Taurus-Detonationen mitten in der Ampel – doch sogar die Union bekommt wohl kalte Füße

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Die Union treibt die Ampel in Sachen Taurus vor sich her – doch inmitten der Koalitions-Eklats deutet sich ein neuer Kurs bei CDU und CSU an.

Berlin – Seit Wochen streitet die Ampel-Koalition über Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, allen Kanzler-Machtworten zum Trotz – bei den üblichen Halbwertszeiten politischer Debatten eine wahre Ewigkeit. Begleitet ist der Zoff von einer peinlichen Menge an Flops und Fehlschlägen: ein Abhör-Eklat, Lügen-Vorwürfe an Olaf Scholz, Entsetzen über eine Rede von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

Am Samstag (16. März) sah sich die SPD-Spitze genötigt, dem Genossen Mützenich beizuspringen: Kritiker hätten die Rede bewusst „missinterpretiert“, sagte Parteichef Lars Klingbeil.

Doch hinter dem ganzen Ungemach könnte sich der Trubel von selbst auflösen: Einem Bericht des Tagesspiegel zufolge könnte nun selbst die Union von den Rufen nach dem Taurus für die Ukraine ablassen. Noch vor wenigen Tagen hatten CDU und CSU mit einem Bundestags-Antrag sogar Befürchtungen vor einer Art Koalitionsbruch geschürt. Ampel-Politiker spielten offen mit dem Gedanken, gegen die eigene Regierung zu stimmen.

Taurus-Meinungswandel bei der CSU? Marschflugkörper „überhöht“

Nach Informationen der Berliner Zeitung hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt aber bereits zu Wochenbeginn einen Kurswechsel eingeleitet. Stoßrichtung sei nun, der Taurus werde „überhöht“ – ein weiteres Mal werde die Union die Frage nicht auf die Agenda des Parlaments bringen, heiße es aus Fraktionskreisen. Tatsächlich war in den von Russland geleakten Gesprächen der Bundeswehr-Luftwaffe auch zu vernehmen, der Taurus werde den Verlauf des Krieges nicht ändern. Zugeschrieben wird diese Äußerung Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz.

Ein innenpolitisches Kalkül vermutete der Tagesspiegel hinter diesem mutmaßlichen Sinneswandel. Zum einen habe Dobrindt bei Terminen in der Heimat – wie dem Starkbieranstich am Nockherberg – dem Volk aufs Maul geschaut und eine neue Stimmung wahrgenommen. Für die Partei von Markus Söder stets ein gewichtiges Argument. Zum anderen grassiere die Befürchtung, die SPD werde die Union und CDU-Chef Friedrich Merz als „Kriegstreiber“ darstellen und Scholz als besonnene Leitfigur. Bekannt ist immerhin: In mehreren Umfragen gibt es Mehrheiten gegen eine Taurus-Lieferung.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (vorne) erhält viel Kritik für seine Taurus-Rede – doch auch bei der Union gibt es wohl Zweifel. © Montage: Imago/Ipon/dts Nachrichtenagentur/fn

Hinzu könnte kommen, dass auch in der Union die Meinung zur Taurus-Frage alles andere als einhellig ist. Merz selbst erklärte nun der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es gebe parteiintern kritische Stimmen. Er nehme diese „ernst“ und gebe ihnen auch Raum, erklärte Merz: „Bei uns wird niemand zurechtgewiesen.“ Unterdessen geriet Mützenich für seine Taurus-Rede zwar massiv in die Kritik – könnte aber gleichzeitig in ein politisches Wespennest gestochen haben.

Mützenich im Kreuzfeuer: Ricarda Lang rügt „Rückfall in alte Russlandpolitik“

Mützenich hatte im Bundestag kritisiert, dass einige Fragen rund um den Ukraine-Krieg schon als „Schandfleck“ bezeichnet würden. Er fragte im Plenum: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“

Empört zeigten sich vor allem Grüne und FDP. Die Rede sei ein „Rückfall in die alte Russlandpolitik der Sozialdemokratie“ gewesen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Freitag dem Sender Welt. Ihr bayerischer Parteifreund Anton Hofreiter warf Mützenich vor, Wladimir Putin zu ermutigen, „den Krieg noch weiter zu eskalieren“. FDP-Chef Christian Lindner attestierte der SPD, die Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern für Wahlkampfmanöver zu missbrauchen.

Taurus doch bald vom Tisch? Innenpolitik könnte Ausschlag geben – auch bei der CDU

Klingbeil trat diesen Stimmen nun entgegen. Natürlich werde man diskutieren müssen, wie Frieden erreicht werden kann. Wer aber Mützenichs Worte in Verbindung damit bringe, dass die SPD, der Kanzler oder die SPD-Fraktion von der Ukraine abrücken würden, der habe Mützenichs Rede bewusst missinterpretiert oder wolle sie missinterpretieren.

Letztlich könnte aber gerade die Innenpolitik den Ausschlag in der Taurus-Frage geben. Das ist in der Ukraine-Debatte zwar verpönt, aber ein pragmatischer politischer Pfad: 2005 hatte die SPD als „Friedenspartei“ im Irak-Krieg die Bundestagswahl für sich entschieden. Und in Deutschland stehen im Jahr 2024 mehrere heikle Landtagswahlen an, just in den Ost-Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg, in denen teils andere Haltungen zu Russland vorherrschen. Womöglich nicht zufällig zählt auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer zu den Kritikern des Pro-Taurus-Kurses in der Union.

Scholz selbst zimmerte unterdessen am Freitag beim Treffen des „Weimarer Dreiecks“ an seiner eigenen Taurus-Alternative: Er verkündete mit Emmanuel Macron und Donald Tusk eine „Koalition für weitreichende Raketenartillerie“. Ins Auge stach das Wort „weitreichend“ – die Reichweite ist die besondere Stärke des Taurus. Gefordert wurden „weitreichende“ Waffen auch in einem Bundestagsbeschluss. Um „Artillerie“ handelt es sich bei den Marschflugkörper allerdings nicht. (fn mit Material von dpa und AFP)

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