Ernüchterung beim Windkraft-Ausbau: Maximal 3,9 Prozent des Oberlands kommen für Anlagen infrage

Maximal 3,9 Prozent des Oberlands kommen – mit viel gutem Willen – für Windräder infrage. Bei der Ausweisung von Vorrangflächen dürfte sich ein regionales Ungleichgewicht ergeben.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Die Karte der Gebiete, in denen im Oberland einmal Windräder stehen könnten, wird immer löcheriger. In der Sitzung des Planungsausschusses der Region 17 stellte die Regionsbeauftragte Cornelia Drexl am Dienstag eine „konsolidierte Suchraumkulisse“ vor. Ergebnis: Nach Stand der Dinge sind noch rund 3,9 Prozent der Fläche des Oberlands übrig, die theoretisch als Vorrangfläche für Windräder geeignet wären.
„Haben einen riesigen Gordischen Knoten vor uns“: Schwierigkeiten beim Windkraft-Ausbau im Oberland
„Wir haben einen riesigen Gordischen Knoten vor uns“, sagte der Tölzer Landrat und Planungsverbands-Vorsitzende Josef Niedermaier. „Wir alle hier haben den politischen Willen, die Windkraft in unserer Region vorwärtszubringen. Gleichzeitig gibt es viele gesetzliche Regelungen, die Windkraft an vielen Stellen unmöglich machen. Das macht es alles andere als einfach, einen Weg zu suchen.“
Wir alle hier haben den politischen Willen, die Windkraft in unserer Region vorwärtszubringen. Gleichzeitig gibt es viele gesetzliche Regelungen, die Windkraft an vielen Stellen unmöglich machen. Das macht es alles andere als einfach, einen Weg zu suchen.
Hintergrund: Laut dem Landesentwicklungsplan (LEP) Bayern müssen bis Ende 2027 alle Regionen im Freistaat 1,1 Prozent ihrer Fläche als Vorrangfläche für Windenergie festlegen. Bis 2032 muss Bayern sogar insgesamt 1,8 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete nachweisen. Unter diesen Vorgaben hat die Region 17 – bestehend aus den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen – beschlossen, ihren Regionalplan anzupassen.
Brutgebiete des Steinadlers sind Ausschlusskriterium für Windräder
Doch nimmt man zum Maßstab, wo überhaupt genug Wind weht und wo es keine Ausschlusskriterien wie Siedlungen, Naturschutzgebiete, Straßen, Seen oder auch Flugplätze gibt, bleiben lediglich 8,7 Prozent der Fläche für potenzielle Windrad-Standorte übrig. Das war der Stand von Sommer 2023.

Seither hat das Regionalplanungsteam die Flächen nach weiteren Kriterien überprüft. Untersucht wurde etwa, wo „kollisionsgefährdete Vogelarten“ leben. Bei Rotmilan, Schwarzmilan, Wanderfalke, Wespenbussard, Weißstorch und Uhu liegen über 25 oder gar über 50 Prozent der bayernweiten Brutreviere just im Oberland.
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Das allein ist noch kein Ausschlusskriterium, man könnte es am Ende im Einzelfall mit dem „überragenden Interesse“ am Windkraft-Ausbau abwägen. Aber: Die hiesigen Schwerpunkte der Brutgebiete von Steinadler, Baumfalke und Rohrweihe machen den Bau von Windrädern absolut unmöglich, da es sich um „Arten in schlechtem Erhaltungszustand“ handelt.
Rücksichtnahme auf Biotope von Fledermäusen
Einen „sehr hohen Widerstand“, wie es im Amtsdeutsch heißt, stellen auch die Habitate der Raufußhühner dar, speziell von Auer- und Birkhuhn. Die nächsten Eckerl auf der Karte der potenziellen Windratsgebiete bröckeln ab, weil es sich um Wiesenbrütergebiete, Biotope oder den Lebensraum von Fledermäusen handelt. Und Gebiete mit starker Hanglage mit einer Neigung von über 30 Prozent sind generell ungeeignet, um dort Windräder zu errichten.
Ein Radius von fünf Kilometern rund um die Station des Deutschen Wetterdienstes Hohenpeißenberg kommt ebenfalls nicht infrage. Und auch die Luftlande- und Transportschule Altenstadt sowie der Militärflughafen Lechfeld sorgen für Einschränkungen.
Unterm Strich bleiben laut Drexl nun noch 3,9 Prozent der Regionsfläche übrig, „auf denen sich eine weitere Prüfung, sie als Vorranggebiete auszuweisen, überhaupt anbietet“. Zieht man dann noch Gebiete ab, wo Windräder zwar nicht völlig unmöglich, aber „sehr konfliktbelastet“ wären, bleiben sogar nur noch 2,3 Prozent.
Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist kaum Windkraft möglich
Diese Masse bietet aber viel zu wenig Spielraum gegenüber den Zielen von 1,1 beziehungsweise 1,8 Prozent – man müsste sozusagen alles nehmen, was irgend geht. Drexls Schlussfolgerung: „Auf so einer Grundlage können wir nicht weiterarbeiten.“ Man müsse also auch Gebiete ins Kalkül ziehen, die problematisch, aber nicht völlig auszuschießen sind
Die meisten Flächen, die halbwegs geeignet für die Windkraft erscheinen, ballen sich nun im Nordosten des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen sowie im Westen des Landkreises Weilheim-Schongau. Im Kreis Garmisch-Partenkirchen kommen nur 1,05 Prozent der Fläche entfernt infrage.
Mit dieser „konsolidierten Suchraumkulisse“ will das Planungsteam ab April zunächst informell auf die Kommunen zugehen, zum Beispiel im Rahmen von Bürgermeister-Dienstbesprechungen. Die kommunalen Belange sollen dann in die weitere Prüfung einfließen, bevor Ende des Jahres daraus ein konkreter Vorschlag für die Ausweisung von Vorranggebieten entsteht. Nach Drexls Zeitplan könnte der aktualisierte Regionalplan im 1. Quartal 2026 in Kraft treten.
Bürgermeister aus dem Süden des Oberlands skeptisch
Diesem weiteren Vorgehen stimmten die Mitglieder des Planungsausschusses am Ende einstimmig zu. Zuvor hatte es aber eine engagierte Diskussion gegeben. Elisabeth Koch, Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, echauffierte sich: „Im Bereich unserer Gemeinde sind Windräder faktisch unmöglich. Da wäre es eine Frage der Ehrlichkeit, die Flächen gar nicht weiter anzuschauen.“
Ähnlich äußerte sich ihr Lenggrieser Amtskollege Stefan Klaffenbacher: „Am Brauneck oder an der Benediktenwand werden keine Windräder installiert werden. Darüber weiterzudiskutieren, ist doch eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.“
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Auch wenn sicher kein Investor je ein Windrad im Berggebiet planen werde, sei es „sinnvoll, an dem Regionalplan weiterzuarbeiten“, sagte er Murnauer Bürgermeister Rolf Beuting. Denn, wie Niedermaier zuvor angemerkt hatte: „Wenn wir keine Gebiete ausweisen, dann gilt Windkraft baurechtlich generell als privilegiert.“ Und das, so der Böbinger Bürgermeister Peter Erhard, wären dann „Wildwest-Verhältnisse“. Erhard äußerte die Hoffnung, dass ein künftiger Regionalplan mit vielen kleinen Vorrangflächen die Chance eröffnet, eine dezentrale Windkraft-Versorgung aufzubauen, am besten mit Anlagen „in Bürgerhand“.
Klar fürs Weitermachen sprach sich die Weilheimer Landrätin Andrea Jochner-Weiß aus. „Wir wissen, dass wir diese Verpflichtung haben, und wir bei uns kämpfen darum, mit der Windkraft weiterzukommen.“ (ast)
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