Ende des Bahn-Desasters in Sicht? Verkehrsminister Wissing greift bei der Deutschen Bahn jetzt durch
Die Deutsche Bahn ist dringend sanierungsbedürftig. Um die Probleme zu bekämpfen, will Verkehrsminister Wissing den Konzern nun an die kurze Leine nehmen.
Berlin – Die Probleme bei der Deutschen Bahn will der Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht mehr länger hinnehmen. Nachdem eine Serie von Negativschlagzeilen über den desaströsen Zustand des Konzerns die Bahn in Bedrängnis gebracht hatten, fordert der Minister nun eine umfangreiche Sanierung. Bei den Berichten über den Sommer ging es insbesondere um das immer schlimmere werdende Thema Pünktlichkeit und um den Umgang mit dem Personal, dass sich zunehmend für ihren eigenen Arbeitgeber schäme.
Auch der neue Gewerkschaftsführer der GDL, Mario Reiß, beklagte in seinem ersten Interview seit seiner Ernennung von einer spürbar schlechter werdenden Bahn. „Um eine spürbare Besserung zu erreichen, müsste man sie für mindestens vier Jahre schließen, um alles zu sanieren“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Wissing erhöht den Druck auf die Deutsche Bahn: Sanierung bis 2027
Das will der Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun scheinbar ernst nehmen und erhöht den Druck auf die Deutsche Bahn. Der FDP-Politiker forderte den bundeseigenen Konzern zu einem Sanierungskonzept auf und legte einen Forderungskatalog vor. Ein Sanierungsprogramm der Deutschen Bahn solle bis zum Jahr 2027 kontinuierlich Verbesserungen bringen. Die Bahn solle wirtschaftlicher arbeiten. Sparten wie der Güter- und Fernverkehr schreiben rote Zahlen.
Die Pünktlichkeit sei sehr schlecht, die Zuverlässigkeit der Bahn nicht zufriedenstellend, sagte Wissing. Dazu kommt, dass die Bahn in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Allein im ersten Halbjahr hat der bundeseigene Konzern einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro eingefahren und trägt Schulden von rund 33 Milliarden Euro mit sich herum. Hinzu kommt die miese betriebliche Situation, unter der vor allem die Fahrgäste, aber auch die Beschäftigten leiden.
Wissing: Bund hat Milliarden für die Bahn bereitgestellt, jetzt muss sie liefern
Der Minister sagte, er habe die Bahn zu seinem Amtsantritt 2021 in einem schwierigen Zustand vorgefunden, die Infrastruktur sei desolat gewesen. Wissing verwies auf das erarbeitete Konzept zur Sanierung besonders belasteter Strecken bis 2030 - Mitte Juli hatte die Sanierung der ersten Strecke begonnen, die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie wird dafür bis Mitte Dezember komplett gesperrt.
Der Bund habe der Bahn zusätzliche Milliarden zur Verfügung gestellt, gesetzliche Reformen zur Finanzierung des Schienennetzes umgesetzt. Es sei außerdem eine neue Infrastruktursparte gegründet worden. Der Bund als Eigentümer sei in „Vorleistung“ gegangen, sagte Wissing. Der Bund fördere die Bahn mit enormen Haushaltsmitteln - nun sei die Bahn gefordert. „Ich will Ergebnisse sehen.“
Sieben Handlungsfelder zur Sanierung der Deutschen Bahn: Regelmäßige Berichte gefordert
Wissing nannte sieben Handlungsfelder. Der Aufsichtsrat der Bahn werde ein Konzept in seiner nächsten Sitzung beraten und seiner Erwartung nach beschließen. Er erwarte alle drei Monate einen Bericht, ob Ziele erreicht werden. „Wir wollen ein Sanierungsprogramm haben, das bis zum Jahr 2027 läuft und kontinuierlich Verbesserungen bringt“, sagte Wissing. „Es darf die Option nicht geben, dass es nicht klappt. Das ist meine Vorgabe.“
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Konkret geht es zum Beispiel darum: Die Bahn soll Maßnahmen ergreifen, um bereits während der Infrastruktursanierung die Pünktlichkeit „kurzfristig“ deutlich zu verbessern. Im Juli lag die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr bei lediglich 62 Prozent. Welche Quote genau ihm vorschwebt, wollte Wissing nicht sagen. Die Bahn werde konkrete Zahlen vorlegen. Ziel sei es, dass die Pünktlichkeit auf ein „internationales Spitzenniveau“ gebracht wird.
Weiter heißt es in einem Papier des Ministeriums, die DB Fernverkehr müsse ihre Züge besser auslasten, um wieder in einen wirtschaftlichen und nachhaltigen Betrieb zu kommen. Ob dies über „attraktive Preise“ für niedrig ausgelastete Züge oder die Gewinnung neuer Geschäftskunden geschehe, liege in der Verantwortung des Bahnvorstands. Wissing sprach sich gegen die Stilllegung von Strecken aus.
Deutsche Bahn muss Geld sparen und baut 30.000 Stellen ab
Die Bahn hat bereits einen Sparkurs eingeläutet. In den kommenden Jahren sollen rund 30.000 Stellen abgebaut werden. Der Zugbetrieb soll davon zunächst ausgenommen bleiben. Mittel- bis langfristig muss aber auch dort gespart werden.
„Das erste Halbjahr hat die Schwächen des Eisenbahnsystems in Deutschland und unsere eigenen Probleme noch einmal schonungslos offengelegt“, hieß es vom Unternehmen am Dienstag. Die Bahn bestätigte zudem die Arbeit an einem Sanierungskonzept. „Der Vorstand wird ein Gesamtprogramm zur Sanierung der DB in den nächsten drei Jahren auf den Weg bringen und Mitte September dem Aufsichtsrat vorlegen“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. „Wir konzentrieren uns dabei auf die Sanierung der Infrastruktur, der betrieblichen Lage und der wirtschaftlichen Situation.“
Mit dem Programm werde die Basis geschaffen, „bis zum Jahr 2027 den Wachstumspfad unserer Strategie „Starke Schiene“ wieder zu erreichen und die mit der Regierung vereinbarten verkehrspolitischen Ziele umzusetzen“. Diese sehen unter anderem vor, bis zum Jahr 2030 die Zahl der Fahrgäste im Vergleich zu 2015 zu verdoppeln und rund 25 Prozent des Güterverkehrs in Deutschland über die Schiene abzuwickeln.
Grüne und Gewerkschaft skeptisch: Bahnpersonal darf nicht „für Misspolitik herhalten“
Der Minister wollte sich nicht dazu äußern, ob der bisher geplante Stellenabbau bei der Bahn ausreicht. Das sei nicht Aufgabe des Eigentümers. Im Papier des Ministeriums heißt es, die Bahn müsse Doppelstrukturen abbauen und ihre „Personalproduktivität“ wieder erhöhen. Weiter heißt es, Investitionen außerhalb der Infrastruktursanierung müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Projekte müssten im vorher zugesagten Zeit- und Kostenrahmen fertig werden. Im Betriebsablauf bei der Bahn müssten digitale Lösungen genutzt werden, um Mitarbeiter zu entlasten und die Kundenfreundlichkeit zu verbessern.
Der Koalitionspartner Grüne reagierte skeptisch. Der Bahnexperte Matthias Gastel nannte die Forderungen Wissings eine „Kombination aus Selbstverständlichkeiten, Populismus, Widersprüchen und schwammigen Formulierungen“. Das Parlament warte darauf, dass das Bundesministerium lange gemachte Versprechen einhalte. Gastel nannte das „Moderne-Schiene-Gesetz“, über das beispielsweise die Finanzierung für die Digitalisierung gelöst werden könne.
Die Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat sagte, die Bahn müsse auch intern besser werden. „Aber dauerhaft wird sich ihr Angebot nur mit einer langjährig gesicherten Finanzierung bessern.“ Sie forderte einen überjährigen Schienenfonds wie etwa in der Schweiz.
Kritik an den Plänen kam auch von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. „Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sollen also für Misspolitik und Missmanagement herhalten“, heißt es in einer Mitteilung an die eigenen Mitglieder, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Für die EVG ist klar: Nicht mit uns!“ Die Gewerkschaft wandte sich erneut vor allem gegen einen Stellenabbau insbesondere im betriebsnahen Bereich. (wal/dpa)