Rheinmetall testet neuen Lynx-Panzer an der ukrainischen Front

  1. Startseite
  2. Politik

Rheinmetall testet neuen Lynx-Panzer an der Ukraine-Front

Kommentare

Neue Mobilität: Mit dem Lynx KF41 lässt Rheinmetall demnächst seinen neuen Schützenpanzer in der Ukraine bauen. Ein erstes Exemplar soll jetzt zu Erprobungen dort aufgetaucht sein. © IMAGO / Mick Tsikas

Einen neuen Schützenpanzer erhält die Ukraine mit dem deutschen Lynx. Rheinmetall setzt künftig ganz auf die Produktion dieses Modells in der Ukraine.

Kiew – „Sie sehen: Wir können unsere Produktion noch ausweiten – in der Ukraine wie in Deutschland“, schreibt Armin Papperger. Der Vorstandsvorsitzende der deutschen Rüstungsschmiede Rheinmetall setzt jetzt um, was er im Februar vergangenen Jahres gegenüber dem Tagesspiegel angekündigt hatte: den Bau des Schützenpanzers Lynx KF41 (Luchs) in der Ukraine. Deutschland zweitgrößter Rüstungskonzern wird damit ein aktiverer Gegenspieler Wladimir Putins und greift stärker als bisher in den Ukraine-Krieg ein.

Der erste Lynx rollt bereits in der Ukraine. „Er geht dort nun in die Erprobung bei den Streitkräften, damit möglichst bald die Serienbeauftragung erfolgen kann. Wir müssen der Ukraine mit unverändertem Nachdruck helfen“, sagte Papperger gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z). Neben den Geschossen, die Rheinmetall bereits in der Ukraine produziert, sieht Papperger den Bau des Lynx als zweiten Schritt in der Kooperation mit der Ukraine und den Bau eines vollwertigen Kampfpanzers als dritten, wie er gegenüber dem Tagesspiegel geäußert hat.

Ukraine als Werbepartner: Die Rüstungsbauer versuchen, Lynx innerhalb der Nato populär zu machen

„Es ist vollbracht“, jubilierte im September 2020 das Magazin Europäische Sicherheit & Technik (ES&T). Grund dafür war, dass Ungarn als erster Nato-Partner den Lynx bestellt hatte. Das Fahrzeug war zwei Jahre zuvor auf der Rüstungsmesse Eurosatory 2018 vorgestellt worden. Bis dato hat sich nur Ungarn dazu entschieden, Schützenpanzer dieses Typs für die eigenen Streitkräfte zu beschaffen. Das ungarische Verteidigungsministerium hatte Rheinmetall im September 2020 mit der Lieferung von Lynx-Schützenpanzern und dazugehörigen Leistungen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro beauftragt. 218 Stück sollen insgesamt für Ungarn gebaut werden.

„Gerade Russlands Angriffskrieg zeigt uns doch, dass viel, viel mehr Kampfpanzer der neuesten Generation notwendig sind. Hätte die Ukraine gleich am Anfang mehr davon zur Verfügung gehabt, bevor die ganzen Panzersperren aufgebaut wurden, hätte sie die Möglichkeit gehabt, durchzustoßen und möglicherweise weitere Erfolge zu erzielen.“

Laut ES&T-Autor Gerhard Heiming hatte der Lynx damit seinen Marktdurchbruch geschafft und könne in Serie produziert werden. Die deutschen Rüstungsbauer versuchen seitdem, den Lynx innerhalb der Nato populär zu machen; in Deutschland selbst löst der Puma den in die Jahre gekommenen Marder ab. Der Puma wird gebaut von einem Konsortium aus Rheinmetall und der zweiten deutschen Rüstungsschmiede KNDS.

Allerdings bemühen sich die Deutschen um einen Mega-Deal in den USA. Der Lynx nimmt teil am Ausschreibungsprozess um die Nachfolge des M2 Bradley für die US-Armee. Der Bradley hat sich in der Ukraine einen phänomenalen Ruf erarbeitet; ähnliches wird auch vom Lynx erwartet. Die Kanone des Schützenpanzers ist kleiner als die des Kampfpanzers; allein deshalb ist ein Schützenpanzer einem feindlichen Kampfpanzer an Feuerkraft, Panzerung und Reichweite unterlegen und im Prinzip leichter zu zerstören; oder wie das Magazin Forbes schreibt: „Das in den USA hergestellte Infanterie-Kampffahrzeug M2 Bradley ist kein Panzer. Es ist ein Kampftaxi für die Infanterie.“

Neues „Kampftaxi“ gegen Putin: Antwort auf die dynamischen Anforderungen zukünftiger Gefechtsfelder

Die Ankunft dieses neuen deutschen „Kampftaxis“ sieht Michail Chodarenok durchaus kritisch. Der ehemalige Offizier und Autor der russischen Gazeta.ru erinnert daran, dass der Lynx mit seinen rund 44 Tonnen Gewicht möglicherweise ein erhöhtes Sicherheitsniveau für seine acht Grenadiere biete, dafür aber eventuell Einbußen in Mobilität und Feuerkraft erleiden könnte. Der Lynx spielt in der gleichen Liga wie der deutsche Puma und der schwedische CV 90.

Wobei der Unterschied gerade zwischen den deutschen Schützenpanzern darin liegen soll, dass der Puma eher ein fertiges Waffensystem darstelle und der Lynx eine Plattform für multiple modulare Aufbauten sein und daher individueller nutzbar werden soll. Innerhalb von wenigen Stunden sei auch unter Gefechtsbedingungen möglich, aus einem vorherigen Schützenpanzer einen vollwertigen Führungs- oder Krankentransportpanzer zu machen.

Allen Nutzungsarten gleich sei sein „Schutz gegen ein breites Spektrum an Bedrohungen, einschließlich improvisierter Sprengsätze (IEDs), Minen, direkte und indirekte Feuer, Streumunition (Cluster-Munition) und Panzerabwehrlenkwaffen“, schreibt Fynn Becker über die Vorstellung des KF41 auf Rüstungsmesse Eurosatory 2024 – laut Aussagen von Rheinmetall sei der Lynx KF41 „die Antwort auf die dynamischen Anforderungen zukünftiger Gefechtsfelder“, wie das Unternehmen begleitend zur Messe verkündete.

Auf der Eurosatory war der Lynx neben der Grundversion auch zu sehen als Flugabwehr-Kanonenpanzer Skyranger sowie als leichter Kampfpanzer zur Feuerunterstützung mit einem Turm samt 120 Millimeter Kanone vom Kooperationspartner Leonardo aus Italien. Eine Version mit einer 120 Millimeter Glattrohr-Kanone vom Leopard 2 war ebenfalls angedacht gewesen. Seine hauptsächliche Bewaffnung allerdings ist eine 30 beziehungsweise 35 Millimeter Maschinenkanone.

Der Angriff der Ukraine um Kursk verdeutlicht hohe Bedeutung des Schützenpanzers

Panzergrenadier-Einheiten seien dann erfolgreich, wenn deren Fahrzeuge selbst nicht unnötig dem feindlichen Panzerabwehrfeuer ausgesetzt seien, die Infanterie in begrenztem Gelände eingesetzt würde, wo sie den Vorteil feindlicher mechanisierter Kräfte zunichte machen kann, und ein hohes Tempo eingehalten werde. Dennoch ist neben Feuerkraft und Mobilität der Schutz der Besatzung die Hauptaufgabe eines Schützenpanzers. Neun Infanteristen ergänzen die dreiköpfige Besatzung.

Die Ukraine wäre der zweite Großabnehmer des Fahrzeugs. Die USA möglicherweise der dritte. Dort hätte das Fahrzeug einen besatzungslosen Turm bieten müssen, die USA hatten auf eine maximale Besatzung von zwei Soldaten gedrungen. Der Angriff der Ukraine um Kursk herum verdeutlicht die weiterhin hohe Bedeutung des Schützenpanzers in modernen Auseinandersetzungen. „Gerade Russlands Angriffskrieg zeigt uns doch, dass viel, viel mehr Kampfpanzer der neuesten Generation notwendig sind. Hätte die Ukraine gleich am Anfang mehr davon zur Verfügung gehabt, bevor die ganzen Panzersperren aufgebaut wurden, hätte sie die Möglichkeit gehabt, durchzustoßen und möglicherweise weitere Erfolge zu erzielen“, hatte Papperger dem Tagesspiegel gegenüber geäußert.

Weiterer Nachschub für Ukraine: 20 Schützenpanzer vom Typ Marder 1A3 in der ersten Jahreshälfte 2025

Das Fähigkeitsprofil des Kampfpanzers werde durch den Schützenpanzer komplementiert, schreiben Jörg Wenger und Rudolph Umer. Die beiden Panzer-Offiziere äußern gegenüber dem Magazin DefenseNetwork, dass der Kampfpanzer auf dem Gefechtsfeld ohne Schützenpanzer-Unterstützung seinen Kampfwert rasch einbüße. Mit dieser sei möglich, auf mittlere und auf längere Distanzen aus einer gedeckten Stellung heraus feindliche gepanzerte Fahrzeuge gezielt zu bekämpfen und zu vernichten. Diese Fähigkeiten würden vervollständigt durch den Schützentrupp, welcher im hinteren Kampfraum des Fahrzeugs direkt zum Einsatzort verbracht werden können, wie sie schreiben.

Bestmöglich geschützt bis dicht vor den Feind. Auch neue Marder bekommt die Ukraine jetzt, wie das Unternehmen mitteilte: Der Düsseldorfer Technologiekonzern Rheinmetall hatte im Dezember 2024 den Auftrag erhalten, der Ukraine weitere 20 Schützenpanzer vom Typ Marder 1A3 zu liefern. Die Auslieferung soll in der ersten Jahreshälfte 2025 erfolgen. Der Auftrag hat einen Wert von einem mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Finanziert wird die Lieferung durch Deutschland. Insgesamt hat Rheinmetall den Streitkräften der Ukraine bereits eine dreistellige Anzahl an Marder-Schützenpanzern übergeben. Die Arbeiten an den alten Fahrzeugen aus Industriebeständen erfolgten an den Konzern-Standorten Unterlüß und Kassel.

Dem Kampf- und Schützenpanzer wird seine neue Rolle noch auf Leib zu schneidern sein – wobei der Krieg asymmetrischer werden wird, aber auch in seiner klassischen Form vital bleibt, wie Ralf Raths gegenüber der Welt erklärt hat – der Historiker ist Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster: „Die Zeit der Panzerschlachten und operativen Durchbrüche ist da zwar vorbei. Aber angesichts der Panzernutzung in der Ukraine oder in Syrien wird schnell deutlich, dass die Panzer stattdessen zu ihrer ursprünglichen Rolle zurückkehren: Sie werden vermehrt in geringer Zahl und im taktischen Kontext eingesetzt: Als Rammböcke in kleinen Gefechten, als Ankerpunkte für die Infanterie oder als Artillerieeinsatz über lange Distanzen im Direktfeuer.“

Auch interessant

Kommentare