US-Strafzölle: Mit welcher Maßnahme die EU Trump im Handelskonflikt empfindlich treffen kann
Viele Länder reagieren auf die Strafzölle von Donald Trump mit Gegenzöllen. Doch der Schweizer Jurist Christophe Germann hat eine andere Idee: Er will die Amerikaner an ihrer „Achillesferse“ treffen: Beim geistigen Eigentum der großen US-Tech-Konzerne.
Brüssel – Seit US-Präsident Donald Trump Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium verhängt hat, ist der Handelskrieg in eine neue Phase getreten. Als Reaktion darauf kündigte die Europäische Kommission „starke, aber verhältnismäßige“ Gegenzölle auf US-Produkte an.
Doch dieses „Auge um Auge“ sei nicht die richtige Methode, sagte Christophe Germann, außerordentlicher Professor für internationales Recht an der Webster University in Genf dem Schweizer Ableger des Online-Portal Watson: „Natürlich muss man reagieren, aber spiegelbildlich mit Strafzöllen auf US-Produkte zu antworten, ist keine gute Idee.“ Es würde letztlich am meisten den Verbrauchern schaden, die höhere Preise zahlen müssten. Der Jurist ruft stattdessen dazu auf, für eine Gegenstrategie das geistige Eigentum amerikanischer Unternehmen zu nutzen.
Mögliche EU-Reaktion auf Trumps Strafzölle: Ein Zollstreit aus dem Jahr 2000 dient als Vorlage
Anstatt mit Zöllen auf amerikanische Waren und Dienstleistungen zu antworten, könnten die betroffenen Länder nach diesem Vorschlag aufhören, das geistige Eigentum amerikanischer Unternehmen in ihrem Hoheitsgebiet zu schützen, sagte Germann: „Diese Strategie wurde bereits erfolgreich ausprobiert, sie erinnert an den sogenannten Bananenstreit von Ecuador im Jahr 2000.“ Damals erhoben die Europäer niedrigere Zölle auf Bananen aus bestimmten afrikanischen Ländern als auf solche aus Lateinamerika. Dies verstieß gegen die sogenannte Meistbegünstigungsklausel, ein grundlegendes Prinzip des WTO-Rechts: Lateinamerikanische Produzenten, darunter Ecuador, wurden benachteiligt, da ihre Bananen in Europa teurer verkauft wurden.
Ecuador erhielt von der WTO daraufhin das Recht, sogenannte „sektorübergreifende“ Sanktionen in Höhe des erlittenen Schadens zu verhängen. Konkret durfte Ecuador den Schutz des geistigen Eigentums europäischer Unternehmen in mehreren sensiblen Bereichen aussetzen. „Die WTO-Regeln erlauben solche Vergeltungsmaßnahmen, insbesondere auf Grundlage des TRIPS-Abkommens, das den Schutz geistigen Eigentums in das WTO-System integriert“, sagte Germann.
Schlag gegen das geistige Eigentum hat sich als wirksam erwiesen – EU könnte nun ähnlich handeln
Die Strategie was aus Sicht des Juristen ein Erfolg, weil solche Vergeltungsmaßnahmen für betroffene Unternehmen äußerst schmerzhaft sein können. Die betroffenen europäischen Lobbygruppen übten sehr schnell massiven Druck auf ihre Regierungen aus. Daraufhin entschied die EU, ein Abkommen mit Ecuador auszuhandeln, noch bevor die Sanktionen umgesetzt wurden. Die bloße Drohung habe eine abschreckende Wirkung gezeigt, sagte Germann: „David brachte Goliath zu Fall, indem er seine Achillesferse traf.“
Wenn die USA die Zölle um 25 Prozent erhöhen, werden importierte Produkte 25 Prozent teurer. Das betrifft auch in Amerika hergestellte Waren, weil ein Teil der Wertschöpfungskette im Ausland liegt. „Am Ende zahlt der amerikanische Verbraucher mehr“, sagte Germann. Wenn die von Trumps Handelskrieg betroffenen Länder genauso reagierten, hätten sie dasselbe Problem. Der Jurist schlägt daher eine andere Strategie vor und bringt dazu das geistige Eigentum ins Spiel. „Es ist wirtschaftlich betrachtet eine riesige Einnahmequelle.“
Die betroffenen Summen sind enorm
So kann ein Medikamentenpatentinhaber den Verkaufspreis festlegen und die Konkurrenten daran hindern, das gleiche Produkt herzustellen und zu verkaufen. Der Schutz geistigen Eigentums gilt nicht nur im Ursprungsland der Unternehmen, sondern auch im Ausland. Auch ein erheblicher Teil der Einnahmen stammt aus dem Ausland – in Form von Lizenzgebühren. „Die hier betroffenen Summen sind enorm, auch wenn sie schwer zu beziffern sind“, sagt Germann.
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Apple, Tesla oder Google könnten als Reaktion auf US-Zölle ins Visier geraten
Die EU und andere, von den Strafzöllen betroffene Ländern könnten damit drohen, den Schutz des geistigen Eigentums von US-Unternehmen wie Apple, Google, Netflix, Tesla oder Pfizer in ihren Ländern aufzuheben. „Ihre Produkte wären dann nicht mehr geschützt, könnten legal kopiert und imitiert werden – was normalerweise als Produktpiraterie und Markenrechtsverletzung gilt.“ Diese Strategie sei sofort umsetzbar, erklärte Germann Watson: „Es sind unsere Polizei, unsere Justiz, unsere Behörden. Es sind unsere Beamten und Richter, die im Falle einer Verletzung eingreifen – egal ob das geistige Eigentum einer ausländischen oder nationalen Firma gehört. Der Schutz von Urheberrechten, Marken, Patenten etc. erfordert, dass jedes Land die Umsetzung in seinem eigenen Hoheitsgebiet selbst finanziert.“
Wie die EU und die USA im Handelskonflikt an den Verhandlungstisch finden können
Zwar könnte die US-Regierung auch beim geistigen Eigentum zum Gegenschlag ausholen, dennoch die abschreckende Wirkung sektorübergreifende Sanktionen nicht zu unterschätzen. Schon jetzt haben die angekündigten US-Strafzölle im eigenen Land für Kritik gesorgt. So warnte ausgerechnet der US-Autobauer Tesla von Trump-Unterstützer Elon Musk in einem offenen Brief für den schädlichen Folgen für die US-Autoindustrie. „Sollte der abschreckende Effekt wirken, könnte man in einem zweiten Schritt an den Verhandlungstisch zurückkehren, um eine Einigung ohne unfaire Maßnahmen zu erzielen“, sagte der Jurist.
Dieses Vorgehen verstoßen nach Ansicht von Juristen auch nicht gegen internationales Recht. Das ist allerdings eine Frage der Auslegung. Die Sanktionen müssten in jedem Fall von der Welthandelsorganisation WTO genehmigt werden. Laut WTO-Recht können sektorübergreifende Sanktionen nur genehmigt werden, wenn Vergeltungsmaßnahmen im gleichen Bereich – also etwa durch Strafzölle – entweder nicht wirksam oder nicht möglich sind.
Rechtsexperte: Wichtig ist geeintes Vorgehen
Die von Trumps Zöllen betroffenen Länder könnten argumentieren, dass eine Zollaussetzung nicht effektiv oder praktikabel ist und dass die Umstände schwerwiegend genug sind, um eine Aussetzung von Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen zu beantragen. Ein Argument wäre, dass ein Zollkrieg zu einer destruktiven Eskalation führt und am Ende sogar die WTO völlig ins Abseits drängen könnte. Es gehe darum, eine intelligente Strategie durch Allianzen zu verfolgen, sagte Germann. Die EU wäre seiner Ansicht nach gut beraten, sich mit BRICS-Staaten, Kanada, Australien etc. zu verbünden: „Eine größere Allianz würde die Wirkung der Maßnahmen verstärken.“