Organisierte Gewalt auf der Toilette: Wie in meiner Schule "Fightclub" entstand
Gewalt an Schulen ist längst kein städtisches Phänomen mehr. Auch auf dem Land, mitten in der vermeintlichen Idylle, eskaliert der Schulalltag zunehmend – oft unbemerkt, manchmal bewusst ignoriert. Ich habe selbst erlebt, wie schnell sich Gewalt unter Jugendlichen verselbstständigen kann.
An meiner Schule – in einem kleinen Ort nahe München – wurde ein inoffizieller „Fightclub“ gegründet. Organisiert von Schülern, geduldet von Erwachsenen und befeuert durch Likes in den sozialen Medien.
Fightclub an meiner Schule: Gewalt in der Pause
Was zunächst wie eine Szene aus einem Film klingt, war an meiner Schule über mehrere Wochen Realität: In fast jeder Pause verwandelte sich eines der Schulklos der Jungs in einen Kampfraum. Schüler – teilweise besuchten sie gerade erst die fünfte Klasse, andere standen kurz vor dem Abitur – drängten sich auf engstem Raum zusammen. Es wurde ein Kreis gebildet, in dessen Mitte zwei Freiwillige gegeneinander antraten.
Ein Mitschüler fungierte als Schiedsrichter, während der Rest schrie, anfeuerte und Fotos oder Videos machte. Es wurde nicht geschlagen, sondern eher gerungen. Das Ziel war es, den Gegner auf den Boden zu bekommen, sodass er sich nicht mehr wehren konnte.
Es wurde zwar, soweit ich weiß, niemand ernsthaft verletzt, aber ich erinnere mich noch, wie ein Schüler aus meiner Stufe mit zerrissener Hose aus dem Schulklo kam. Da sich der „Fightclub“, wie er an unserer Schule genannt wurde, auf der Jungstoilette versammelte, habe ich davon immer nur vom Hörensagen und durch die Videos mitbekommen. Manchmal sah ich auch, wie meine Mitschüler in die Toilette strömten.
Ein paar Lehrer wussten von dem „Fightclub“.
Anfangs fanden diese Kämpfe nur gelegentlich statt, doch mit der Zeit wurden sie immer häufiger – sie entwickelten sich regelrecht zum Pausen-Highlight, über das die ganze Schule sprach. Immer mehr Schüler machten mit, und so wurde es schließlich zum Hauptgesprächsthema in der Schule. Videos und Fotos wurden auf einem eigens erstellten Instagram-Account gepostet – öffentlich einsehbar, kommentiert und geliked.
Was erschreckend war: Ein paar Lehrer wussten von dem „Fightclub“. Sie hatten Gerüchte gehört, teils haben Schüler es ihnen sogar erzählt. Doch geschehen ist zunächst nichts. Die Kämpfe liefen weiter – bis schließlich jemand die Schulleitung auf den Instagram-Account aufmerksam machte.
Kaum Konsequenzen
Die Konsequenzen hielten sich jedoch in Grenzen. Es gab Gespräche mit einigen Beteiligten, ein paar Schüler erhielten Verweise. Der Account wurde gelöscht, weshalb es schwierig war, die Mitwirkenden zu identifizieren.
Es gab Gerüchte, dass einzelne Schüler der Schule verwiesen werden sollten. Da aber so viele Jugendliche daran teilgenommen haben, wurde letztendlich wenig unternommen. Stattdessen wurde ein Kurs angeboten, in dem Schüler in der Turnhalle unter Aufsicht kämpfen konnten. Die Maßnahme war gut gemeint, aber die wenigsten haben daran teilgenommen.
Meine persönliche Einschätzung
Besonders beunruhigend war für mich die Tatsache, dass sich das Ganze nicht in einer anonymen Großstadtschule abspielte – sondern in einem kleinen Ort, wo man jeden kennt. Die Vorstellung, dass solche Entwicklungen auch abseits urbaner Räume zunehmen, macht deutlich, wie weit verbreitet das Problem inzwischen ist.
Auch wenn in unserem Fall wohl glücklicherweise niemand ernsthaft verletzt wurde, ist klar: Das hätte jederzeit anders ausgehen können. Dieser „Fightclub“ hat mir gezeigt, wie schnell sich Gewalt unter Jugendlichen normalisieren kann und wie sehr soziale Medien diese Dynamiken verstärken.
Anmerkung: Unsere Autorin besucht die 11 Klasse an der betroffenen Schule und will ihren Namen nicht veröffentlichen.
he