine neuen Militärpakete der USA mehr für die Ukraine. Bislang bekam Kyjiw aber noch Lieferungen von Waffen und Munition, die noch von Trumps Vorgänger Joe Biden bewilligt worden waren. Zuletzt hatte dieser noch im Dezember, nur wenige Wochen vor seinem Ausscheiden aus dem Amt, ein neues Hilfspaket in Höhe von fast sechs Milliarden US-Dollar angekündigt. Darunter befanden sich Militärhilfen, aber auch Unterstützungsleistungen für den ukrainischen Haushalt sowie Mittel, die über die US-Entwicklungsagentur USAID bereitgestellt wurden. Doch auch USAID soll nach dem Willen der Trump-Administration abgewickelt werden - ob auch diese eigentlich zugesagten Gelder tatsächlich noch ausgezahlt werden, ist unklar.

Schätzungen westlicher Militärexperten zufolge soll die ukrainische Armee mit den bislang bewilligten US-Waffenlieferungen noch etwa ein halbes Jahr in der gleichen Intensität weiterkämpfen können. Zu den bislang von Washington gelieferten Armeekomponenten gehören etwa Abrams- und Bradley-Panzer, Panzerhaubitzen, Mörser- und Artilleriegranaten, verschiedene Drohnen samt Bewaffnung, Raketenwerfer oder Ausrüstung zur Minenräumung. Auch im Bereich der Militärlogistik haben die USA die Ukraine bislang stark unterstützt, etwa mit Truppentransportern, Unterstützungslastwagen oder Brückenlegepanzern.

Von größter Bedeutung für die Ukraine ist aber insbesondere die bisherige US-Hilfe bei der Flugabwehr. Hier lieferten die USA gleich mehrere Systeme - etwa der Typen HAWK, Patriot, Stinger oder Avenger - samt Munition. Fallen diese Lieferungen nun weg, könnte die bislang recht erfolgreiche Luftabwehr der Ukraine schnell löchrig werden. Immer wieder überzieht die russische Armee die gesamte Ukraine mit Luftangriffen und nimmt dabei insbesondere die kritische Infrastruktur ins Visier: Transportwege, Stromversorgung, Kraftwerke oder auch die ukrainische Rüstungsindustrie. Die bislang von den USA gelieferten Abwehrsysteme - vor allem die Flugabwehrraketen vom Typ Patriot - sind durch andere Bündnispartner, etwa in Europa, mangels vorhandener Technik kaum gleichwertig zu ersetzen. Die Ukraine könnte den russischen Luftangriffen womöglich schon bald kaum noch etwas entgegensetzen.

Am Donnerstag kommen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammen, auf dem sie gemeinsam über ihre künftige Ukraine-Politik beraten werden. Schon im Vorfeld gab EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag ihren fünf Punkte umfassenden "Plan für eine Wiederaufrüstung Europas" bekannt. Mit dessen Hilfe soll die EU "nahezu 800 Milliarden Euro" für gemeinsame Verteidigungsausgaben mobilisieren können. Ein "neues EU-Finanzinstrument" soll Darlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro ermöglichen, die durch den EU-Haushalt abgesichert werden könnten. Damit könnten die Staaten unter anderem Luftabwehrsysteme, Artillerie, Raketen und Munition beschaffen und so "ihre Unterstützung für die Ukraine massiv ausweiten", so von der Leyen.

Ob und wie schnell ein solcher Plan umgesetzt werden könnte, blieb zunächst unklar. Von der Leyens Pläne müssten auf dem EU-Gipfel von den Staats- und Regierungschefs erst noch beschlossen werden. Die beiden EU-Mitgliedsländer Ungarn und Slowakei haben allerdings schon jetzt ihren Widerstand angekündigt. Sie unterstützen Trumps Kurs für eine Waffenruhe in der Ukraine und stehen Moskau deutlich näher als der Rest der EU.

Von Thomas Latschan

Das Original zu diesem Beitrag "Was der Stopp der US-Militärhilfen für die Ukraine bedeutet" stammt von Deutsche Welle.