Weniger als 100.000 Geflüchtete: Merz lobt Melonis Albanien-Modell – und Habecks Ukraine-Haltung
Friedrich Merz denkt über Wege nach, die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zu reduzieren – er richtet den Blick nach Ruanda und Italien.
Frankfurt/Berlin – Was wäre, wenn ... – Friedrich Merz Kanzler wäre? Der CDU-Chef hat ein paar Einblicke gegeben. Einer davon betraf die Migrationspolitik: Die Ankunftszahlen des vergangenen Jahres sind Merz zu hoch. Um Abhilfe zu schaffen, würde er eine „überfällige“ Reise unternehmen wollen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) in einem Interview.
Merz trommelt für Asyl-Auslagerung: Melonis Albanien-Modell interessiert CDU-Chef
„Über 300.000 im Jahr, wie im Jahr 2023, sind auf jeden Fall zu viel“, sagte Merz dem Sonntagsblatt. Als passenderen Bezugspunkt nannte er eine Zielmarke eines wahlkämpfenden Parteifreundes: Die von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) genannte Zahl von 60.000 bis 100.000 beschreibe „ungefähr das, was wir heute mit unserer Integrationskraft noch leisten können“, sagte Merz.
Sollte er Bundeskanzler werden, wolle er durch die Welt reisen und nach einem geeigneten Land suchen, das die Asylverfahren für Deutschland abwickeln könne, sagte Merz. „So eine Reise des Bundeskanzlers wäre längst überfällig“, fügte er hinzu.
Merz verwies auf eine Ruanda-Reise Alexander Dobrindts. Das Urteil des CSU-Landesgruppenchefs habe gelautet: „Im Prinzip eine gute Idee, aber es besteht noch Klärungsbedarf.“ Konkret gelte es, „zu klären, wie die Verfahren in Ruanda im Einklang mit unseren menschenrechtlichen Verpflichtungen gestaltet werden“, so Merz. Auch das von Italien verfolgte Albanien-Modell bezeichnete Merz als „Vorbild“. Entscheidend sei, „dass der humanitäre Schutz nach einem erfolgreichen Asylantrag dann auch tatsächlich in dem Aufnahmeland gewährleistet bleibt“.
Asyl auslagern: Die Pläne von Italien und Großbritannien
Nach den Plänen der britischen Regierung sollen irregulär eingereiste Migranten künftig ohne Prüfung ihres Asylantrags nach Ruanda geschickt werden können, das dafür als sicheres Drittland eingestuft wird. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bereits mit der Regierung in Kigali geschlossen.
Ein Migrationsabkommen zwischen Italien und Albanien sieht vor, dass bereits in diesem Frühjahr in der Region um die nordalbanische Hafenstadt Shëngjin zwei Aufnahmezentren für im Mittelmeer gerettete Migranten eröffnet werden. Italienische Behörden sollen es betreiben.
Scholz auf verlorenem Posten? CDU-Chef Merz attestiert Autoritätsverfall
Merz äußerte sich auch zur aktuellen Taurus-Debatte. Er sieht Kanzler Olaf Scholz mit dem Nein zu Lieferungen an die Ukraine auf zunehmend verlorenem Posten. „Die Argumentation, dass Waffenlieferungen an die Ukraine den Krieg eskalieren, die hören wir aus dem Kanzleramt seit zwei Jahren“, erklärte der CDU-Chef der FAS. „Diese Haltung wird in der Koalition aber nur noch von der SPD geteilt, und auch dort längst nicht mehr von allen.“
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Dass auch ein Konflikt mit Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) drohe, zeige einen Autoritätsverfall des Kanzlers, fügte Merz hinzu. Zugleich räumte er ein, es gebe auch bei der Union kritische Stimmen zu den Rufen nach Taurus-Lieferungen. Er nehme diese „ernst“ und gebe ihnen auch Raum, erklärte Merz: „Bei uns wird niemand zurechtgewiesen.“
Merz lobt Habeck in Sachen Ukraine-Krieg: „Chapeau!“
Ein überraschendes Lob hatte der CDU-Vorsitzende für Grünen-Vizekanzler Robert Habeck parat. „Wir haben mit den Grünen fundamentale Differenzen in der Wirtschafts- und Innenpolitik – aber in der Außen- und Sicherheitspolitik ein für mich immer noch überraschendes Maß an Übereinstimmung“, sagte Merz. Habeck sei der erste deutsche Politiker gewesen, der schon vor dem russischen Angriff von Waffenlieferungen an die Ukraine gesprochen hat: „Chapeau!“ In der Wirtschaftspolitik richte Habeck hingegen „massiven Schaden an“, relativierte Merz.
Die Frage nach einer möglichen Koalition nach der Bundestagswahl 2025 scheint der Union weitgehend ungeklärt. CSU-Chef Markus Söder steht einem Bündnis mit den Grünen äußerst kritisch gegenüber, Merz äußerte sich weniger deutlich – mit NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) pries hingegen ein möglicher Unions-Kanzlerschaftsanwärter auch schon die Zusammenarbeit mit den Grünen. Am Freitag gab es aus der CSU auch ein unerwartetes Lob für Parteineugründerin Sahra Wagenknecht. (fn mit Material von AFP)