Katharina Dröge: Diese Frau ist jetzt die mächtigste Grüne des Landes
Am Montagabend hat sich bei den Grünen ein neues Machtzentrum zementiert. Für große Schlagzeilen sorgte das allerdings nicht. Denn was mit der Wahl der Fraktionsvorsitzenden offiziell bestätigt wurde, ist in den vergangenen Wochen fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden: Katharina Dröge ist jetzt die zentrale Figur der Grünen, nachdem Robert Habeck und Annalena Baerbock zur Seite getreten sind.
Dass Dröge zusammen mit der Co-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann nach der Bundestagswahl nicht nur vorübergehend, sondern am Montag dauerhaft wiedergewählt würde, war zunächst nicht klar. Nach der Wahlniederlage waren den Grünen nur noch wenige zu besetzende Posten verblieben. Es hätte ein Hauen und Stechen ausbrechen können, an dessen Ende ganz andere Personen an den Spitzen von Partei und Fraktion hätten stehen können.
Die Grünen haben mit Katharina Dröge einen Nerv getroffen
Aber Dröge war es, die im Schuldenstreit der Union zunächst eine Absage entgegenschleuderte, dann im Bundestag CDU-Chef Friedrich Merz gehörig die Leviten las und schließlich mit dieser selbst erarbeiteten guten Verhandlungsposition einen Deal erarbeitete. Das Ergebnis – unter anderem 100 Milliarden Euro im Sondervermögen für den Klimaschutz – hat die Grünen beseelt und den beiden Verhandlerinnen Dröge und Haßelmann Respekt über die Parteigrenzen hinaus eingebracht.
Den Grünen ist dank der beiden etwas gelungen, was in den vergangenen Jahren eine Rarität war: Die Partei hat genau im richtigen Moment einen Nerv bei den Bürgern getroffen und das wohldosiert ausgenutzt. Dass es so gut gelungen ist, die Stimmung der von Merz‘ Schuldenwende enttäuschten Bürger aufzunehmen und daraus eiskalt politisches Kapital zu schlagen, hat vielen in der Partei imponiert.
Ohne Minister und starke Parteichefs ist Fraktion das Machtzentrum
Dröge und Haßelmann stehen auch deshalb wieder wie in der vergangenen Legislaturperiode als Duo an der Fraktionsspitze. Formell hat sich also nichts geändert. Doch es gibt keine Grünen-Minister mehr, denen sie lediglich als parlamentarische Mehrheitsbeschaffer dienen. Zudem haben die noch recht frischen Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak bislang wenig von sich reden gemacht. Da bleibt viel Raum für die Fraktionsvorsitzenden.
Auf dem Papier sind diese zwar gleichberechtigt, doch es ist vor allem Dröge, die sich mit ihren Auftritten in den vergangenen Wochen in eine gute Position gebracht hat. Bei Pressekonferenzen und in Bundestagsdebatten war zuletzt sie es, die den ersten Aufschlag machte. Dennoch bildet Dröge laut Fraktionsmitgliedern ein harmonisches Gespann mit Haßelmann.
Die Schwäche der Grünen könnte zur Stärke werden
Das liegt auch daran, dass beide eher pragmatisch ticken – obwohl Dröge dem linken Flügel angehört und Haßelmann den Realos. Das führt dazu, dass der jeweils andere Flügel gut mit ihnen leben kann. Die guten 90 Prozent für beide bei der Fraktionsvorsitzenden-Wahl am Montag spiegeln das wider.
Eine bemerkenswerte Harmonie zeigte sich im Schuldenstreit auch zwischen den Fraktions- und Parteivorsitzenden. Brantner und Banaszak akzeptierten ohne Murren ihre Nebenrolle in den Verhandlungen. Animositäten, weil sie in der Öffentlichkeit weniger Aufmerksamkeit erhielten, gab es nicht.

Das schwache Wahlergebnis der Grünen scheint gerade zu ihrem Vorteil zu werden: Alle in der Partei nehmen die Oppositionsrolle an. Ein Machtkampf um Ministerposten oder die nächste Kanzlerkandidatur wäre jenseits der Realität, so dass derzeit niemand seine Ambitionen mit internen Rangeleien betonen muss.
Dröge hat Expertise bei wichtigem Thema
Und auch bei Dröge scheint eine Schwäche zur Stärke zu werden. Wegbegleiter erzählen, dass sie nicht gerne im Mittelpunkt stehe. Das tut sie nun zwar unweigerlich, doch sie lässt auch wegen ihrer Art anderen wie der Co-Vorsitzenden Haßelmann genug Raum. Die wiederum weiß, dass sie mit 63 Jahren nicht unbedingt die Zukunft der Partei sein wird.
Dröge hingegen ist erst im vergangenen Herbst 40 geworden und bringt eine Reihe weiterer Eigenschaften mit, die ihr noch nützlich werden könnten. Die gebürtige Münsteranerin hat ihre ersten parteipolitischen Erfahrungen bei der Grünen Jugend gesammelt, deren Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen sie bereits mit 19 Jahren wurde. Dröge ist ein Parteigewächs, sie kennt aber auch die Verwaltung. Bevor sie 2013 in den Bundestag gewählt wurde, arbeitet sie als Referentin im Umweltministerium in Düsseldorf.
Zudem hat Dröge auf dem Feld die größte Expertise, das in dieser Legislaturperiode zu einem der wichtigsten werden könnte: die Wirtschaftspolitik. Dröge hat Volkswirtschaftslehre studiert und war im Bundestag vor ihrer Zeit als Fraktionsvorsitzende unter anderem Sprecherin für Wettbewerbs-, Handels- und Wirtschaftspolitik. Der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann pries seine Chefin kürzlich im „Tagesspiegel“: „Inhaltlich ist ihr kaum jemand gewachsen.“
Dröge korrigiert den Habeck-Kurs
Zugleich gibt es nach wie vor Skeptiker in der Partei, meist bei den Realos, die Dröge noch nicht als das unangefochtene Grünen-Gesicht sehen. Denn Dröges starke Rede gegen Merz war eher die Ausnahme, in der Vergangenheit fiel sie nicht als große Rhetorikerin auf. Immer wieder sind in diesem Zusammenhang Witze mit ihren Nachnamen zu hören.
Nicht nur kommunikativ, auch inhaltlich ist Dröge nicht mit einem Habeck zu vergleichen, der die Grünen über Jahre geprägt hat. Der scheidende Wirtschaftsminister wollte im Wahlkampf vor allem enttäuschte CDU-Anhänger gewinnen, über Klimapolitik sprach er deshalb wenig. Dröge hingegen steht für einen klaren Oppositionskurs gegen Merz. Dass sie mehr Geld für den Klimaschutz in das Schuldenpaket hineinverhandelte, war auch ein Signal an die Parteibasis, die ihr das mit Zuneigung dankt.
Grüner Länderrat als Bewährungsprobe für Geschlossenheit
Noch kann sich Dröge aber nicht uneingeschränkter Unterstützung sicher sein. Die Grünen sind vom Wahlkampf direkt in die Schuldendebatte geraten, Zeit für eine schonungslose Wahlanalyse blieb kaum. Beim Länderrat der Partei – eine Art kleiner Parteitag – Anfang April könnte diese aber noch anstehen. Dann könnte es auch zum Flügelstreit kommen, der sich schon seit einiger Zeit andeutet, aber nie wirklich ausgebrochen ist.
Nach dem gelungenen Auftakt in der Opposition sehen einige Grüne den Länderrat als erste Bewährungsprobe für die neue Machtarchitektur. Die neue Aufmerksamkeit für Dröge kann dann auch bedeuten, dass sie zur ersten wird, bei der die Basis Kritik ablädt. Die zweite Bewährungsprobe sehen viele im parlamentarischen Alltag, nachdem die neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Dafür bringt Dröge aber gute Voraussetzungen mit – das haben die vergangenen Wochen gezeigt.