Chinas Abnickparlament tagt – Die Welt blickt gespannt auf diese zwei Zahlen

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Einer weist den Weg: Staats- und Parteichef Xi Jinping (links) und Premierminister Li Qiang bei der NVK-Tagung im vergangenen Jahr. © Greg Baker/AFP

Chinas XXL-Parlament trifft sich zu seiner jährlichen Sitzung. Es wird eine sorgfältig inszenierte Show, die aber Hinweise darauf gibt, wohin sich das Land entwickelt.

Chinas Nationaler Volkskongress mag das größte Parlament der Welt sein. Mit einer Volksvertretung im westlichen Sinne hat er allerdings nur wenig zu tun. Denn wenn ab Dienstag die 2956 Abgeordneten zu ihrer jährlichen Sitzung im abgeriegelten Stadtzentrum von Peking zusammenkommen, wird vor allem fleißig abgenickt, geklatscht, Tee getrunken. Nur debattiert wird nicht. Warum auch? Alles Wichtige wurde ohnehin schon im Vorfeld entschieden, von Staats- und Parteichef Xi Jinping und seinen Getreuen. Jetzt geht es ums Abstempeln. „Es ist eine Show, die sorgfältig inszeniert wird“, sagt Nis Grünberg von der China-Denkfabrik Merics.

Und doch blicken Beobachter weltweit in diesen Tagen nach Peking. Denn auch wenn die Abgeordneten nicht wirklich etwas zu sagen haben: Was sie absegnen, gibt Hinweise darauf, wohin die zweitgrößte Volkswirtschaft in den kommenden Monaten steuert. Wie wird sich die chinesische Wirtschaft entwickeln? Wie das Militärbudget des Landes? Und welche neuen Drohungen in Richtung Taiwan sendet China diesmal aus?

Chinas Wirtschaft schwächelt

Das rund einwöchige Treffen beginnt traditionell mit dem Arbeitsbericht des chinesischen Ministerpräsidenten. Der heißt seit einem Jahr Li Qiang, wurde von Xi Jinping persönlich ausgewählt und gilt als einer seiner engsten Vertrauten. Zuständig ist er vor allem für die Wirtschaft, auch wenn das letzte Wort auch hier freilich bei Xi liegt.

Chinas „Zwei Sitzungen“

Der Nationale Volkskongress (NVK) ist mit 2956 Abgeordneten das größte Parlament der Welt. Wirkliche Macht hat er aber nicht: Die Parlamentarier nicken lediglich von der Parteiführung vorab getroffene Entscheidungen ab. Die jährliche Sitzung des NVK dauert eine Woche und wird diesmal am 5. März mit dem Arbeitsbericht von Ministerpräsident Li Qiang eröffnet. Bereits einen Tag zuvor beginnt die jährliche Tagung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, eines beratenden Gremiums, dem gut 2000 Mitglieder der Kommunistischen Partei und anderer Organisationen angehören. Politisch hat die Konsultativkonferenz eine untergeordnete Bedeutung.

Li Qiangs Vorgänger, der im Oktober überraschend verstorbene Li Keqiang, hatte vor einem Jahr das Wachstumsziel für die chinesische Wirtschaft mit „um die fünf Prozent“ beziffert. Es war die niedrigste Zielvorgabe seit drei Jahrzehnten. Chinas Wirtschaft wuchs schließlich um 5,2 Prozent, ein Wert, der einen deutschen Wirtschaftsminister vor Neid erblassen lassen dürfte, der aber wenig ist für ein Land, das noch viele Hundert Millionen Menschen aus der Armut holen will. Merics-Analyst Jacob Gunter erwartet nun ein Wachstumsziel in ähnlicher Höhe – „oder vielleicht ein bisschen niedriger“. Der Internationale Währungsfonds geht in seiner Prognose sogar von nur 4,2 Prozent aus, bis 2028 soll das Wachstum auf 3,4 Prozent fallen.

Der Boom nach dem Ende der strikten Corona-Maßnahmen, die vor rund anderthalb Jahren aufgehoben wurden, blieb jedenfalls aus. Explodiert sind stattdessen die Schulden der Provinzregierungen, die Immobilienkrise hat sich verschärft, der Geburtenrückgang setzt sich fort, ausländische Direktinvestitionen brechen ein, die Bevölkerung konsumiert zu wenig. 75 Jahre nach Staatsgründung stehen in China die Zeichen auf Stagnation. All das „verlangt wirklich nach Antworten aus Peking“, sagt Nis Grünberg. Premier Li werde jedoch „nicht in der Lage sein, eine wirtschaftsfreundliche Politik durchzusetzen“, weil für Staatschef Xi nicht die Wirtschaft Priorität habe, sondern die „nationale Sicherheit“. Zu spüren bekommen das schon jetzt Unternehmen, auch aus dem Westen, die sich von neuen Gesetzen zur Bekämpfung von Spionage oder zur Weitergabe von Staatsgeheimnissen gegängelt fühlen.

Wie stark wächst Chinas Verteidigungsbudget?

Neben dem geplanten Wirtschaftswachstum gibt es noch eine zweite Zahl, die Beobachter zu Beginn des Volkskongresses notieren werden: Erwartet wird, dass Premierminister Li eine Steigerung des Militärhaushaltes ankündigt. Schon im vergangenen Jahr gab es mehr Geld fürs Militär, der Zuwachs des Verteidigungsbudgets wurde mit 7,2 Prozent veranschlagt. Helena Legarda, die für Merics die chinesische Außenpolitik beobachtet, rechnet für dieses Jahr mit einem ähnlich hohen Zuwachs. China hat schon jetzt den zweitgrößten Verteidigungshaushalt der Welt, gibt pro Kopf allerdings nur rund ein Zehntel so viel fürs Militär aus wie Spitzenreiter USA.

Unklar ist, ob der Nationale Volkskongress einen neuen Außenminister ernennen wird. Das Amt hat derzeit Wang Yi inne, der in einer Doppelrolle auch oberster Diplomat der Kommunistischen Partei ist. Er übernahm im vergangenen Jahr von Qin Gang, der nach nur sieben Monaten im Amt geschasst wurde und seitdem verschwunden ist. Als möglicher Nachfolger wird Liu Jianchao gehandelt. Liu ist derzeit als Chef der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei dafür zuständig, Beziehungen zu ausländischen Parteien zu pflegen. Der 60-Jährige „genießt das Vertrauen der obersten Führung“, sagt Legarda. „Peking wird seine Offenheit, Freundlichkeit und Kompetenz nutzen, um die Beziehungen zum Ausland zu stabilisieren“, etwa zu den USA.

Ein weniger freundliches Gesicht wird Peking indes weiterhin gegenüber Taiwan zeigen, der demokratischen Inselrepublik, die China als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet. Seit Jahren schon tritt Peking in der Region immer aggressiver auf, schickt Kampfjets und Kriegsschiffe in die Nähe der Insel. Auf dem Volkskongress dürfte Premier Li Qiang nun eine deutliche Botschaft in Richtung Taipeh senden: China wird sich Taiwan einverleiben, nicht heute oder morgen vielleicht, eine „Wiedervereinigung“ aber ist unvermeidlich.

Auch interessant

Kommentare