Jahresversammlung des Heimatvereins Kempten zeigt vielseitige Aktivitäten
Bei der Jahresversammlung des Heimatvereins Kempten wurde wieder bestätigt: Die Organisation bietet viele Programme und bewegt einiges im politischen und kulturellen Leben der Kommune.
Kempten – Insgesamt 23 Veranstaltungen im vergangenen Jahr zählte Vorsitzender Markus Naumann in seinem Bericht zusammen, für das laufende seien bereits 22 eingeplant. Als besonders fruchtbar erweist sich die vielfältige Kooperation mit dem Kulturamt und dem Kempten-Museum.
Neue Perspektiven beim Heimatverein Kempten
Neue Perspektiven auf die Nachkriegszeit eröffnete die auf den Forschungen von Dr. Wolfgang Petz basierende Ausstellung „Zuflucht auf Zeit“ mit den Fotografien des Litauers Kazys Daugéla. Die Bilder (auch in einem Katalog veröffentlicht) ermöglichen einen Blick auf das Lagerleben von „Displaced Persons“ aus den baltischen Ländern zwischen 1945 und 1949 in Kempten, das bis jetzt so nicht wahrgenommen wurde.
Der im Rahmen eines Bewegten Donnerstags gehaltene Vortrag von Professor Andreas Wirsching über die Rolle kommunaler Stadtverwaltungen in der NS-Zeit war der Auftakt zu laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Fragen: Wie verhielten sich die Bürger in Kempten zum Regime? Wie groß war die Gewaltbereitschaft? Was lässt sich über die aktive Beteiligung der kommunalen Verwaltung nachweisen? Die Quellen, die Dr. Rouven Janneck neu entdeckt hat (beispielsweise Briefe von Algovia-Mitgliedern von der Front) und nun auswertet, hätten eine überregionale Bedeutung für die historische Forschung, meinte Naumann.
Veröffentlichungen des Heimatvereins
Für das Führen und Dokumentieren von Zeitzeugengesprächen investierte der Verein im vergangenen Jahr 12.000 Euro. In der abgeschlossenen ersten Phase standen altersbedingt Interviews über die Zeit des Nationalsozialismus im Vordergrund. Die mit Altoberbürgermeister Dr. Josef Höß geführten Gespräche schlagen jedoch bereits eine Brücke zur Nachkriegszeit.
Dazu, dass die Finanzen des Vereins geschrumpft sind, wie Kassenwartin Christa Eichhorst berichtete, trugen auch die Publikationen bei. 2023 sind gleich zwei Hefte des Allgäuer Geschichtsfreunds erschienen. Ganz anders als geplant kam es zur Veröffentlichung des „Familienbuchs der Reichsstadt Kempten 1596–1825“ von Rolf Nagel, eines 1.800 Seiten umfassenden Grundlagenwerks.
Die Publikation von Gerhard Kleins Fidel Schlund-Buch lasse ein Jahr länger auf sich warten, teilte der Vorsitzende mit. Dafür verkündete er, dass für den Herbst die Veröffentlichung von zwei Aufsätzen über Otto Merkt in einem Band geplant sei, der von der Regierung von Schwaben finanziert werde. Damit fange man an, die Ergebnisse der dortigen Arbeit nach außen zu tragen, meinte Naumann, der auch die Kommission für Erinnerungsarbeit leitet.
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Ingrid Müller bietet seit zehn Jahren zehn Führungen im Jahr in der Residenz an, aus diesem Anlass gab es 2023 Sonderführungen. Joram von Below bot Interessierten einen Rundgang zu Kunstwerken im öffentlichen Raum an. Am Tag des offenen Denkmals betreute der Verein zwei Standorte. Das sind einige Beispiele für die vielseitigen Angebote der Organisation. Auch Wanderungen und Fahrten gehören dazu.
Einige von Gerhard Reis zusammengestellte Bilder über eine Fahrt nach Südtirol in der Reihe zu den „Stiegen im Himmel“ wurden gezeigt und von Müller kommentiert. Naumann schlug für das nächste Jahr eine Reise zur Landesausstellung „500 Jahre Bauernkrieg“ nach Bad Schussenried vor. In Kempten werde Dr. Petz eine kleine Ausstellung zum Thema im Zumsteinhaus anbieten. Bei dem Jubiläumsprojekt „Courage“ wirke der Verein als beratender Partner des Kulturamtes mit. Man wolle den Bauernkrieg von einer anderen Seite beleuchten und sich auf die damals entstandenen Keimzellen der Demokratie konzentrieren.
Fragen des Heimatvereins an die Kemptener Stadtpolitik
Der Heimatverein ist auch in der Arbeitsgruppe, die über die Zukunft der Allgäuhalle berät, vertreten. Darüber, dass dort ein Raum für die Geschichte des Ortes entstehen müsse, seien sich alle einig, sagte Naumann. Für ihn sei es wichtig, dass dies in Gänze, und nicht nur auf die NS-Zeit eingeschränkt, passiere.
Schwer beeindruckt zeigte sich Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll davon, was der Verein mit zurzeit 412 Mitgliedern auf die Beine stellt. Geschichte werde vom Heimatverein in all ihren Facetten wachgehalten und in die Stadtgesellschaft getragen. In einer Zeit, „die uns manchmal schüttelt“, sei die Erinnerungskultur besonders wichtig.
Als sie auf die Zukunft des Beginenhauses angesprochen wurde, bezeichnete sie diese als ihren „persönlichen Schmerzpunkt“. Dieses historische Haus dürfe trotz schwieriger Haushaltslage nicht in Vergessenheit geraten. Sie bedauerte, dass bei der Konzeptentwicklung der Förderverein und die Stadt nicht zusammenkommen würden. Groll sicherte auf Anfrage zu, dass niemand im Stadtrat mit dem Gedanken spiele, das Gebäude zu veräußern.
Diskussionsbedarf gab es auch über den Zustand des städtischen und des evangelischen Friedhofs. Naumann findet die Pläne eines Investors nicht gut, das Rotschlößle „zuzubauen“. Schade finden die Mitglieder des Vorstands, die Edelweiß-Flächen für Gewerbe zu nutzen. Tilman Ritter habe in einer der letzten Sitzungen vorgeschlagen, den Bereich für in 40–50 Jahren notwendige Klinikerweiterungen oder ähnliche Projekte zu reservieren.
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